Sonntag, 26. April 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 26.Nusfjord – oder die Lofoten bei mehr als 31°C

Nusfjord – oder die Lofoten bei mehr als 31°C

War es gestern schon sehr heiß gewesen, so hatte es heute den Anschein, dass eine Steigerung möglich war.
Schon am frühen Morgen, auf dem Weg zurück nach Leknes, stieg das Thermometer rasch an. Erstes Ziel an der RV 818 war der kleine Ort Gravdal. Eigentlich kaum erwähnenswert, wenn nicht gerade dort eine wunderschön restaurierte Drachenkirche stehen würde. Einer der wohl schönsten Kirchen dieser Art, im außerordentlich gutem Zustand, mit frischer roter und weißer Farbe getüncht. Leider ist diese Kirche ein kompletter Neubau. Mehrere Feuersbrünste hatten die alten Kirchen immer wieder in Schutt und Asche gelegt. Der Blick in das Gebäude blieb jedoch verwährt. Ein deutsches Ehepaar, das zur gleichen Zeit dort war, erwähnte, dass dieser Zustand schon seit drei Jahren währte. Sie waren zum dritten Mal dort und immer war die Kirche verschlossen und auch niemand anwesend, der sie hätte öffnen können. Schade!

Ausblick auf Leknes

Ballstad hätte ich mir anschließend sparen können. Dieses Dorf war doch irgendwie nichtssagend. Kaum eine halbe Stunde nach Ankunft setzte ich meine Reise fort. Gleichzeitig war damit Vestvagøya, abgehakt. Einzig eine Wanderung vor dem Nappstraumen Tunnel sollte noch sehr reizvoll sein. Trotz der Hitze beschloss ich, mir diesen Weg einmal anzusehen. Doch daraus wurde dann nichts. Der Parkplatz war mit Baustellenfahrzeugen zugestellt und gesehen hatte ich den Platz auch viel zu spät. Er liegt hinter einer Kurve und gleich darauf ging es schon in den Tunnel hinein. Am Ende des Tunnels musste dann bezahlt werden womit sich eine Rückfahrt erübrigte.


Die Drachenkirche von Gravdal

Nusfjord stand als nächstes an während die Temperatur unaufhaltsam die dreißig Grad Marke überschritt. Das Fischerdorf liegt am äußersten Südostzipfel der Insel Flakstadøya. Schon die Anfahrt war beeindruckend. Die Straße wand sich durch tiefe Bergschluchten. Der Versuch hier Bilder zu machen scheiterte an der bedrohlichen Enge und der dadurch extrem hoch wirkenden Berge. Man bekam die Schluchten einfach nicht gebührend aufs Bild. Ebenso verhinderten sie den freien Zugang der Sonnenstrahlen in die Schlucht, so dass es angenehm kühl war. Das Dorf selbst steht am äußersten Zipfel, dort wo die Berge enden und sich das Meer auftut. Bunte Tupfer am Fuß der grauen Riesen.


Fischgestelle mit Dorschköpfen (Überbleibsel des Stockfischs)

Im Ort selbst herrschten chaotische Verhältnisse. Touristenbusse, Wohnmobile und natürlich die PKW – Fahrer zwängten sich durch die engen Gassen und suchten nach einem Parkplatz. Zu dem war die Hitze hier wieder deutlich zu spüren, was den Aufenthalt noch ein wenig unangenehmer machte. Den schönsten Anblick bot das Dorf von einer Anhöhe, so wie man es von zahlreichen Postkarten kennt. Von dort konnte man es gut überschauen und ließ einen erahnen warum es auf der UNESCO Liste für das Weltkulturerbe steht.

Nusfjord - aus der Ferne wunderschön

In den Gassen verlor sich der Eindruck schnell wieder. Der Touristenrummel und noch mehr die Abzocker am Fischereihafen taten ihr übriges. So nannte sich ein eilig aufgebauter Ausschank „Restaurant“, und verlangte für einen fingerhutgroßen Pappbecher Kaffee beinahe drei Euro. Wer es zahlte dem war nicht zu helfen! Ich fand wenige Meter weiter unterhalb einer Silberschmiede, deren Inhaber wohl nur angekaufte Ware verkaufen wollte und ansonsten lieber sein Bier genoss, ein kleines Café. Hier war der Kaffee nur halb so teuer und wurde trotzdem in einer Porzellantasse serviert.
Nach zwei Stunden war mein Bedarf für den heutigen Tag gedeckt. Zurück über die eng gewundene Straße und dann über die E 10 nach Ramberg. Es war früher Nachmittag, dennoch wollte ich den Tag beenden und noch etwas von der Sonne genießen.


Bunte Häuser am Fuß der Berge

Der kleine Ort Flakstad lag noch vor meinem Ziel und die kleine Kirche lud zu einem Foto ein. Geöffnet war das Haus nur bis fünfzehn Uhr, also wieder kein Blick ins Innere, ich war um zehn Minuten zu spät. Dafür traf ich auf zwei sehr gesellige Nebelkrähen.
Ramberg war nur noch wenige Kilometer entfernt, aber was ich dann vor mir sah, ließ mich den Atem anhalten. Ein kleiner Campingplatz mit riesigem weißem Sandstrand, wie eine Lagune. - Eigentlich war Ramberg ja für einen solchen Strand bekannt. – Also warum in die Ferne schweifen, wenn das Glück so nah, dachte ich mir und beendete gleich hier meine Fahrt.


Kirche von Flakstad

Das Zelt war schnell aufgebaut und die vielen Menschen im Wasser verleiteten mich dazu ebenfalls den Gang ins Wasser zu wagen. Der Sand, auf dem Weg zum kühlen Nass, war weiß und fein, wie der einer Eieruhr. Das Wasser jedoch war so kalt wie der Nordpol! Innerhalb von Sekunden spürte ich nichts mehr und dabei reichte mir das Wasser gerade mal bis an die Knie. Nein, das war selbst für mich zu kalt. Ich sicherte einige Beweise in Form von Fotos für meine Worte und machte es mir anschließend im Liegestuhl bequem, mit direktem Blick auf diese wunderschöne Lagune.


