Samstag, 3. Januar 2009

Norwegen 2000 - Neue Wege - 15. Walsafari

Walsafari

Das war eine richtige Wohltat, nach sechzehn Nächten mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Das Frühstück fand im großen Gemeinschaftsraum des Hauses statt. Hier traf ich dann auch auf den Radfahrer, der am späten Abend noch angekommen war und bei recht stürmischen Wetter sein kleines Zelt hinter dem Haus auf der Wiese aufgeschlagen hatte.
Er kam aus dem Raum Gütersloh, war mit der Fähre bis Oslo gefahren und seit dem mit dem Fahrrad unterwegs. Drei Wochen hatte er bis hierher gebraucht, zehn, manchmal zwölf Stunden im Sattel gesessen. Was hatte er in den drei Wochen unternommen und gesehen? Nichts, dafür war keine Zeit geblieben. Das war doch kein Urlaub. Nein, er wollte auch nur einmal herausfinden, wie weit er belastbar war und ob er in der vorgegebenen Zeit sein Ziel erreichen konnte. Das Ziel war Hammerfest, noch gut fünfhundertfünfzig Kilometer entfernt, wenn man die Fähre nach Grillefjord benutzte. Acht Tage blieben ihm dafür noch. Von Hammerfest sollte es mit dem Bus zurück nach Oslo gehen.

Ausfahrt aus dem Hafen von Andenes
Nach dem Frühstück nutzte ich die Zeit für eine Inselbesichtigung. Der kleine Fischerhafen von Kvalnes und die achteckige Kirche boten schöne Motive bei aufklarendem Wetter. Die Temperaturen waren jedoch keineswegs sommerlich. Gerade mal zwölf Grad zeigte die Quecksilbersäule. Danach fuhr ich weiter nach Andenes um auf der Westseite wieder Richtung Süden zu fahren. Bei Røyken liegt eine kleine Raketenbasis. Konnte aber nicht heraus bekommen ob sie zu besichtigen war oder zum Sperrgebiet gehörte. Weiter nach Bleik, wo es mir gelang einen typisch norwegischen Tunnel zu fotografieren. Manchen Menschen wird es kalt den Rücken herunterlaufen wenn sie die Löcher in den Bergen sehen, durch die man überall in Norwegen hindurch muss.


Der erste Wal, weit voraus
Gleich hinter dem Tunnel hat man eine sehr schöne Aussicht auf die Schärenlandschaft der Westküste und dem Vogelfelsen Bleiksøya. Weiter Richtung Stave und Nordmela gibt es einige einzelne Höfe. Landschaftlich interessant sind die Skogvollbucht und der Skogvollsee. Hier führt die schmale Küstenstraße scheinbar geradewegs durchs Wasser. Ein Stück vor Nordmela geht es links ab nach Myre, zurück zur Ostseite der Insel. Die Straße ist unbefestigt und eigentlich eher ein Feldweg, aber für den öffentlichen Verkehr freigegeben.
Nach mehr als drei Stunden treffe ich wieder in Kvalnes ein. Beim Hauswirt erkundige ich mich wie lange man ins Haus kommt, weil ich nicht genau sagen kann, wann ich von der Walsafari zurück bin. Das Haus steht die ganze Nacht offen. Gäste können auch noch spät in der Nacht anreisen und hier eine Unterkunft finden. Die Schlüssel der freien Zimmer hängen an einem Haken im Flur, die Anmeldezettel liegen aus. Vertrauen wird hier, wie fast überall in Norwegen noch groß geschrieben.



und noch einer, diesmal beim Schiff
Am frühen Nachmittag fahre ich nach Andenes. Nachdem ich etwas gegessen hatte, fand ich mich im WWF Zentrum ein. Und bestätigte meine Buchung mit der Bezahlung. Die Sightseeingtour beginnt mit einer Führung im Zentrum. Die verschiedenen Walarten werden erklärt, welche Walarten möglicherweise anzutreffen sind wird ebenfalls gesagt. Dass man sein Geld zurück bekommt, wenn keine Wale gesichtet werden wird auch nicht verschwiegen. Das ist jedoch nur möglich, wenn man direkt vor Ort bucht. Wer über ein Reisebüro bucht bekommt zum einen so eine Garantie gar nicht und zahlt zum anderen auch noch einen deutlich höheren Preis. Die Einsparung reichte aus um die Unterkunft für die zwei Tage zu finanzieren. Ganz abgesehen davon, dass man sich terminlich festlegt wenn man von zu Haus aus bucht. Das alles hatte ich während meiner Vorbereitungen bereits herausgefunden. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass man zumindest in der Hauptsaison etwas Zeit mitbringen sollte. Es ist nicht gewährleistet auch gleich am nächsten Tag dabei sein zu können.
Um siebzehn Uhr war es endlich soweit, wir gingen an Bord des ehemaligen Walfängers Andfjord. Alle Kinder wurden sofort mit Schwimmwesten ausgestattet, den Erwachsenen erklärt wo sie zu finden und zu handhaben waren. Danach hieß es, Leinen los.

