Samstag, 20. März 2010

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 20. Teil 1 - Trödel und Ritterspiele

Trödel und Ritterspiele

Die Nacht war kalt gewesen, doch das Geräusch, das mich in den letzten Tagen begleitet hatte, war stumm geblieben. So konnte ich endlich wieder das tun, was ich schon seit Tagen vermisst hatte. Unter freiem Himmel frühstücken. Die Musik lieferten der plätschernde Fluss und die kleinen Vögel, die wenig scheu bis dicht an den Tisch kamen, um einige Brotkrumen zu ergattern.
Gut gestärkt machte ich mich auf den Weg nach Namsos. Überall waren die Spuren des Regens, in Form von über die Ufer getretene Flüsse oder überflutete Weiden und Felder zu sehen. Mancherorts sah es aus wie in den Reisanbaugebieten Asiens.

Stiklestad - kath. Kapelle


Die größte Gefahr lauerte jedoch dort, wo sich Felswände neben der Straße erhoben. Hier hatte das Wasser sein unsichtbares Werk verrichtet, sich in die Felsspalten gezwängt und das Gestein gelöst. Die frischen Narben in der Teerdecke erzählten davon. Von den Wasserfällen wurde eine schmutzig braune Brühe ins Tal befördert. Die sonst weißen Wasserschleier waren befleckt und nicht mehr schön anzusehen.


Freilichtmuseum mit Amphibientheater


In Namsos besuchte ich das Felsenschwimmbad „OASEN“, das hat bei mir schon fast Tradition. Zwei Stunden schwimmen, im Whirlpool entspannen und neues entdecken.
Hatte ich vor drei Jahren noch den jämmerlichen Zustand außen, wie innen beklagt, so wurde ich nun angenehm überrascht. Der schäbige graue Beton im Eingangsbereich hatte einen neuen Anstrich bekommen. Die größten Veränderungen gibt es jedoch im Innenbereich. Das Bad wirkt viel heller und dadurch auch freundlicher, dafür sorgt eine neue Beleuchtung. Die morschen Holzpaneele auf der linken Seite, im unteren Teil, sind durch helle Fliesen ersetzt worden. Nur der obere Teil ist noch mit Holz verkleidet, hier kommt ja auch kaum Wasser hin. Auch die alte Wasserrutsche wurde abgebaut und durch eine neue an anderer Stelle ersetzt. Sie befindet sich jetzt hinter dem Sprungturm und endet auch nicht mehr im Schwimmbecken. Dennoch findet sie großen Anklang bei den Kindern. Das alles hat seinen Preis werdet ihr sagen. Sicher, exakt der von vor drei Jahren. Erwachsene zahlen 60 NOK wobei der Eintritt für einen ganzen Tag gilt. Nach tausend Meter und zweimal Whirlpool reicht es für den Morgen.


Freilichtmuseum Stiklestad


Kurz vor dem Ort Asp lädt ein kleines Café zum Verweilen ein. Von Norden kommend liegt es direkt hinter dem Abzweig nach Malm auf der RV 17.
Das junge Mädchen hinter dem Tresen nahm meine Bestellung auf und war sichtlich erfreut, dass auch Touristen einkehrten und zu Mittag essen wollten. Die Zubereitung nahm etwas Zeit in Anspruch, aber dafür konnte man sicher sein etwas Frisches vorgesetzt zu bekommen. Das Mädchen stellte mir eine Karaffe Wasser auf den Tisch und versprach auch das Essen zu bringen. Und so blieb mir Zeit mich etwas umzusehen. Die Theke, wie auch die Kasse stammen aus den Fünfzigern. An den Wänden hängen alte Plakate aus derselben Zeit und auf verschiedenen Regalen, stehen alte Blechdosen, Milchkannen, Geschirr und sonstige Gegenstände. Das Interieur erweckt den Anschein sich in einem kleinen Museum oder einem Geschäft für antike Gegenstände zu befinden. Das ein oder andere kann man vielleicht als Nippes bezeichnen, vieles lässt Sammlerherzen aber auch höher schlagen. Und tatsächlich sind diese Dinge auch verkäuflich, wie ich wenig später feststellte.


Das Wappen von Stiklestad


Nach dem wirklich guten und reichlichem Essen bekam ich auch noch einen Kaffee mit dem schönsten Lächeln des Tages serviert.
Der einzige Wermutstropfen war die Musik, die im Hintergrund dudelte. Zuerst gab es die norwegische Version der Kastelruther Spatzen und danach jene von Truck Stop, was sich noch schlimmer anhörte. Es ist ja schön, dass Norweger Countrymusik mögen, aber sie sollten sie nicht auch noch selber singen!



Die Steinkirche


Auf den Weg nach Steinkjer sehe ich Landwirte, die ihr Hab und Gut betrachten. Auf Knien rutschten sie durch die Erdbeerfelder, fassen beinahe liebevoll zu und hegen die Hoffnung, dass noch nicht alles verloren ist. Dem scheint tatsächlich nicht so zu sein, denn wenig später mache ich die ersten Stände am Straßenrand aus.


Eingangsportal


In Steinkjer folgte ich der RV 759 nach Stiklestad. Berühmt wegen ihrer Ritterfestspiele zum Gedenken und zu Ehren von Olav Haraldsson, norwegischer König von 1015 bis 1030.Warum er als „Der Heilige“ bezeichnet wird ist nicht einmal der Infobroschüre zu entnehmen. Und nach allem was man so darüber weiß war er nicht bei allen im Volk beliebt. Mit zum Teil grausamen Methoden ist er nicht nur Feinden gegenüber getreten, auch seinem eigenen Volk um Steuern einzutreiben.