Lagune auf den Lofoten (Flakstad)

Hinter mir verläuft die Straße in einem weiten Kreisbogen und im gleichen Radius dahinter steht der Stortinden. Die Lagune ist zu etwa dreiviertel von den Bergen umrahmt. Die Berge selbst wirkten bedrohlich, rau, zerklüftet und zerfurcht von der letzten Eiszeit und dem Wind der Jahrtausende. Totes Gestein das nur dann lebte wenn sich Felsbrocken lösten und donnernd ins Tal rauschten.
Am Ende des Strandes lag das silbrig und golden schimmernde Meer. Es scheint reich an Leben und auch großzügig mit dieser Gabe umzugehen, denn inzwischen wehte mir von allen Seiten gegrillter Fischgeruch entgegen.


Die Mitternachtssonne im Dunst

Am frühen Abend bezahlte ich den Stellplatz und brachte in Erfahrung welcher Vogel mich vor wenigen Tagen in Alta so vehement attackiert hatte. Ein sehr wehrhafter Vogel vor dem selbst Raubmöwen Respekt zeigten, wie mir der Platzwart versicherte. Und wo man gerade schon mal im Gespräch war, erfuhr ich, dass er beinahe dreißig Jahre in Bad Piemont gelebt hatte. So wunderte ich mich nicht länger darüber, dass auch hier Deutsch gesprochen wurde.






Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 25. Bei den Wikingern in Borge

Bei den Wikingern in Borge (Lofoten)

Inzwischen war ich auf Vestvågøya, der zweiten der vier Lofoteninseln. Erstes Ziel sollte Eggum am nordwestlichen Ende der Insel sein. Dort steht die Nordlandskulptur „Der Kopf“. Über das gesamte Nordland sind von 15 verschiedenen Künstlern 33 Plastiken aufgestellt worden.
Hier hatte ich dann gleich die erste Gelegenheit für einen Spaziergang, denn die Skulptur steht mitten auf einer Schafsweide und ist nur zu Fuß zu erreichen.

Nordlandskulptur "Der Kopf" bei Eggum (Lofoten)

Eine interessante Skulptur, die je nach Betrachtungswinkel den Kopf auch schon mal auf den Kopf stellt. Fraglich nur, ob die Skulptur auch in hundert Jahren noch vorhanden ist. Wind, Wetter und der Salzgehalt wird für einen raschen Verfall der Eisenskulptur sorgen.


Mal oben, mal unten. Es kommt auf den Betrachtungswinkel an

Am späten Morgen hatte ich mein zweites Ziel für diesen Tag erreicht, Borge. Sehenswert dort auf jeden Fall die neue Kirche von 1987. Sie thront auf dem traditionellen Kirchenhügel, wo die letzte 1983 nieder brannte. Besondere Aufmerksamkeit sollte man der, aus Holz gefertigten Orgel schenken.

Vor der Kirche in Borge ist der beste Ausblick auf die Umgebung

Die zweite Sehenswürdigkeit in den 800 Seelen Ort ist das Lofotr Museum. 1981 wurden durch Zufall Funde aus der Wikingerzeit gemacht. Zwei Jahre später begannen die offiziellen Ausgrabungen. Dabei stieß man auf das über achtzig Meter lange Königshaus. Später folgten weitere nennenswerte Funde, wie die Überreste eines Wikingerschiffes am Ufer des Indrepollen. 1992 entstanden ein Nachbau des Schiffes und 1995 schließlich das Museumsgebäude, welches die gleichen Abmessungen wie das Königshaus aufweist.
Mit den Museen hatte ich in Norwegen schon so meine Erfahrungen gesammelt. Hier waren die Zweifel nicht angebracht und ich wurde mal wieder angenehm überrascht.

Hoch über dem Ort thront die neue Kirche

Museum heißt eben nicht nur Glasvitrinen in denen irgendwelche Überreste aus grauer Vorzeit akribisch hinterlegt werden. Das Ganze dann noch mit einem ellenlangen Text versehen. Die Vitrinen gab es hier zwar auch, mit Stofffetzen und Überresten eines Schwertes und sonstigen Relikten. Dieses Museum musste man sich aber auch erlaufen, in den Außenanlagen.


Im Freilichtmuseum "Lofotr" Der Thron des Wikingeroberhauptes

Genau gegenüber dem heutigen Gebäude, in dem auch Vorführungen in alter Handwerkskunst gegeben wurden, befinden sich Überreste von Torfwänden, Löcher in denen die Stützpfeiler gestanden haben usw. Die Rekonstruktion des heutigen Museums bezieht sich aber nur auf die Größe. Wie der Bau wirklich einmal ausgesehen hatte weiß niemand. Trotzdem war ein imposantes und eindrucksvolles Gebäude entstanden, das man sich durchaus als Königshaus von vor über tausend Jahren vorstellen konnte. Die Materialien der Wände bestehen auch heute wieder aus Torf, an den Dachfirsten und über dem Eingang sind die Drachenköpfe zu sehen und wenn man nicht ganz fantasielos war, erkannte man in der Dachform ein, auf den Kopf gestelltes Wikingerschiff. Die Architektur passte auf jeden Fall in die Landschaft. Was man von der, eingangs beschriebenen, großen Kirche nicht unbedingt sagen konnte. Sie wirkte für die Gegend einfach viel zu groß für den kleinen Ort und die moderne Architektur wie ein Fremdkörper.

