Samstag, 26. Dezember 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 11. – Teil 3 – Barentssee

Barentssee

Vielleicht hatte ich mir ja etwas zuviel vom Sværholtsklubben, dem größten Vogelfelsen, versprochen und so stellte ich enttäuscht fest, dass keine Seevögel auszumachen waren. Die Fahrrinne lag viel zu weit vom Ufer entfernt.

Sværholtskubben - Heimat vieler Seevögel

Bevor wir Kjøllefjord erreichten wurden einige Felsen am Ufer sichtbar. Eine Formation wird Finnkjerka, die Kapelle genannt. Das Felsgebilde davor sieht zwei kämpfenden Drachen ähnlich, aber nur solange der Blickwinkel stimmt. Der Ort selbst ist nicht mehr als ein kleines Küstendorf am Rande der Barentssee. Und wenn schon das von Menschenhand Erschaffene keinen Reiz bietet, dann sorgt die Natur für die kleinen Wunder im Nordmeer.


Die Finnkjerka bei Kjollefjord

... und ein Felsengebilde wie zwei kämpfende Drachen

Gerade im Hafen von Kjøllefjord eingelaufen schimmert das Wasser wie flüssiges Silber, welches von sanften, gleichmäßigen Wellen durchzogen wird. Mitten in dieser glitzernden Weite jagt ein Boot mit Außenborder und liefert das perfekte Motiv. Glück ist, in solchen Momenten an rechten Ort zu sein.

Der Küstenort Kjollefjord

Die vergangenen Tage hatte ich mich gefragt, warum es keine typischen norwegischen Speisen gab, mal abgesehen von den Fischgerichten. Es gab weder Elch- noch Rentierfleisch. Auch keine Schinken- oder Wurstprodukte aus dem Fleisch dieser Tiere. Dafür gab es einen Tag gar Hirschfilet. Nicht dass daran etwas auszusetzen gewesen wäre, ganz und gar nicht. Ich hatte einfach das Gefühl, dass etwas typisch Norwegisches auf der sonst perfekten Reise fehlte.

Lichtspiele am Kjollefjord

Am heutigen Abend sollten meine Wünsche erfüllt werden. Es gab norwegisches Büfett, mit allem was die traditionelle norwegische Küche zu bieten hat. Natürlich überwog auch hier wieder das Fischangebot, doch das interessierte mich heute nicht. Ich widmete mich der Rendeer- Saute. Geschnetzeltes Rentierfleisch mit Wildpilzen in Sahnesauce. Dazu Kartoffeln, geriebene Möhren und frischer Salat. Einfach perfekt, so schmeckt mir Norwegen!


Kirche von Mehamn

Während ich mir die Köstlichkeiten ausgiebig munden ließ, schließlich war es mein letzter Abend an Bord der Richard With, steuerte der Kapitän sein Schiff sicher dem nächsten Ziel entgegen.
Mehamn besitzt sogar einen eigenen Flughafen. Ansonsten unterscheidet sich dieser Ort kaum vom vorherigen. Die Ausnahme ist die große Steinkirche und die kleinen Häuser, die noch etwas farbenfroher wirken.


Karge Landschaft, bunte Häuser - Mehamn

Während wir den Hafen wieder verlassen denke ich daran, dass schon beinahe zwei Wochen verstrichen sind. Morgenfrüh werde ich von Bord gehen und einen weiteren Teil meiner Reise hinter mir lassen. Zeit meine Sachen zu packen und mich von der ein- oder anderen Bekanntschaft zu verabschieden. Danach heißt es dann schlafen gehen und das übrige Programm ungesehen vorbeiziehen lassen. Das ist ein großes Manko dieser Reise, immer wieder dem Wunsch nach Schlaf nachgeben zu müssen und dabei die Sehenswürdigkeiten zu verpassen.


Die Nordnorge hinter dem Hafen von Berlevåg

Bleibt mir nur noch ein paar Worte über die Crew und das Personal zu verlieren. Die gesamte Besatzung wird während der elftägigen Reise nicht ausgetauscht. Man muss sich also nicht an neue Gesichter gewöhnen. Die Frauen und Mädchen, die abends mit einem Lächeln das Dinner servieren, sind am nächsten Morgen die Zimmermädchen. Trotz des langen und sicher auch anstrengenden Tages hatte ich nicht einmal das Gefühl, dass die Freundlichkeit nur aufgesetzt war.