Altar mit Bildnis


Von nicht wenigen wurde er dafür gehasst. Und wie es das Schicksal wollte, beim Versuch sein Land zurück zu erobern wurde er von den eigenen Leuten nieder gemeuchelt. So starb der letzte der norwegischen Missionskönige des Christentums.
Die heutige Kirche steht an dem Platz, wo um 1100 bereits eine Holzkirche gestanden hatte. Der Altar befindet sich dort, wo der Sage nach der König schwer verletzt an der Wand lehnte und dem Tod entgegensah. Dabei, so die Erzählung, sah er eine Erscheinung mit einem Schwert und einer Lilie in den Händen. Dieses Bildnis ist heute über dem Altar zu finden.


Biblische Geschichte an den Seitenwänden


Der älteste Teil der Kirche stammt von 1722 und wurde von einer reichen Kaufmannsfamilie finanziert.
Die kleine Kapelle gegenüber der Stele und oberhalb des Festspielplatzes wurde 1930 zu den 900 Jahrfeiern errichtet. Es hatte schon länger der Wunsch nach einem katholischen Gotteshaus bestanden.

Altar im Vorraum

Das Amphibien- Theater fast 10.000 Menschen, wovon 5.400 einen Sitzplatz finden. Das alljährliche Spektakel findet am 29.Juli (Olavsdag) statt und lockt viele tausend Menschen in die kleine Stadt.
Wenig später bin ich wieder auf der E 6, die ihr Gesicht in den letzten Jahren deutlich verändert hat und mich rasch voran bringt. Am frühen Abend erreichte ich den Campingplatz in Vikhammer, etwa fünfzehn Kilometer vor Trondheim. Ein riesiger Platz direkt am Fjord gelegen.



Kirche in Skatval




Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 19. Ist da ein Licht?

Ist da ein Licht?

Unglaublich wie viel Wasser in einer Nacht vom Himmel fallen kann. Die Schotterwege hatten sich in kleine Seenlandschaften verwandelt. Einmal mehr stellte sich die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Wetterprognosen. Seit Tagen versprachen sie besseres, trockenes Wetter. An diesem Morgen verkündete das „Dagebladet“ gar auf der ersten Seite: „Jetzt kommt der Sommer!“ Draußen war es dunkelgrau und die dicken Wassertropfen fielen schwer in die tausend kleinen Pfützen vor meinem Fenster.

Sandnessjøen - Nordlandskulptur Vindenes Hus (Windhaus)

Mir fielen Ninas Worte wieder ein: "Es regnet seit zwölf Tagen ununterbrochen." Zu der Zeit fuhr ich gerade auf der Hurtigrute und wenig später auch an Nesna vorbei. Das war die Zeit des Regens, der bis heute kein Ende gefunden hatte.
Nach der ersten Fährüberfahrt war es nicht mehr weit bis Sandnessjøen. Musste ich vor drei Jahren noch Maut für die Helgelandsbru bezahlen, so konnte ich heute miterleben wie die Mauthäuschen abgebaut wurden.
Am Ende der Brücke ist eine weitere Nordlandskulptur das „Vindenes Hus“ zu finden. Schöpfer ist Sisel Tølaasavs aus Norwegen. Für meinen Geschmack muss ich sagen, es gibt bedeutend ansprechendere Skulpturen. Unübertroffen, für mich, das „Forgotten Town“ oder „der Kopf“ in Eggum, Lofoten.


Wenn schon nicht in Natura ...

Direkt vor Sandnessjøen ist mir dann der Elch begegnet, nachdem zahlreiche Schilder immer wieder davor warnen, dass Elche auf die Straße springen. Der hier war jedoch ganz anders. Er stand auf einen Hügel und schaute geradewegs über mich hinweg. Ich war ihm völlig gleichgültig und er rührte sich nicht vom Fleck. Wie auch, seine Beine, wie auch der Körper, waren aus Bronze und auf einen Betonsockel geschraubt.
Etwas weiter begegneten mir die sieben Schwestern (Syv Søstre), sie hüllten sich in Schweigen und einen dicken Mantel aus Wolken.

Petter Dass Kirche in Alstahaug

In Alsthaug machte ich einen Abstecher zur Petter Dass Kirche. Der Dichterpfarrer lebte hier von 1689 bis zu seinem Tod im Jahre 1707. Beeindruckend sind insbesondere der Altar und eine alte Truhe mit reichen Verzierungen. Auf dem Gelände ist auch ein Museum untergebracht, es befindet sich im ehemaligen Wohnhaus des Pfarrers. Leider gab es überhaupt keine Infobroschüren zu der Kirche und zu einer Führung war hier auch niemand bereit. Allerdings gab es teure Bücher über die Geschichte des Petter Dass.
Wer die Fahrpläne der Fähren kennt, sie sind im Handbuch Kystigsveien RV 17 zu finden, und noch Zeit findet kann kurz vor Tjøtta einen Abstecher zur Steinkirche machen. In meinem Fall war sie verschlossen, aber auch der Gedenkstein davor ist interessant. Er erinnert an einen Oyfind Finssen, mit den Jahreszahlen 911 – 925.

Der Altar

Die Überfahrt nach Forvika gestaltet sich trocken und am Horizont war so etwas wie Licht zu sehen. Sollte der langersehnte und längst überfällige Sommer nun kommen?
Mein nächstes Ziel hieß Brønnøysund. Dabei interessierte mich der Ort selbst weniger. Ich wollte zum Torgatten. Das liegt zwölf Kilometer außerhalb, ist aber schon weithin sichtbar.
Auf der Fahrt mit der Hurtigrute war ja nicht besonders viel davon zu sehen. Wenn es auch nichts mit einer Mitternachtssonne am Torgatten werden sollte, so wollte ich es mir doch wenigstens aus der Nähe ansehen. Das große Loch, das der Sage nach vom Hestemannen mit einem Pfeil aus seinen Bogen in den Berg geschossen worden sein soll. Zu dieser Zeit war der Berg jedoch gar keiner. Es war der Hut eines Trolls. Der stolze Reiter verliebte sich in den Troll und vergaß dabei die aufgehende Sonne. So erstarrten beide zu Stein. Noch heute ist der versteinerte Reiter gut zu erkennen, im Berg Hestmannøy.