Die Pfähle markieren den einstigen Königssitz

Zurück zum Museum. Neben den bereits erwähnten Vitrinen gibt es auch Nachbauten von Möbeln und Werkzeugen. Weiter gibt es Vorführungen wie mit diesen alten Werkzeugen gearbeitet wurde. So wurden Korbflechtarbeiten und die Arbeit am Webstuhl gezeigt. Es gab offene Feuerstellen im Haus auf denen auch gekocht wurde. Überhaupt war im und um das Museum herum ein regelrechtes Hofleben. Dazu gehörten auch Schafe, Schweine, Kühe und Pferde, die überall auf dem Gelände gehalten wurden. Das alles wirkte sehr interessant und Langeweile wollte gar nicht erst aufkommen. Erst recht nicht wenn man sich in den Außenanlagen umsieht.

Ob das Königshaus wirklich so ausgesehen hat bleibt auf ewig ein Geheimnis

Ein angelegter Weg führt an eine weitere Ausgrabungsstelle vorbei und man konnte den Archäologen direkt auf die Finger sehen. Vorbei an der bereits erwähnten Kirche führt der Weg hinunter zum See „Indrepollen“. Alte Grabhügel und die Überreste einer alten Schmiede säumen diesen Weg. Am See liegt die Rekonstruktion eines Wikingerschiffes von immerhin dreiundzwanzig Meter Länge. Um das Boot im Winter zu schützen hat man ein eiszeitliches Bootshaus aus dem Rogaland (Südnorwegen) hierher geschafft.


Blick auf den Indrepollen, wie vor 800 Jahren mit Wikingerschiff

Einmal am Tag wird eine Rundfahrt mit dem Wikingerschiff veranstaltet, vorausgesetzt es finden sich genügend Freiwillige, die mit eigener Muskelkraft die Riemen ziehen.
Mein Rückweg führte am Nachbau einer alten Schmiede vorbei. Der Schmied war aber nicht gerade mit Freude bei der Arbeit. Eigentlich war er überhaupt nicht am Arbeiten, die Feuerstelle war noch kalt. Auch schien er über meinen Besuch nicht sonderlich erfreut. Als ich meinen Kopf durch die Tür steckte schaute er mich nur grimmig an.


Die Besatzung (Besucher) verweigern den Dienst

Am Ende des Weges, er endet wieder bei der Kirche, liegt noch das Gebäude eines kleinen Wirtschaftsmuseums mit Gerätschaften aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Und daneben die alten Kirchengebäude (ohne Kirche), in denen man heute die Verwaltung des Museums untergebracht hat.
Nach gut drei Stunden, bei praller Sonne, beendete ich diesen Besuch. Das Thermometer war bereits auf über siebenundzwanzig Grad angestiegen.

Das Museumsgebäude, so könnte der Königssitz ausgesehen haben

Nächste Station war Leknes. Proviant auffüllen und weiter, denn mehr bot der Ort nicht. Über dir RV 815 und 817 fuhr ich nach Stamsund, eines von vielen Fischerdörfern die noch folgen sollten. Es war reizvoll anzusehen und gut für einen Spaziergang. Besonders die roten Robuer (ehemalige Fischerhütten) hatten ihren Reiz. Und für diejenigen, die sich für Kriegsmaterial interessieren, denen sei das kleine Kriegsmuseum nahe gelegt.

Stamsund, links das Kriegsmuseum

Schon neigte sich auch dieser Tag dem Ende entgegen. Es wurde verdammt warm und so beschloss ich dann gleich in dem Ort zu bleiben. Etwas außerhalb fand ich ein stilles Plätzchen, an dem ich mein Zelt aufschlagen konnte. Einen Campingplatz gibt es in Stamsund nicht, aber wie überall in Norwegen gilt das „Jedermanns Recht“. Es erlaubt das Wildcampen unter Einhaltung einiger Regeln. Die wichtigsten davon sind: Der Natur keinen Schaden zufügen, den Platz sauber wieder zu verlassen und die Privatsphäre der Bewohner zu respektieren, also einen gebührenden Abstand zum nächsten Wohnhaus einzuhalten.

Hafenidylle in Stamsund











Freitag, 10. April 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 24. Henningsvær und Gimsøy

Henningsvær und Gimsøy

Die grauen Wolken in meinem Kopf waren verflogen, meine Sinne wieder frei für dieses wunderschöne Land.
Die Wolken am Himmel konnten sich jedoch nicht entscheiden. Mal schafswollfarben, mal schneeweiß und dann wieder schiefergrau. Sie wechselten ihre Farbe wie ein Chamäleon und zauberten abstrakte Bilder auf blauem Grund.
Immerhin behielten sie ihre unheilvolle Fracht bei sich, so konnte ich mein Frühstück im Freien genießen. Ganz ohne Eile und Hektik.Gegen zehn Uhr war ich eigentlich abfahrbereit, stattdessen plauderte ich noch anderthalb Stunden mit Leuten aus Wesel, Stuttgart und Österreich. Gedankenaustausch. Wertvolle Tipps wechselten den Besitzer. Dann hieß es aber doch los, schließlich hatte ich ein voll gepacktes Programm.

Blick auf Henningvær

Erstes Ziel war Henningsvær (RV 816), ein kleines Fischerdorf am Südzipfel der Insel Austvagøya.
Die schmale Straße schlängelt sich zur Linken am Ufer entlang während sich rechts die Berge erheben. Zwei kühn geschwungene, aber sehr schmale Brücken verbinden die Schäreninseln miteinander auf denen der kleine Ort liegt.
Die viel beschriebene Verträumtheit des Dorfes stand im krassen Widerspruch zur Geschäftigkeit. Ebenso der große Parkplatz für Touristen. Hier auf den engen Inseln und den noch engeren Orten fiel der Tourismus stärker auf, als anderswo in Norwegen. Dennoch nahm ich nicht gleich reiß aus und schlenderte durch das Dorf. Die kleinen Häuser wirkten weitgehend gepflegt, und hier und da wurde auch an ihrem Erhalt gearbeitet.