Hafen Berlevåg

Alle lieben ihre Arbeit und sind mit Freude dabei. In der Freizeit findet man sie schon mal auf dem Außendeck oder bei einem Stadtbummel, wenn das Schiff in einem Hafen einen längeren Aufenthalt hat. Ja selbst ihre Kinder kommen an den Wochenenden schon mal an Bord und begleiten Mama oder Papa ein Stück des Weges. Das alles klingt nach Traumjob, dennoch sollten wir als Gäste nicht vergessen was die Besatzung leistet. Elf Tage am Stück in verschiedenen Schichten zu arbeiten ist nicht leicht. Und dabei bieten sie uns einen stets freundlichen und perfekten Service. Vielen Dank dafür, ich habe mich wirklich wohl gefühlt.


Kleines Fischerboot auf dem Weg zur Arbeit








Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser 11. – Teil 2 – Das Sein im Licht

Das Sein im Licht

Ein großer Teil der Passagiere wird zum Nordkapp fahren und dieses Felsmassiv bei strahlendem Sonnenschein erleben. Ich hatte derweil andere Pläne, sofern sie sich verwirklichen ließen. Eine halbe Stunde später hatte ich Gewissheit und saß im Taxi nach Skarsvåg.

Kurz vor der Insel Magerøy

Für rund fünfzig Euro, so der Deal, sollte mich der Fahrer zum nördlichsten Fischerdorf fahren und unterwegs einige Stopps einlegen, wenn wir Rentierherden begegnen sollten. Ich denke der Preis geht bei einer Fahrstrecke von rund 50 Kilometer in Ordnung.

Rentiere hinter Tufjord

Ein Stück hinter Tufjord ergab sich dann die erste Möglichkeit für einen Halt. Die Tiere hatten uns aber bereits bemerkt und waren geflüchtet. Im Dorf angekommen, erzählt mir der Fahrer von sich aus etwas über den Ort. Ganze 96 Einwohner leben dort noch, aber sie brauchen auf nichts zu verzichten.

... und schon wird die Flucht ergriffen

Es gibt eine Schule, einen Kindergarten, Lebensmittelgeschäfte, zwei Ärzte und eine Apotheke. Alles was zum Leben notwendig ist. Besonders im Winter, wenn das Dorf schon mal von der Außenwelt abgeschnitten ist. Der Fischfang ist nach wie vor Haupteinnahmequelle, allerdings auch ein Geschäft, dass immer weniger Bewohner satt macht. Vielleicht, so der Taxifahrer, ist Skarsvåg in zehn Jahren schon ein vergessener Ort.

Der kleine Fischerort Skarsvåg - Die Kirche


Die jungen Leute zieht es in die Städte weiter nach Süden. So wird eines Tages dann auch die Kirche zu groß sein, obwohl sie nicht mehr Fläche einnimmt als ein Einfamilienhaus. Der Glockenturm ist kaum höher als das Hauptgebäude und thronte er nicht auf einen kleinen Schuppen, könnte man ihn glatt für einen Brunnen halten. Menschen sind kaum zu sehen.

Gleich hinter der Kirche fühlen sich die Rentiere sicher

Ein kleines Kind blickte neugierig zu dem Mann mit den großen Kameras und ein alter Seebär nuckelte zahnlos an seiner erloschenen Pfeife. Es hatte den Anschein als wäre die Zeit stehen geblieben.

Blick auf den Tufjord

Hinter der Kirche, neben einem kleinen klaren Tümpel grasten friedlich eine handvoll Rentiere. Sie schienen keine Scheu zu kennen, blickten nur einmal kurz auf und widmeten sich dann wieder dem frischen Grün.

Löwenzahn und Richard With in Honningsvåg

Dann hieß es auch schon wieder zurück nach Honningsvåg. Auf der Rückfahrt waren noch einige Rentiere auszumachen. Insgesamt hatte ich aber das Gefühl, dass sich sehr wenige Tiere auf der Insel aufhielten. Vielleicht auch die Folge eines viel zu langen und strengen Winters.

Honningsvåg Hafenblick

Im Hafen angekommen bedankte ich mich bei dem Fahrer und legte zum vereinbarten Fahrpreis noch etwas Trinkgeld drauf. Immerhin hatte der freundliche Mensch nicht nur seine Pflicht erfüllt sondern freiwillig als Reiseführer fungiert.