Petter Dass Kirche, Merkmal Zwiebelturm

Ob nun wahr oder nicht, ich wollte dort hinauf. Vom Parkplatz führt ein Weg zum Ziel. Etwa zwanzig Minuten soll es dauern, vermutlich unter normalen Umständen. Das ein oder andere Mal hatte ich ja schon erwähnt, dass ich weder ein guter Kletterer, noch schwindelfrei bin. Trotzdem packt mich in solchen Situationen immer wieder mein Ehrgeiz. Vielleicht ist auch der Übermut, wer weiß.
Der erste Teil des Weges ist als normal begehbar zu bezeichnen. Dann folgt eine natürliche Steintreppe, die sicher auch keine Probleme bereit hält, vorausgesetzt es hat nicht tagelang geregnet. Überall strömten kleine Bäche, die sich an der Steintreppe vereinten und einen kleinen Wasserfall zauberten.

Fjordpferde in Alstahaug

Die Menschen sind bekanntlich erfinderisch und wissen sich zu helfen, wie ein kleiner Trampelpfad zeigte. Nicht wirklich gut gemacht, da sehr morastig und dazu direkt an einem Abgrund entlang. Wohl nur zehn Meter tief, aber auf die Höhe kommt es ja nicht an. Erste Bedenken machten sich breit, aber da war ja noch der Ehrgeiz. Etwa so wie bei Engelchen und Teufelchen: „Tu es nicht, du weißt das dir das Klettern nicht liegt.“ – „Hör nicht drauf, das schafft doch jedes Kleinkind!“ Und so weiter. Meine Gedanken hielten Zwiesprache und ich kraxelte auf allen Vieren. Danach folgte wieder ein Stück befestigter Schotterweg und schließlich eine Geröllhalde, in der wiederum Naturtreppen zu finden waren. Eigentlich nichts kompliziertes, wenn man es nicht selber dazu macht. Warum wollte ich auch ausgerechnet ein zartes blaues Blümchen vor ein kleines Rinnsal fotografieren. Nicht genug, dass ich schon halb in der Pfütze lag, um die richtige Perspektive zu finden. Nein, kaum hatte ich das Motiv auf dem Chip verewigt und war halbwegs zufrieden, machte ich einen Schritt, mitten hinein in den Schlamassel. Der rechte Schuh fand nur ungenügenden Halt auf dem nassen Gestein, aber ich musste ja schon den zweiten Schritt machen, ehe der erste vollendet war, und mit dem linken Fuß direkt hinein in ein zwanzig Zentimeter tiefes Wasserloch.

Rathaus in Bronnøysund

Wie gut, dass ich für den Spaziergang Halbschuhe gewählt hatte, so sparte ich mir das Füße waschen. Auf meinen weiteren Weg nach oben schmatzte es deutlich hörbar, an den Zehen wuchsen kleine Frostbeulen, aber mein Ehrgeiz hatte sich mal wieder durchgesetzt.
Auf dem letzten Stück hatte mich noch eine norwegische Familie überholt. Sie unterhielten sich und das Mädchen sagte so etwas Ähnliches wie, Greenhorn, worauf alle lachten. Nun, mein norwegisch ist nicht so gut, das ich behaupten könnte alles zu verstehen, aber sollte sich das auf mich bezogen haben, so kann ich das im Fall von Bergsteigen nicht einmal widerlegen.

Blick durch das Torgatten

Egal, ich hatte es geschafft und andere auch noch zum Lachen gebracht, was will man mehr. Das Loch gibt den Blick auf ein Meer voller Schären frei. Aber nicht allein das wirkt so faszinierend, es ist das Licht auf der anderen Seite des Loches. Dort schien doch allen Ernst die Sonne von einem Himmel mit weißen Wolken. Auf Landseite war noch immer alles Grau und so hatte ich das Gefühl durch das Loch in eine andere Welt zu schauen.
Hinunter bin ich auch wieder gekommen, diesmal ohne in irgendwelche versteckten Wasserlöcher zu tapsen. Was die Zeit angeht, wird wohl jede Großmutter den Weg schneller bewältigen. Aber was soll’s, ich bin doch im Urlaub und nicht auf der Flucht, oder?


Aussicht vom Torgatten

Dennoch kann dieser Eindruck manchmal entstehen, wenn die Autokarawanen von Fähre zu Fähre hetzen. Da fällt es schwer den gemütlichen Fahrstil beizubehalten. Das einzige was dann hilft ist, irgendwo abzuzweigen um sich etwas anzusehen. In Vik hatte ich mich aus so einer Kolonne geschlichen und war zur Kirche gefahren. Das kleine Museum nebenan hatte bereits geschlossen, so wurde es nur ein kurzer Aufenthalt, der trotzdem Folgen hatte. Ich erreichte Vennesund gerade noch rechtzeitig, um der abfahrenden Fähre hinterher winken zu können.
Schön, dass hier wenigstens ein kleines Gasthaus zu finden ist, das Kaffee und Kuchen für die Gäste bereit hält. Mir stand eher der Sinn nach etwas herzhaftem, sowie dem frisch gebratenen und duftenden Lachs, der für eine kleine Gesellschaft bereitet worden war. Und tatsächlich durfte ich, gegen ein kleines Entgelt, an dem Mahl teilnehmen. Das nenne ich Gastfreundschaft.