Hafenidylle

Ein Fischerboot lag auf Trockendock und zwei Arbeiter waren damit beschäftigt einige Planken zu erneuern. Einige Schritte weiter begegnete mir der Glanz des Sommers in Form von schön restaurierten Oldtimern, die durch den Ort glitten.
Der Ort ist reizvoll und empfehlenswert. Und wer bisher noch keine Seevogelsafari gemacht hatte bekommt hier die Möglichkeit und das Ganze auch noch etwas preisgünstiger als in Svolvær. Ich hatte mein Erlebnis bereits auf Magerøy und wollte es auch dabei belassen.
Nach zwei Stunden setzte ich meine Fahrt fort. Die wenigen Kilometer zurück zur E 10 und dann weiter Richtung Gimsøy, meinem eigentlichen Tagesziel. Das Wetter war genau richtig für die geplante Radtour.

Fleißige Handwerker am Trockendock

Gleich hinter der Gimsøybrücke gibt es einen kleinen Parkplatz, wie ich es erhofft hatte. Rucksack und Getränke hatte ich bereits auf dem Campingplatz vorbereitet, so brauchte ich nur noch das Fahrrad auszupacken und losfahren.
Inzwischen war die Bewölkung weiter aufgerissen, weitgehend blauer Himmel zeigte sich und die Sonne erwärmte die Luft durchaus angenehm. Lediglich der Wind, direkt vom Meer kommend, war frisch.
Die kleine schmale Straße führte fast immer direkt am Ufer des Gimsøystraumen entlang. Auf Steigungen verzichtete die Wegführung beinahe ganz, so dass sich ein sehr gemütliches Fahren einstellte, sehr empfehlenswert für Familien mit Kindern.

Offene Oldtimer englischer Bauart, so schmeckt der Sommer auf den Lofoten

Der Wind atmete einen leicht salzigen und nach Fisch riechenden aber nicht unangenehmen Geruch aus. Am Fuß des Berges wurden Wiesen gemäht und der Duft von Wiesenkräutern und frischem Gras vermischte sich mit der Brise des Meeres zu einem eigenen, neuen Duft, der die Geschmacksnerven anregte und Appetit auf Fisch aufkommen ließ. Doch soweit war es noch nicht, stand ich doch gerade am Anfang meiner Tour. Ich radelte gemütlich die schmale Straße entlang, begleitet vom allgegenwärtigen Schreien der Möwen. Sie schimpften und warnten, fürchteten wohl um ihre Brut, flogen auch schon mal drohende Manöver und gaben sich erst zufrieden wenn ich wieder außer Reichweite war.
Schon hatte ich die kleine Kirche von Gimsøy, die etwas abseits der Straße liegt, erreicht. Unterwegs grüßten die Menschen freundlich aus ihren Vorgärten, die allesamt bunte Flecken in der Umgebung darstellten. Bei so einer Radtour ist man nicht nur der Natur näher, sondern auch den Menschen, die dort wohnen.

Kleine Häuser vor gewaltiger Kulisse

Eine Sehenswürdigkeit, ein Bautastein bei Vinje blieb im Verborgenen. Es gab keinen Hinweis, oder aber er liegt etwas Abseits der Straße.
Dafür begleiteten mich kleine Singvögel, die dabei wilde Kapriolen flogen ehe sie im Grün der Wiesen zurück blieben.
Etwas weiter hockte eine Art Schlammtaucher seelenruhig auf einen Zaunpfahl und ließ sich überhaupt nicht stören.
Der Geruch der Landschaft wechselte. Seeluft vermischte sich mit dem von Kühen, die im oft meterhohen Gras kaum auszumachen waren. An anderer Stelle stolperte man dann beinahe schon über sie. So traf ich wenig später auf eine Gruppe von Jungbullen, die gelangweilt am Straßenrand herumlungerten. Ihrer Kraft wohl noch nicht voll bewusst schauten sie mir friedlich hinterher. Erst als ich anhielt um ein Bild von der Gruppe zu machen bewegte sich einer von ihnen langsam auf mich zu. Doch wohl eher aus purer Neugier, als in irgendeiner Absicht.

Blick auf den Gimsøysund

All die kleinen, verstreut stehenden Häuser mit ihren bunten und gepflegten Vorgärten, und den Hunden oder Katzen die friedlich in der Sonne dösten, dazu die Ruhe die von Vogelstimmen begleitet wurde, all das würde ich mit dem Ausdruck „verträumt“ beschreiben.
Selbst der Golfplatz bei Saupstad, direkt am Ufer des Meeres, mit penibel geschnittenen Rasenflächen fügte sich nahtlos in dieses Bild ein.
Wenig später hatte ich die Spitze der Insel erreicht, die Hälfte der Strecke lag hinter mir. Gleich hinter der Ansiedlung Hov wechselte dann auch der Fahrbahnbelag. Der Asphalt blieb zurück und eine festgefahrene Lehm- und Schotterpiste knirschte unter meinen Fahrradreifen. Mit der asphaltierten Straße endete auch bald die Zivilisation. Vik war der letzte nennenswerte Ort, danach gab es nur noch Sumpf und Moorlandschaft welche als Naturreservat ausgewiesen ist. Seltene Vögel, Insekten und Pflanzen sollen hier vorkommen, gesehen habe ich leider nichts davon. Auch weil das Betreten dieser Flächen zum Teil lebensgefährlich ist.