Der erste Schwertwal, viel zu früh, wen störts?
Es hatte sich wieder zugezogen, die Sonne war hinter einer dicken Wolkenschicht verschwunden und die Temperatur war noch mal deutlich zurück gegangen. Dazu kam ein kräftiger Wind, der uns um die Ohren pfiff und die See aufwühlte. Das kleine Fischerboot kämpfte sich durch die Dünung, die schon mal vier bis fünf Meter betrug und das Boot in ordentliche Schaukelbewegungen versetzte. An Deck kämpften derweil nicht wenige gegen etwas ganz anderes an, was ich hier nicht weiter erläutern möchte. Die meisten taten es jedenfalls vergebens, und die Fische und Möwen freuten sich.
Dem Seeadler schien das Wetter zu gefallen und auch das Boot schien ihn nicht zu stören, jedenfalls traute er sich ziemlich dicht heran, um Beute zu machen. Der wäre mir beinahe entgangen, wenn die Crew nicht darauf aufmerksam gemacht hätte.
Nach fünfundsiebzig Minuten, einem ewigen Auf und Ab, sowie mehr als zwanzig seekranken Teilnehmern war es endlich soweit. „Wal voraus!“ ertönte plötzlich ein Ruf. Alles starrte in die vorgegebene Richtung. Viel war nicht zu sehen, nur die typische kleine Wasserfontäne, die beim Ausatmen entsteht.
Nun zeigten sich auch die Grenzen meiner Fotoausrüstung. Mit dem Zweihunderter Teleobjektiv war wahrlich nicht viel auszurichten. Ich hätte wer weiß was dafür gegeben, wenn in diesem Augenblick ein Vierhunderter vom Himmel gefallen wäre. Es geschah nicht, bekanntlich brauchen Wunder immer etwas länger.


Vogelfelsen vor Andenes
Der Trawler nahm Kurs auf den gesichteten Wal, doch der Bursche war schneller. Die nächste Sichtung ließ auch nicht lange auf sich warten. Nach dem Pottwal, so die Crew, zeigte sich zu unser aller Erstaunen nun ein Blauwal. Gut erkennbar an der Wasserfontäne, die seitlich weggeht.
Wieder wurde der Kurs geändert und diesmal sollte er uns nicht entwischen, dafür war er zu nah am Schiff. Viel war nicht von ihm auszumachen, lediglich ein Teil des Rückens und kurz mal der Kopf. Ich machte gerade einige Bilder, als plötzlich ein Geräusch entstand, das ich nun gar nicht gebrauchen konnte. Der automatische Filmrücktransport setzte ein. Der Film war voll und das ausgerechnet jetzt!
Mit kalten klammen Fingern, immerhin hatten wir noch heiße sechs Grad auf See, wechselte ich den Film so schnell wie noch nie. Es hat nichts geholfen. Gerade hatte ich den Film in der Kamera, da tauchte der Wal auch schon ab.


Lagebesprechung am Ende der Tour
Doch weiter ging es, am Horizont wurde die nächste Sichtung gemacht. Wieder nahm der Kapitän eine Kursänderung vor, doch wir waren zu langsam. Es war wohl ein Pottwal, der vorzeitig wieder abgetaucht war.
Wieder tauchte einer auf und diesmal versetzte es sogar die Crew in Staunen. Der Wal wurde eindeutig als Schwertwal oder Orca identifiziert. Der Bursche war ein bisschen zu früh dran, Orcas tauchten erst gegen Mitte September auf und dann gleich in Rudeln. Sie folgen dann den Heringsschwärmen den Golfstrom hinunter und verweilen dann sogar in den Fjorden zwischen Hammerfest und Tromsø.
Wie auch immer, der Schwertfisch war da also wollten wir ihn uns auch ansehen. Der Bursche führte jedoch ganz anderes im Schilde. Allem Anschein nach wollte er mit uns spielen. Immer wenn wir uns ihm näherten tauchte er ab um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen. Dass es sich dabei immer um den gleichen Orca handelte, bestätigte die Crew. Deutliches Zeichen dafür war die markant abgeknickte Rückenflosse. Leider zählen die Bilder der Walsafari nicht zu den Besten. Trotzdem zählt auch dieses Erlebnis zu den unvergesslichen.

An Ende einer jeden Reise wartet der Heimathafen
Nach vier Stunden auf hoher See ging es zurück nach Andenes. Es wurde heiße Suppe gereicht und über das Gesehene gesprochen. Insgesamt sieben Walsichtungen standen am Ende auf dem Protokoll. Somit war auch diese Tour erfolgreich und bestätigte einmal mehr die fünfundneunzigprozentige Garantie. Um halb elf legte die Andfjord im Hafen an. Die Seekranken waren froh endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Auch mir war das recht, aber ich war auch jederzeit bereit eine neuerliche Tour mitzumachen. Vielleicht in ein paar Jahren, mit besserer Fotoausrüstung.





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