Kirche in Vik (RV 17)

Nach dem Essen blieb noch etwas Zeit für einen Spaziergang und wenn sich dann auch noch ein Hinweis auf eine Nordland- Skulptur findet, folge ich diesem. Ob dieses Werk tatsächlich zu der Reihe gehört möchte ich mal in Zweifel stellen. Wobei die versteckte Platzierung wiederum dafür spricht. So lief ich ein zweites Mal Gefahr mir ein paar Schuhe zu ruinieren. Nur um einen mickrigen Plastikdelfin am Fjordufer zu finden.
Immerhin erhaschte ich auf dem Rückweg ein Eichhorn, nur hatte ich leider die falsche Optik dabei. Für die weiteren Relikte, die am Wegesrand zu finden waren, reichte sie jedoch allemal. Und wer über Norwegen schreibt darf eben nicht nur die Hochglanzseiten zeigen, der muss auch schon mal in die dunklen Ecken leuchten. Hier, zwischen Bäumen, ein Ablageplatz für alte LKW- Reifen und verrostete Rohre, und ein Stück weiter gammelte ein ausgedienter Toyota- Bus vor sich hin. Das alles direkt an einem Campingplatz neben einem Wanderweg. Das ist ein Teil Norwegens, den ich nirgends auf der Welt so vorfinden möchte.

Wilder Schrottplatz in Vennesund

Die letzte Fähre für diesen und einige weitere Tage, danach war noch ein Stück zu fahren. Ein kleiner, gemütlicher Campingplatz, direkt an einem Fluss bei Rosendal war genau das richtige Fleckchen um den Abend ausklingen zu lassen. Es war kalt aber trocken und ich setzte mich unter den Birkenbäumen an einen kleinen Tisch und begann diese Zeilen zu schreiben.
Um die Frage, die diese Geschichte betitelt, zu beantworten, muss ich zwar etwas waghalsig vorgreifen, dennoch will ich behaupten: „Ja, da ist ein Licht!“










Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 18. Begegnungen

Begegnungen

Als ich heute Morgen erwachte war es nass und kalt. Ich fror und überlegte in welchem Monat ich mich befand. Das konnte keinesfalls Ende Juni sein, das war ganz sicher der April von seiner übelsten Seite.
Ach ja, auch wenn ich es nur ungern erwähne, die letzte Nacht hatte ich unbequem in meinem Auto zugebracht. Bei dem Versuch auf der Wiese zu parken, um das Zelt aufzubauen, hatte sich mein kleiner Kangoo in Windeseile eingegraben. Als ich ausstieg, um mir das Malheur anzusehen versank ich bis zu den Knöcheln im aufgeweichten Wiesengrund. Irgendwie schaffte ich es wieder heraus zu kommen. Allerdings glich die Wiese danach einem umgepflückten Acker.
An dieser Stelle möchte ich mich noch mal bei den Betreibern des Platzes bedanken. Eine Hütte bekam ich nur deswegen nicht, weil alles ausgebucht war. So durfte ich auf dem befestigten Platz für Wohnmobile übernachten.

Fjordlandschaft bei Aseli an der RV 17

Hier lernte ich ein Ehepaar aus München kennen. Wir kamen ins Gespräch und standen dabei im Regen. Wenig später luden sie mich zu einem Gute Nacht Drink in ihr Wohnmobil ein. Mit leeren Händen wollte ich die Einladung nicht annehmen und so brachte ich eine Flasche Wein mit, die ich für besondere Gelegenheiten dabei hatte. Aus dem kleinen Drink wurde eine lange Plauderei bis weit nach Mitternacht. Wir tauschten Urlaubserlebnisse aus, eben das was Urlaubsbekanntschaften so zu tun pflegen. Alles in allem ein angenehmer Abend mit netten Leuten. So kann auch schlechtes Wetter seine guten Seiten haben.
Wetter hin oder her, ich bin bekannt dafür nicht gleich das Handtuch zu werfen oder die Flucht zu ergreifen. Obwohl ich zugegebenermaßen auch kurz überlegt hatte einen großen Satz Richtung Süden zu machen. Aber nach dem Frühstück warf ich diesen Gedanken in die nächste Regenpfütze.

Kleiner Wasserfall bei Aseli

Der folgende Streckenabschnitt war mir zu großen Teilen bekannt. Vor drei Jahren befuhr ich ihn bei schönstem Wetter und benötigte für die ersten sechzig Kilometer sage und schreibe vier Stunden. Die Aufnahmen, die damals entstanden sind waren es wert.
Heute komme ich wesentlich schneller voran. Die Kjellsundbrücke bei Kjøpstad bietet ebenso wenig wie die grau verschleierten Ausblicke auf den Holmsundfjord. Bei Skauvoll verlasse ich die Küstenstraße (RV 17) und folge der RV 838 nach Gildeskål. Eine alte Steinkirche, deren Erbauung auf das Jahr um 1130 datiert wird, ist das Ziel. Unweit davon entfernt ist auch die neue Kirche zu finden, sie stammt vom 1881 und ist somit auch nicht mehr die Jüngste. Die alte Kirche ist verschlossen. Ein Schild weist auf ein rotes Haus hin. Mein erster Versuch. Die Haustür steht auf, aber niemand antwortet auf mein Rufen. Ein zweiter Versuch, zehn Minuten später ist dann von Erfolg. Der Verwalter des Geländes begrüßt mich gleich mit Handschlag. Auf meine Frage, ob ich die alte Kirche besichtigen könnte, schlüpfte er sogleich in seine ausgetretenen Schuhe und schlürft voran. Es handelte sich hier nicht um einen alten Mann, er war wohl so um die vierzig. Er machte einen schlaksigen und wie ich meinte schüchternen Eindruck. Vielleicht war es auch nur die norwegische Zurückhaltung. Auf dem Weg zur Kirche fragte er mich nach meiner Herkunft und sprach von da an nur noch deutsch mit mir. Ich zahlte den kleinen Obolus von 30 NOK und bekam eine ausführliche Führung dafür.