Friedliche Wegelagerer auf der Halbinsel Gimsøy

Einzig eine sehr große Libelle, etwas zehn Zentimeter, kreuzte meinen Weg und andere, als gewöhnlich zu hörende Vogelstimmen, erfüllten die Luft.
Einen kurzen Moment lang begleitete mich dann wieder der Hauch von Einsamkeit. Gezeichnet von Sumpf und Moor auf der einen, nur durch den befestigten Weg getrennt, und auf der anderen Seite die bizarr und schroff gezeichneten Berge.
Weggefegt wurde dieses Bild von drei kurz hintereinander rasenden Autos, dessen Fahrer das Wort Rücksicht in diesem Moment wohl unbekannt war. Die riesige Staubwolke hüllte mich ein und nagte an der friedlichen Stimmung, die mich bisher begleitet hatte.
Das es auch anders geht zeigte kurz darauf ein Geländewagenfahrer, in dem er seine Geschwindigkeit verringerte und auch noch freundlich grüßte.


Gepflegte Vorgärten

Nach gut drei Stunden und fünfunddreißig Kilometer war die Tour beendet. Das letzte Stück führte über die E 10 zurück zum Parkplatz.
Was mir jetzt noch fehlte war ein gutes Essen. Ich befürchtete schon in dieser Hinsicht enttäuscht zu werden. Aber immer wenn dieses Gefühl auftauchte passierte das Gegenteil.
Nur wenige Kilometer weiter, in Alstad, bot sich eine entsprechende Gelegenheit. Ich betrat das kleine Restaurant und bestellte ein Essen für das mich alle Tierschützer verfluchen und mit dem Finger auf mich zeigen werden.


Kleine Kirche von Gimsøy

Zum ersten Mal hatte ich Walfleisch gegessen! – Es ist allgemein bekannt, dass die Norweger sich noch immer über alle Vereinbarungen hinweg setzen und Wale auch weiterhin jagen. Aber im Gegensatz zu den Japanern, die alles abschießen was ihnen vor die Harpune kommt und ihr Tun mit der Wissenschaft und Erforschung rechtfertigen, jagen die Norweger ausschließlich Finnwale deren Bestand, selbst nach Auskunft der WWF – Mitarbeiter, nicht gefährdet ist.


Moorlandschaft hinter Vik

Auch werden die Tiere nicht auf Teufel komm raus gejagt. Es gibt festgeschriebene Quoten, die von der Regierung bestimmt werden. Weiter stellen die Norweger keine Forschungsprojekte in den Vordergrund, so dass man Walfleisch beinahe überall zu annehmbaren Preisen kaufen kann. Nun kann man darüber denken wie man will, wenn es schon angeboten wird, dann wollte ich es auch probieren. Ich muss sagen, ich war in vielerlei Hinsicht überrascht. Als erstes muss man sich von den Gedanken „Fisch“ lösen. Der Wal ist unter biologischen Gesichtspunkten eben kein Fisch und so schmeckt er auch nicht danach. Das Fleisch ist von dunkler Farbe und erinnert an Rinderbraten. Der Geschmack ist leicht herb, etwa wie Wild, aber angenehm und sehr zart. Auch fehlte der, vielfach vermutete, tranige Geschmack. Gereicht wurde das Fleisch mit Preiselbeeren, einer passenden Soße, Kartoffeln, sowie frischen Möhren und Erbsenpüree. Alles zusammen hatte sehr gut geschmeckt und wenn sich weitere Gelegenheiten zu Walfleisch bieten würden, ich würde sie erneut nutzen!

Abendstimmung in Alstad

Ich bin denn auch gleich hier geblieben weil sich hier ein sehr ansehnlicher Campingplatz anschließt. Nur eine Gruppe französischer Jugendlicher benahm sich etwas daneben, vermutlich mussten sie ihre überschüssigen Energien abbauen.
Alles in allem hielt es sich in Grenzen, es sind halt Jugendliche. Zwar schon auf der Stufe zum Erwachsenwerden, aber eben auch noch Kindsköpfe.









Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 23. Von Slø nach Svolvær (Lofoten)

Von Slø nach Svolvær (Lofoten)

Wenn die Wetterbeständigkeit doch so groß wäre wie meine Zuversicht und mein Glaube, dass es besser wird und bleibt.
In Sortland habe ich erst einmal meinen Wagen vom Schlamm der letzten Tage befreit und mir danach die Stadt angesehen. Sie sollte einmal den Beinamen, „die blaue Stadt“, bekommen. Um dem Namen gerecht zu werden wurden alle Gebäude blau angestrichen. Der Plan schien nicht aufgegangen zu sein. Im Geschäftsviertel gibt es wohl einige Gebäude die im Blau erstrahlten, viele Häuser aber tragen auch weiterhin weiß, rot, gelb oder grün in ihrem Gesicht. So ist Sortland nichts anderes als ein Ort unter vielen in Norwegen und doch mit eigenem Charakter.

Blick auf die Sortlandbrücke

Die Kirche erhebt groß und ansehnlich auf einen kleinen Hügel ohne wirklich besonders herauszuragen. Das Leben geht auch hier seinen gewohnten Gang. Geschäftige Menschen in den Einkaufsstraßen und unten am kleinen Hafen. So sollte das interessanteste Bild von Sortland der Parkplatz vor dem Supermarkt werden, weil sich genau dort ein fantastisches Wolkenspiel zeigte. Eine riesige Wolkenformation, durch starke Luftströme so zerfasert, dass sie wie riesige weiße Flammen aussehen, stand genau über dem Einkaufszentrum.


Sortlandkirche

Storkmarket (E 10) war mein nächstes Ziel. Man erreicht den kleinen Ort über zwei Brücken, wobei die große Brücke mitten über dem Langøysund einen kühnen Schwung nach rechts macht. Von der kleineren Brücke hatte man wiederum einen schönen Ausblick auf den Ort und dem kleinen Hafen. Dort steht auch die alte Finnmarken, ein Schiff der Hurtigrute. Sie diente neben einem modernen Gebäudekomplex als gleichnamiges Museum.
Das Schiff zu besichtigen reizte mich und so beschloss ich einen Besuch im Museum. Leider befand sich das Schiff gerade in Restauration und war geschlossen, blieb also nur der restliche Teil des Museums. Ich hätte mir das Geld sparen können! Einige nachgestellte Schiffsszenen, diverses Schiffszubehör und einige Modelle der alten und neuen Generation von Hurtigruten Schiffen konnten mich nicht sonderlich begeistern. – Aber die alte Finnmarken wird ja nicht ständig restauriert, so dass sich ein Besuch dann auch wieder lohnt.

Wolkenzauber über Sortland

Ich hatte Zeit und so wählte ich den längeren Weg zum Fährhafen nach Melbu. Ich verließ die E 10 in Storkmarket und folgte der schmalen Straße rechts um die gesamte Insel Hadseløya. An der Südwestküste versprach die Straßenkarte interessante Aussichten auf mein nächstes Ziel, die Lofoten. Der zugezogene Himmel ließ diese Aussichten ein wenig trüb erscheinen. Für zwei Bilder sollte es dennoch reichen. Dabei stieß ich auf zwei Chow Chows. Erinnerungen an meinen Chow Chow Nicki drangen an die Oberfläche meines Bewusstseins. Wunderschöne und vor allem sehr wachsame Tiere. Beide lagen unter einem Wohnmobil französischer Reisender im Schatten. Und vor allem der Größere gab klar zu verstehen wie nah er mich am Gut seines Herrchens dulden wollte.
Wenig später erreichte ich den Fährhafen in Melbu. Die große Anzahl der bereits wartenden Fahrzeuge weckte schon wieder einige Befürchtungen in mir. Als die Fähre dann aber wenig später einlief waren sie gleich wieder weggewischt, sie war verdammt groß.

Die Finnmarken I in Stokmarknes

Die Überfahrt war kurz und ohne Belang. Nach zwanzig Minuten setzte ich meinen Fuß auf die Lofoten. Vier Inseln, wie an einer Perlenkette aufgereiht, gehören dazu. Die nördlichste ist Austvagøya. Auch hier wollte ich eigentlich an der Westküste entlang fahren wovon man mir letztendlich abgeraten hatte. Die Straße sollte denkbar schlecht und die Aussicht wenig reizvoll sein. – Nur einen Tag später erfuhr ich, dass an jenem Küstenstreifen ein gestrandeter Wal gefunden worden war. - Normalerweise lasse ich mich nicht von meinen Plänen abhalten, aber meine Kopfschmerzen wollten da ein Wörtchen mitreden.
Über die E 10 erreichte ich also den ersten und zugleich größten Ort auf den Lofoten, Svolvær. Auf der dreißig Kilometer langen Strecke konnte ich erste Eindrücke sammeln. Hier wirkte die Berglandschaft noch wilder und schroffer als etwa auf den Vesterålen, Manche Berge sahen aus, als hätte ein riesiges Urzeittier seine gewaltigen Krallen daran gewetzt, so zerfurcht waren ihre Flanken.
Überhaupt schien die Inselgruppe nur aus Bergen und Fjorden zu bestehen, aber gerade das machte ihren Reiz aus. Vor allem wenn man sah, wie sich die kleinen Dörfer im Schatten der Giganten duckten. Vom weiten sahen sie oft wie bunte Farbtupfer auf schiefergrauem Grund aus.

Heute Bestandteil des Hurtigruten Museums

In Svolvær selbst ging es zu wie in einer Großstadt. Kein Wunder, von Norden führt die E10 direkt in die Stadt und eine Fährverbindung vom Festland endet ebenfalls hier. So standen die Parkplätze voll mit Wohnmobilen und eine wahre Menschenflut schob sich durch die engen Straßen. Der Ort liegt auf mehrere kleine Inselchen verteilt, die mit Brücken verbunden sind. Die große Kirche aus Stein wirkt nicht sonderlich attraktiv.
Nordwestlich der Stadt liegt der „Jomfrutindan“ (Berg) mit seiner besonderen Felsformation, der „Svolværgeita“. Zwei Felsnadeln, die entfernt an das Gehörn einer Ziege erinnern, sind als Wahrzeichen der Stadt bekannt.
Der Rummel kam mir ein wenig nervig vor, besonders auf dem Marktplatz am Hafen. Hier war der Tourismus unverkennbar und schien sich bis Südamerika herum gesprochen zu haben. Nicht nur, dass auf dem Markt alles erdenkliche an Kitsch verkauft wurde. Das Angebot reichte von nachgemachten Samipuppen bis hin zu Plastikelchen und überteuerten Rentierfellen. Nein, es gab auch einige Indios, welche Andenmusik von einem Kassettenrekorder abspielten während andere das Gedudel mit der Panflöte mehr schlecht als recht nachspielten. Das kann ich zu Hause auch haben und vor allem oft besser. Der Markt hatte keine andere Funktion als die ankommenden Touristen abzuzocken, genug davon gab es, wie man immer wieder sehen konnte. So verließ ich Svolvær schneller als ursprünglich gedacht.

Erste Eindrücke auf den Lofoten, hier Vestpollen

Fünf Kilometer weiter liegt der kleine Ort Kabelvåg. Interessant, auch wegen ihrer Größe, die „Vøgankirke“ oder auch als Lofotkathedrale bekannt. Dieses Gebäude wollte ich mir dann auch von innen ansehen. Ein Pappschild verwies darauf, dass die Besichtigung zu entlohnen war. Umgerechnet zwei Euro. Nicht zuviel, obgleich ich immer noch der Meinung bin, Gotteshäuser sollten unentgeltlich zu besichtigen sein. Nun wird auch hier, wie vielerorts, das Geld für die Erhaltung der Gebäude verwendet, was den Eintritt akzeptabel macht.
Nicht verstehen konnte ich hingegen das Verhalten eines Kirchenbediensteten, der mit etwas Essbarem in der Hand auf mich zukam und mit einer Handbewegung zu verstehen gab, dass er jetzt keinen Besuch duldete, und dass obwohl das Schild auf durchgängige Öffnungszeiten verwies.