Aussicht bei Gildeskål

Der Eingangsbereich stellte das Waffenhaus dar. Hier mussten die Waffen in früheren Jahren abgelegt werden, bevor man das Gotteshaus betrat. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde es nach einem Brand neu errichtet. Einige Relikte hängen noch an der Decke. Darunter auch ein Fesseleisen, mit denen Sünder an den Pranger gestellt wurden. Dort wo diese Eisen einst an der Kirchenwand befestigt waren, sind noch heute die Löcher zu sehen. Raue Sitten und strenge Regeln herrschten einst im Mittelalter. So war jedem ein Platz in der Kirche zugewiesen. Der Polizeirat, die Pastorenfamilie oder der reiche Kaufmann hatten zellenähnliche Verschläge, wo sie sicher vor dem Gesinde waren. Auch die ehrbaren Bürger hatten ihre Betbänke, teils mit Namen der Familien versehen. Die Armen, der Knecht oder Leibeigene mussten auf einen schmalen Holzbalken zu Füßen der Bürger kauern. Kleinkinder und Mütter mit unehelichen Kindern kamen ebenfalls in einen Verschlag im hinteren Teil der Kirche.

Die alte Steinkirche von Gildeskål

Während der Verwalter mir etwas über die Kanzel erzählte, sie stammt von 1711, kamen weitere Besucher die sich wohl die Kirche ansahen aber keine Anstalten trafen den Eintritt zu bezahlen. So wurde der gute Mann um den Lohn seiner Arbeit gebracht. Anschließend führte er mich noch in die neue Kirche. Auch hier sparte er nicht mit seinen Ausführungen. So erfuhr ich, dass der Altar von 1713 ist und erst vor einigen Jahren von einem deutschen Restaurator wieder hergerichtet wurde. Anders als in vielen anderen Kirchen war hier das Inventar über die vielen Jahrhunderte erhalten geblieben.

Der Eingangsbereich und die Orgel

In der neuen Kirche werden jeden Sonntag die Gottesdienste abgehalten und in der alten Steinkirche werden besondere Anlässe gefeiert. Dazu gehören Hochzeiten, Taufen oder die Weihnachtsmesse. „Kirchen“, so sagte mir der freundliche Mensch, „sind Gotteshäuser und keine Museen.“ Ich denke, dem ist nichts hinzu zu fügen.
Am Ende des Rundgangs bedankte ich mich für die Ausführungen und gab noch eine kleine Spende. Zum Schluss wurde ich, wie bei meiner Ankunft mit einem Händedruck verabschiedet.
Zwei zahlende Gäste waren dann doch noch gekommen, es war das Münchener Ehepaar, das ich Tags zuvor kennen gelernt hatte.

Der Altar der neuen Kirche


Nun hieß es den gleichen Weg zurück nach Skauvoll fahren. Dieser Abstecher hatte sich jedenfalls gelohnt. Und wenn dir in dem kleinen Ort Inndyr die Kinder freundlich zuwinken, dann ist das vielleicht noch mehr wert als etwas Sonnenschein, weil diese Freundlichkeit dich von innen wärmt.
Tatsächlich versuchte die Sonne wenig später durch die Wolken zu dringen. Hätte ich das alles erleben dürfen, wenn ich den großen Sprung Richtung Süden gemacht hätte? – Keineswegs!

Der abseits stehende Glockenturm

Etwas später passierte ich die Stelle an der die Nordland- Skulptur „The forgotten town“ zu finden ist. Der Himmel hatte gerade mal wieder seine Schleusen geöffnet. Die beiden markanten Berge zur Linken spiegelten sich schiefergrau in dem See davor. Kein Vergleich zu dem Bild vor drei Jahren.
Am Svartisen- Center legte ich eine kleine Pause ein. Den Gedanken, mit dem Boot zum Gletscher zu fahren, verwarf ich wieder. Bis tief hinab zum Fjord war das Massiv in Wolken gehüllt.
Bei Forøya machte ich noch einen kurzen Abstecher, um mir eine weitere Nordlandskulptur, "Varde", anzusehen. Nicht alle Skulpturen gefallen oder passen in die Landschaft. Ein Abstecher lohnt nur, wenn die Fähre gerade weg ist. (12 km)
Meine Fähre war noch nicht weg, aber nur weil sie etwas Verspätung hatte. Und so kam ich in den Genuss einer weiteren zauberhaften Begegnung.

Trübe Ausblicke auf den Svartisengletscher

Die Regentropfen fielen gerade senkrecht und schwer vom Himmel als ein Wesen im leuchtenden Orange erschien. Es watschelte von einem Auto zum anderen, um die Gebühr für die Überfahrt zu kassieren. Ja, ihr lest richtig, sie watschelte wie ein Gänseküken in ihrer viel zu großen Regenkleidung. Das Regenwasser lief in kleinen Bächen von der Kapuze über ihr zartes Gesicht und dennoch hatte sie ein zauberhaftes Lächeln auf den Lippen. Ich weiß nicht ob sie nur einen Ferienjob machte oder gerade ihre Ausbildung angefangen hatte. Jedenfalls war sie kaum älter als sechzehn Jahre.
Auch dieses Lächeln zeigte mir, wie schön das Land ist. Überzeugt das Wetter nicht, dann sind es die Menschen mit ihrer Freundlichkeit.

Nordlandskulptur bei Forøya


Mit dieser Fährfahrt überquerte ich den Polarkreis in südlicher Richtung. Ich erwähne es nur der Ordnung halber, schließlich ist es schon das dritte Mal für mich. Dem Kapitän war es auch gleichgültig, jedenfalls klang seine Ankündigung ziemlich mürrisch.
Auf der weiteren Fahrt bis Nesna gab es noch zwei bemerkenswerte Ereignisse. Das erste war ein Stau! Ja tatsächlich, auch wenn es kaum zu glauben ist. Es geschah vor dem Sjonatunnel und die Erklärung dafür folgte auf dem Fuße in Gestalt eines Bauarbeiters. Im Tunnel fanden Arbeiten statt, die eine kurzfristige Sperrung erforderten. Fünfzehn Minuten später ging es aber schon weiter.
Das zweite Ereignis war dichter Nebel im Nordvikfjellet, etwa zwanzig Kilometer vor Nesna. Kaum mehr als fünfzehn Meter Sicht waren uns vergönnt und wir zockelten mit dreißig Stundenkilometer durchs Gebirge. Als es wenig später wieder ins Tal hinunter ging wurde auch die Sicht besser.

Militärisches Gerät auf einen Parkplatz bei Grønsvik
Auf dem mir bestens bekannten Campingplatz wieder nur freundliche Menschen. Auch hier alle Hütten belegt, aber im Gästehaus waren noch einige Zimmer frei. Nach den wenigen Formalitäten noch das Angebot am Abend doch einmal in Ninas Luvvo vorbeizuschauen. Es handelte sich dabei um eine Holzhütte, die den samischen Zelten nachempfunden ist.
Gegen neun machte ich von dem Angebot Gebrauch. Nina hatte bereits Birkenscheite entzündet und das Feuer verbreitete rasch seine Wärme. Ich war der erste Gast und lange Zeit auch der einzige und so ergab sich eine nette Unterhaltung. Im Hintergrund lief Mark Knopflers neue CD „Shangri- la“. Ich mag seine Musik und besitze selber einige seiner CD’s. Die oft ruhigen und melancholischen Songs passten gut zu der heimeligen Atmosphäre.

Wasserfall bei Sjonhagen an dr RV 17

Wir unterhielten uns in englischer Sprache. Nina verstand ich dabei sehr gut, sie spricht sehr deutlich. Ich erzählte ihr woher ich kam, wo ich bereits war und wohin ich noch wollte. Sie erzählte mir, dass sie auch gern reiste, was im Augenblick mit zwei kleinen Kindern von fünf und sieben nicht so gut geht. Ihr Mann besitzt eine kleine Autowerkstatt, ist aber nicht in der Lage ihr kleines verbeultes Auto herzurichten. „Schöne Werbung für eine Werkstatt“, sagt sie und lacht dabei. Sie lebt in Nesna, stammt aber aus Storforshei, nördlich von Mo I Rana. Hier gefällt es hier besser, sie ist am Wasser und wenn es nicht gerade regnet kann man mit den Kindern am Strand spielen. Zu Hause, sagte sie, ist sie nur von Bergen umgeben, die aber allesamt tolle Wanderziele darstellen. Zumindest eines davon kenne ich bereits, den Svartisengletscher.
Gegen Mitternacht verabschiedete ich mich, einige Gäste waren doch noch gekommen. Auch hier ein freundlicher Händedruck und die besten Wünsche für die Weiterreise. Und natürlich das, was sich alle wünschen, besseres Wetter.
Zwölf Tage Dauerregen können auch einen Norweger zermürben. So lange regnete es bereits in Nesna und das war überhaupt nicht gut fürs Geschäft. Die Campingplätze waren wohl gut gefüllt, doch die Veranstalter gingen leer aus. Für manchen stand vielleicht sogar die Existenz auf dem Spiel, sagte Nina zum Abschied und in ihrer Stimme lag ein wenig Traurigkeit.









Samstag, 6. März 2010

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 17. – Teil 2 – Museumstag (Luftfahrtmuseum Bodø)

Museumstag (Luftfahrtmuseum Bodø)

Über den Streckenabschnitt von Stokmarknes nach Bodø werde ich mich an dieser Stelle nicht auslassen. Vor drei Jahren hatte ich bereits darüber berichtet. Wiederholungen liegen mir nicht und es soll auch niemand sagen, der schreibt ständig nur übers Wetter. Eine kleine Geschichte muss ich euch dennoch erzählen. Sie ereignete sich während der Überfahrt von Lødingen nach Bognes.


Luftfahrtmuseum Bodø - 9 Zylinder Sternmotor

An Bord der Fähre war eine größere Gruppe von Jugendlichen, überwiegend Mädchen, so um die sechzehn, siebzehn Jahre. Kaum hatte die Fähre abgelegt stürmten sechs von ihnen aufs Vorderdeck. Ich schaute kurz auf und musste Lächeln, ehe ich mich wieder meinem Buch widmete. Sich einmal so fühlen, wie das Liebespaar in dem Film „Titanic“. Das war es, was die Mädchen nach draußen trieb.


Französischer Doppeldecker

Der Ofotfjord war an diesem Morgen ziemlich unruhig und die Fähre schaukelte ganz ordentlich. Ich schlug gerade eine Seite um, als ein lautes Raunen durch die Cafeteria ging. Ich schaute auf und sah gerade noch die Mädchen hereinstürmen. Zwei von ihnen waren klatschnass und die Fahrgäste konnten sich ihr Lachen nicht verkneifen. Einem der Mädchen war überhaupt nicht zum Lachen zumute. Sie hatte wohl vorne gestanden als sich die Bugwelle über das Vorderdeck ergoss.
Das war es dann wohl mit Titanic. Ab sofort hatte der Film, bei den Kids, bis in die Steinzeit verwirkt. Von wegen Romantik und so, nur eine saublöde, eiskalte Dusche und dazu das Gespött der Mitreisenden. So stellte ich mir die Gedanken der Mädchen vor.
Doch weit gefehlt. Diejenigen, die verschont geblieben waren eilten kurz darauf wieder hinaus. Die ganze Aufmerksamkeit der übrigen Gäste galt ab sofort ihnen. Doch wurde den Spöttern keine zweite Gelegenheit geboten. Die Fähre erreichte den Zielhafen, die Mädchen blieben trocken und konnten wieder lachen.