Hafenbereich in Svolvær

Auf dem Weg zu meinem Auto durfte ich dann miterleben wie so eine pauschale Norwegen Rundreise vonstatten geht. Um es kurz zu machen verwende ich den Telegrammstil:
Reisebus hält an, Türen auf, 50 Touristen mit Fotoapparaten raus aus dem Bus, Fotos gemacht, wieder rein in den Bus.
Und das Ganze hat nicht einmal fünf Minuten gedauert!
Letzter Punkt vor dem Campingplatz sollte dann noch das Lofotaquarium mit Seehundbecken sein. Danach war mein Bedarf an Abzocke endgültig gedeckt! 10 € Eintritt für ein paar Aquarien und einem Seehundbecken, etwas größer als eine Badewanne, waren schlichtweg unverschämt.
Mag sein, dass ich etwas empfindlicher reagierte als sonst. Meine Kopfschmerzen waren heftiger geworden, aus diesem Grund beendete ich den Reisetag bereits am frühen Nachmittag. Zum Schluss gab es dann doch noch etwas Versöhnliches. Die Platzgebühren bei Ørsnes, unweit von Kabelvåg, waren sehr niedrig. Günstiger war bisher kein anderer Platz mit diesem Niveau. Ich hatte ein schönes Plätzchen gefunden und nachdem es mal kurz geregnet hatte begann sich das Wetter wieder völlig umzukehren.


Der Jumfrutindan mit der Svolværgeita

Zwei Stunden zuvor war noch alles Wolken verhangen, nun zeigte sich im weiten Rund ein strahlendes Blau.
Während ich mich mit einem Paar unterhielt, dass ich vor ein paar Tagen bereits am Langfjord getroffen hatte, vernahm ich immer wieder ein heiseres Kläffen, doch ein Hund war nirgendwo auszumachen. Es dauerte eine ganze Weile bis ich dahinter kam wer da bellte. In dreißig Meter Entfernung hockte eine Dreizehenmöwe auf einem Dachsims. Immer wenn der Hofhund bellte, gab sie Antwort! Sie imitierte das Kläffen der Hunde wie ein Papagei. Es klang schon etwas anders, aber dennoch brauchte man nicht viel Fantasie um ein Hundekläffen herauszuhören. Schon verrückt, die Tierwelt.
Den Rest des Tages verbrachte ich faul im Liegestuhl und genoss den sonnigen Abend.

Die Lofot- Kathedrale bei Kabelvåg








Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 22. Langøya - Gestorbene Träume

Langøya - Gestorbene Träume

In der Nacht hatte es wieder anhaltend geregnet, doch am Morgen zeigte sich erneut ein Hoffnungsschimmer
Beinahe die gesamte Westküste ist mit Schären durchzogen und die Berge auf dieser Seite wirkten ungastlich mit ihrem rauen und schroffen Kämmen.
Bei Risøyhamn wechselte ich wieder auf die RV 82. Die Straße führt zur Sortlandbrücke über den gleichnamigen Sund. In Sortland machte ich einige Besorgungen. Die Stadt selbst wollte ich mir am nächsten Tag ansehen. Mein Ziel lag noch einmal in nördlicher Richtung. Über RV 820 und RV 821 fuhr ich zunächst nach Myre. Es war Zeit für eine kleine Pause und etwas zu essen. Ich suchte nach einem geöffneten Kro, fand jedoch keinen. Also fuhr ich zur Kirche um zu beten. Nein, sie war mir nur von weiten bereits aufgefallen. Aus diesem Grund wollte ich sie mir näher ansehen.

Kirche von Myre (Langøya / Vesterålen)

Der Glockenturm und das Kirchenschiff zeigten sich jeweils in dreieckiger Form, wobei sie sich genau an den Spitzen des Dreiecks berührten. Der Turm selbst bestand nur aus zwei Wänden, die vordere Wand fehlte. Zwischen den beiden Schenkelwänden war das Glockenspiel angebracht. Grund genug für zwei Bilder und ein weiteres von der Marmor Statue. Ein Stein aus weißem Marmor, der andere aus schwarzem. Sie waren so geschnitten, dass die Lücke zwischen den Beiden ein Kreuz ergab. Die Statue im Vordergrund, die Landschaft mit Bergen, Wiesen und Häusern dahinter ergaben ein sehr schönes Motiv.


Landschaftsblick von der Kirche aus

Vor der Kirche gab es einige Bänke und warum sollte ich nicht vor der Kirche eine Kleinigkeit essen? – Gedacht, getan!
Gut gestärkt ging es anschließend weiter. doch wenn der Magen voll, dann ist der Kopf wohl leer, denn prompt habe ich mich ein wenig verfahren. Nach einer ungewollten Sightseeingtour durch die Wohnorte von Myre war ich nach zehn Minuten wieder auf den richtigen Weg. Urplötzlich endete die asphaltierte Straße hinter Høydal und ich fragte erst mal meine Straßenkarte ob ich denn noch richtig war. Ich war richtig. Und am Ende dieser Schotterpiste der schlimmsten Art lag das kleine Fischerdorf Nyksund. Mein Wagen sah anschließend aus, als hätte ich an der Tausend Seen Rallye in Finnland teilgenommen. Der Schlamm stand bis zur Dachkante!

Straße zum vergessenen Dorf Nyksund

Nyksund war lange Zeit ein verlassenes Fischerdorf und die Hauptschlagader, die dorthin führt, eine vergessene Straße. Seit wenigen Jahren wird das Fischerdorf nun langsam wieder neu belebt. Einige unverbesserliche Individualisten stecken all ihren Ehrgeiz in dieses Projekt. Im Augenblick wohnen Leben und Tod Tür an Tür. Auf der einen Seite stehen die ersten wunderschön restaurierten Hafenhäuser, die im frischen grün, gelb oder auch rot erstrahlen. Ihnen gegenüber, auf der anderen Seite des Kais, stehen andere Häuser kurz vor ihrer Neugeburt, während gleich daneben die sterblichen Überreste eines großes Hauses nur noch von morschen Balken vor dem endgültigen Einsturz bewahrt werden.

Gaststube im einzigen Hotel

Und manchmal macht der Tod eben auch nicht vor den Menschen Halt, die hier ihren Lebenstraum erfüllen wollten. Einen dieser Menschen wollte ich hier ursprünglich besuchen. Zwei „Rokis“ (Rommerskirchener) treffen sich am Ende der Welt in Nyksund.
Das Schicksal hatte es nicht gewollt, dass er seinen Traum zu Ende lebte. Im Dezember 2001 wurde er bei Arbeiten am Haus verschüttet und starb. Ich hatte diesen Menschen überhaupt nicht gekannt, nur durch Zufall von ihm erfahren und trotzdem hatte mich dieses Schicksal berührt.

Neue Farbe, neues Leben

Vielleicht auch deswegen, weil ich solche Leute insgeheim bewundere und es ihnen tief in meinem Innern gleichtun möchte. Einmal richtig unvernünftig sein, alles hinter mir lassen und ganz woanders neu anfangen. Doch bisher hat bei mir immer noch die Vernunft gesiegt.
In dem kleinen Hotel, das dieser Mensch hier aufgebaut hatte, nahm ich die Gelegenheit für ein gutes Mittagessen wahr. Frischen, gedünsteten Lachs mit den üblichen Beilagen.


Das einst ausgestorbene Fischerdorf erstahlt im neuen Glanz

Das Dorf ist allemal ein Besuch wert, die schön restaurierten Hafenhäuser und das wachsende Angebot an Aktivurlaub mit Seehundsafari, Besuchen von Vogelfelsen oder gar einer Walsafari mit einem Powerschlauchboot, werden in den nächsten Jahren für einen Besucherzuwachs sorgen.
Ich machte mich wieder über die verdreckte, poröse und schon beinahe abgestorbene Ader, die den Namen Straße nicht verdiente, auf den Rückweg. Vielleicht bekommt sie ja irgendwann einmal eine Frischzellenkur und beginnt erneut zu pulsieren um so neues Leben in das Fischerdorf der Individualisten zu pumpen.

An manchen Stellen lauern Verfall und Tod

Weiter ging es zur Ostseite der Insel erneut Richtung Norden, nach Slø. Ursprünglich stand dieser Punkt gar nicht auf meinem Reiseplan. Ein Ehepaar aus Freiburg, gab mir die Empfehlung, weil hier auch Seehunde zu sehen sein sollten.
Der kleine Ort wirkte denn auch etwas lebendiger als Nyksund auf der anderen Seite. Hier gab es noch einige Fischer, eine kleine Fischverarbeitung und die Möglichkeit zur Walsafari. Der Campingplatz selbst war ein kleines ruhiges Fleckchen am Nordzipfel der Insel mit Blick aufs Meer. Das, und das inzwischen wolkenfreie und sonnige Wetter verwandelten dieses stille Örtchen jedoch in einen wahren Pilgerplatz. Die Gläubigen kamen hierher um sich im Glanz der Mitternachtssonne zu weiden. Warme Decken, einen Picknickkorb mit heißen Kaffee oder auch schon mal was Alkoholisches hatten die Menschen mitgebracht und suchten sich ein schönes Plätzchen in der felsigen Landschaft. Immer mit Blick zur Sonne!

Seehund bei Slø (Vesterålen)

Da interessierte das einsame Seehundmännchen, nur wenige Meter auf einen Felsen hockend, überhaupt nicht. Nun, meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte es bekommen und Bilder machte ich von dem kapitalen Burschen auch.
Anschließend mischte ich mich unter die Pilger und bewunderte die Mitternachtssonne. Eigentlich ein kleines Wunder, wie schnell sich das Wetter so grundlegend geändert hatte. Das, was sich jetzt noch an Wolken zeigte, waren winzige weiße Farbtupfer am azurblauen bis hin zum goldfarbenen Himmel.

Blick auf den kleinen Ort

Ein Berg, der sich nur wenige Meter vor mir steil erhebt und auf dessen Rücken sich eine Wetterstation befindet, zog meine Blicke magisch an. Die Sonne strahlte ihn geradewegs an und das Gestein, von Moosflechten überzogen, schillerte in ihrem Licht. An manchen Stellen sah es aus, als wäre dieser Berg von Gold- und Silberadern durchzogen und die kleinen Grasflächen wirkten saftig und frisch. Die Schafe, die darauf weideten, wussten es genau.

und die Küstenlandschaft

Dies war ein wirklich gutes Plätzchen und ich traf auf viele nette Menschen. Neben mir stand ein älteres Paar aus Frankreich und trotz der sprachlichen Barrieren kamen kleine Gespräche zustande. Mit einem weiteren Paar aus dem Hunsrück hatte ich mich länger unterhalten und auch das Paar aus Bad Tölz, mit ihrem riesigen Wohnmobil, konnte man angenehm plaudern.
Inzwischen war es sehr kühl geworden trotz der rötlich Gold leuchtenden Sonne, doch mit einer warmen Jacke war das gut zu ertragen.


Doch erst im Glanz der Mitternachtssonne offenbart der Ort seine ganze Schönheit