Finnmark - Kriegsszenerie mit Rentier

Nach fünfstündiger Autofahrt, inklusive der Überfahrt und diverser kurzer Pausen war das Ziel erreicht. Wahrscheinlich wäre es etwas schneller gegangen, wenn da nicht so ein niederländischer Wohnmobilfahrer so seine liebe Müh mit dem Gefährt gehabt hätte. Nein, das Fahrzeug muckte nicht und hatte auch keine Panne, der Lenkinsasse war diesem einfach nicht gewachsen. Durch jeden Tunnel, und es gibt einige auf der Strecke, schlich er im Traktortempo. Nachdem die Fahrzeuge vor mir allesamt an den Schleicher vorbei waren, sah ich den Grund für die Bummelei. Er durchfuhr die Tunnel mittig und wenn ein Fahrzeug entgegenkam, lenkte er vorsichtig nach rechts und wurde noch langsamer. Als dann auch noch ein LKW auftauchte hielt er mitten im Tunnel an!
Hinter der elften Röhre konnte ich ihn überholen, wobei der Fahrer gerade im Begriff war wieder die Mitte der Straße zu benutzen. Ich konnte nur hoffen, dass er auch durch die übrigen Tunnel unfallfrei gekommen ist. Die Tunnel sind verdammt noch mal hoch genug, da eckt man nicht mit dem Wohnmobil an. So ein Fahrverhalten ist einfach nur noch grob fahrlässig und lebensgefährlich obendrein.

Sechszylinder Reihenmotor

Nun aber zum Luftfahrtmuseum. 1994 wurde es eröffnet und die Architekten hatten sich bei der Gestaltung wirklich Gedanken gemacht. Da wird nicht einfach nach Schema F verfahren. „Was? – Ihr braucht ein Museum? – Wie groß? – Gut!“ Und fertig ist ein nichtssagender Betonklotz. Nein, die skandinavische Architektur beeindruckt durch ihre Vielfältigkeit und Ideenreichtum. Das Museum ist ein überdimensionaler Propeller dessen Nabe über der Zufahrtsstraße thront und in seiner Spitze einen Kontrollraum beherbergt.

Der Museumsraum wird dreidimensional benutzt

Im linken „Propellerblatt“ ist die Fluggeschichte des 2. Weltkrieges ausgestellt. Szenen aus der Zeit werden mit lebensechten Puppen dargestellt. Die Bruchlandung einer Messerschmitt in der kargen Landschaft der Finnmark ist zu sehen, wobei nicht einmal die Rentiere fehlen.
Diesmal lasse ich es jedoch nicht zu, dass meine Fantasie in die Zeit abschweift. Dieser Teil der Ausstellung wirkt schon durch seine Umgebung bedrückend genug. Lichtquellen sind nur sehr spärlich verteilt und vermitteln, dass hier ein düsteres Kapitel beleuchtet wird.

Doppelrumpf

Die Ängste und Sorgen werden greifbar und nachvollziehbar. Eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern, die zusammengekauert an einer Keller- oder Bunkerwand lehnt. Beinahe kann man das Weinen der Kinder und die tröstenden Worte der Mutter vernehmen. Diese Szenen wirken so lebendig, dass man geneigt ist, die Kinder trösten zu wollen.

Wasserflugzeug Donier

Die Kriegsflugzeuge, manche wirken wie Ungetüme im dämmrigen Licht, vermögen noch immer Furcht einzuflössen. Auch wenn man diese Zeit nur aus Geschichtsbüchern und Erzählungen kennt. Und so wundert es nicht wenn ein Kleinkind zu weinen beginnt, diesmal keine Puppe oder ein Effekt. Die Eltern haben mit ihm einen dunklen Gang durchschritten, der den Rumpf eines Bombers darstellt. Entsprechende Geräusche, wie Flakfeuer und die dazu gehörenden Lichtblitze aktivieren sich selbsttätig sobald man den Gang betritt. Das ist bei weitem noch nicht alles, aber schließlich wollt ihr auch noch etwas entdecken. Also kehre ich diesem Teil den Rücken zu und begebe mich in den Bereich der zivilen Luftfahrtgeschichte Norwegens.

Zivile Luftfahrt - Wasserflugzeug Ju 52

Wenn ihr mit euren Kindern hierher kommt, dann geht mit ihnen in diesen Bereich. Spielerisch können sie hier etwas über Thermik und andere Dinge zum Thema Fliegen lernen. Aber warum erwähne ich das, ist doch typisch skandinavisch. Die Kinder stehen im Mittelpunkt und das ist gut so.

Blick von oben

Besonders beeindruckend ist ein Wasserflugzeug auf Basis der alten „Tante Ju“ hat (Junkers Ju 52). Sie besteht überwiegen aus Aluminium und glänzt noch heute im Scheinwerferlicht.

Tanksäule Tiger

Hier wirkt alles gleich viel freundlicher, weil heller. Ältere Maschinen der Fluggesellschaften Windboe und SAS dürfen natürlich auch nicht fehlen. Ebenso wenig wie die Flugsimulatoren, die man ausprobieren kann wenn du den Mut dazu besitzt.

Wasserflugzeuge haben in Norwegen Tradition

Wer hierher kommt sollte Zeit mitbringen, je mehr, je besser. Ich war um 15:30 Uhr hier und bin erst kurz vor Schluss, um 19:00 Uhr wieder gegangen. Solange hat das Museum während der Saison auch am Sonntag geöffnet. Doch Vorsicht, am Samstag schließen die Pforten schon um 17:00 Uhr.

Szene zur Südpolexpedition











Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 17. – Teil 1 – Museumstag (Hurtigruten- Museum)

Museumstag (Hurtigruten- Museum)

Das Wetter hatte entschieden, es wird keine dritte Walsafari geben. Diese Option hatte ich in meiner Planung, allerdings nur bei Sonnenschein. Zwei Touren bei Regen und Sturm hatte ich in der Vergangenheit bereits absolviert. Eine dritte Safari bei Regen war demnach überflüssig.
So lag mein heutiges Ziel bei Bodø, doch zuvor machte ich noch einen Abstecher nach Stokmarknes ins Hurtigruten- Museum. Vor drei Jahren war ich bereits dort gewesen, die Finnmarken war damals jedoch wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.

Stokmarknes mit Blick auf den Yachthafen und der gleichnamigen Brücke

Bei Ankunft begrüßte mich ein Schauer, den ich mit Nichtachtung strafte. An der Kasse fragte ich zunächst nach ob das Schiff auch zu besichtigen sei. Das war der Fall und besser noch, ich zahlte nur die Hälfte wenn ich mir nur die Finnmarken ansehen wollte.
Zunächst war ich von ihrem Zustand enttäuscht. Überall brach der Rost wie blutende Wunden durch den weißen Lack. Nach wie vor fristet sie ihr Rentnerdasein unter freiem Himmel und ist Wind und Wetter ausgesetzt. So muss auch ein Museumsschiff seinen Tribut zahlen.


Im Hurtigrutenmuseum großfächige Wandbilder

Ich betrat das Innere, um zu schauen wie es sich in den fünfziger Jahren wohl gelebt hat. Mein erster Eindruck, welch ein Luxus an Platz auf den heutigen Schiffen und deren Kabinen doch herrscht. Hier trifft der Ausdruck Kojen besser zu. Beim Betrachten der Räumlichkeiten erwacht der Geist der Nostalgie und ich stelle mir eine Fahrt auf der alten Finnmarken vor. Kurz nach Kriegsende waren solche Seereisen sicher der pure Luxus. Das gilt auch für die Ausstattung, die trotz der räumlichen Enge fließend Wasser und manchmal sogar ein komplettes Badezimmer mit Dusche bot. Hierbei handelte es sich bestimmt um die erste Klasse.



Einer der Salons auf der Finnmarken

Ja, ich kann mir das Leben an Bord zu dieser Zeit ganz gut vorstellen. Die Frauen in ihren schicken Kleidern, nach der neuesten Mode aus Paris, die Männer in Anzügen und Krawatte, Hut und die auf Hochglanz polierten, handgefertigten Schuhe. In der Hauptsache waren es wohl Amerikaner, Engländer und Schweizer. Das Volk des übrigen Europas war wohl kaum in der Lage sich so eine Luxusseereise zu leisten.

Der Funkraum

Ich höre die Frauen, mit einem Cocktailglas in der Hand, über die neueste Mode plaudern, während die Männer Zigarre rauchend die neuesten Wirtschaftsnachrichten aus New York und London diskutieren. Es herrscht eine allgemein positive Stimmung, der Krieg liegt einige Jahre zurück und Europa befindet sich wirtschaftlich im Aufwind.


und die Brücke

So könnte es gewesen sein, an Bord der Finnmarken auf dem Sonnendeck oder einem der Salons, während draußen die bizarr anmutende Landschaft der Lofoten vorüberzog.

Ein weiteres Wandbild mit einer Hurtigrutenszene

Ich betrete den ehemaligen Speisesaal. Die Einrichtung wirkt, für heutige Verhältnisse, ein wenig schwülstig. Der rote Teppich ist abgetreten und erzählt seine eigenen Geschichten vom Leben dieser Zeit. Von feudalem Dinner, leisen Gesprächen und Liebesgeflüster bei Kerzenschein und leiser Musik. Und von den Bediensteten, die wie gute Geister immer da waren, wenn der Gast einen Wunsch hatte. – Das hat sich bis heute nicht geändert, wie ihr aus meinen Berichten bereits erfahren habt.


Ausstellungsstück im Museum

Während das Schiff in die Nacht hinausfährt und die Mitternachtssonne das Meer küsst, genießen die Reisenden diesen wundervollen Augenblick. Die Damen nippen dabei am Weinglas, während die Männerwelt dem Whiskey oder Cognac zuspricht. Der Kapitän hat derweil ganz andere Sorgen. Er muss seine Fracht, bestehend aus Mensch und Güter durch die heimtückische Schärenlandschaft bringen. Zu seiner Zeit war noch ein gutes Auge, das Wissen und Können des Steuermanns gefragt. Da gab es noch kein GPS oder satellitengestützte Navigation.

Die Vergangenheit spiegelt sich in der modernen Glasfassade des Museumsgebäudes

Handarbeit erforderte auch das Be- und entladen der Güter. Das lief bestimmt nicht immer so ruhig ab, wie in heutigen Zeiten. Die Finnmarken wurde noch nach alter Frachter Sitte beladen. Mit Ladebäumen wurde das Gut durch Luken in den Bauch gehievt. Heute öffnet sich eine große Ladeklappe seitlich und die Waren werden mit Gabelstaplern im Rumpf verladen.

Handelsgebäude in Stokmarknes

Ja, so kann man sich das Leben in den Fünfzigern auf einem Hurtigrutenschiff vorstellen. Zumindest in meiner Fantasie, während ich den Rundgang machte. Hab Dank, Finnmarken, für den Ausflug in die Vergangenheit.


Außerhalb Stokmarknes Pottwalskulptur am Campingplatz

Und wie ein Zeichen, als ich die Finnmarken verließ und wieder zu meinem Fahrzeug ging legte gerade eines der modernen Hurtigrutenschiffe ab. Gönnen wir der alten Finnmarken ihren wohlverdienten Ruhestand.

Nordlandskulptur in Sortland