Bunte Häuser bis an den Berghängen

Anschließend blieb noch etwas Zeit für einen Spaziergang durch den Hauptort der Insel. So bunt wie die Häuser, die von weitem wie ein bunter Blumenstrauß wirken, so sahen auch die Gärten aus. Allerdings waren hier ausschließlich Frühlingsgewächse zu finden. Osterglocken, Stiefmütterchen, Tulpen. Blumen, die bei uns längst verblüht waren. Hier standen sie in voller Pracht, einen Tag vor Sommeranfang.

Und schon hüllt er sich wieder in einen Nebelschal, der Nordkap- Felsen

Dann wurde es Zeit wieder an Bord zu gehen. Die Nordkapp- Besucher kehrten beeindruckt zurück, was nicht zuletzt am Wetter lag. Immerhin hatte das Thermometer die zwanzig Grad Marke überschritten.
Unser nächstes Ziel hieß Kjøllefjord. Zuvor blieb noch ein letzter Blick auf das Nordkapp. Es hatte seinen Besuchern die Gnade erwiesen sich unverhüllt zu zeigen, doch nun hüllte es sich wieder in ein weißgraues Tuch aus feinsten Wassertröpfchen. Nur das obere Drittel des Felsens war noch zu sehen.


Fischerboot vor Kjollefjord








Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser 11. – Teil 1 – Early sunshine

Early sunshine

Am späten Abend ereichten wir Skjervøy. Links und rechts erhoben sich die schneebedeckten Bergmassive. Und wie es nun mal ist, wenn man isst, zogen die schönsten Motive unbelichtet vorbei. Um so schlimmer, da sie in warmen Sonnenstrahlen badeten. Da war sie wieder, die unbeholfene Wut auf menschliche Bedürfnisse. Anders herum wäre es wirklich zu schade gewesen, das köstliche Essen einfach zu verschmähen. Brav, wie es sich für einen wohlerzogenen Sohn gehörte, hatte ich meinen Teller geleert und zur Belohnung verweilte die Sonne auch nach dem Dinner noch.

Noch liegen dicke Wolkenbänder um die Berge an der Küste

Das Wetter klärte sich mehr und mehr auf und die tiefhängenden, sich auflösenden Wolken zauberten im Licht der untergehenden Sonne ein wahres Kaleidoskop an Farben in den Himmel. So schaute es auf Seeseite aus, während sich an der Küste die Wolken an die Felsmassive klammerten. Manchmal wirkten sie wie ein graues Tuch um den Hals eines Dinosauriers.


Der Küstenstreifen bei Skjervøy ist von Bergen umgeben

Skjervøy ist ein kleiner Ort mit einer sehr schönen Kirche. An- und ablegen benötigen beinahe mehr Zeit als der gesamte Aufenthalt. Wahrscheinlich hätte er überhaupt keine Erwähnung gefunden, wenn wenig später nicht dass eingetreten wäre, worauf wir beinahe drei Tage hatten warten müssen. Die Wolken lösten sich immer rascher auf und die Mitternachtssonne tauchte das Meer in goldene Töne.
Die Wolken lösen sich langsam aber stetig auf

Eine Stunde bevor wir Øksfjord erreichten, hatte die Sonne ihren tiefsten Stand über dem Meer. Die auflösenden Wolken bildeten reizvolle Kontraste. Gerade dieser Reiseabschnitt war offen zum Meer. Es gab keine Schären oder Inseln, die zusätzliche Kontraste geboten hätten.


Kirche von Skjervøy

Die wenigsten Menschen an Bord erlebten diesen nordischen Zauber. Die meisten von ihnen lagen eine Stunde nach Mitternacht längst in ihren Kajüten und träumten wahrscheinlich von der Mitternachtssonne.
So wie die Österreicher, mit denen ich in Skjervøy noch einige Worte gewechselt hatte. Sie waren der Ansicht das Wetter würde sich nicht mehr ändern. Das sagte ihnen ihre Erfahrung. Nur gut, dass ich da meine eigenen Erfahrungen habe.

Nach drei Tagen Abwesenheit zeigt sich die Sonne noch vor Mitternacht

In Tromsø war eine Gruppe Tschechen zugestiegen. Sechs Männer, die schon beim Dinner unangenehm aufgefallen waren. Für ein Foto vom gedeckten Tisch wurden andere Gäste kurzerhand zur Seite geschoben. Auf dem Oberdeck zeigten sie ein ähnliches Verhalten. Obwohl mehr als genug Platz war, rempelten sie andere Mitreisende einfach weg, um sich deren Platz zu nehmen, oder um ein gutes Foto zu machen.

Grund genug noch etwas länger auf Deck zu bleiben

Liebe Tschechen, habt ihr es mal mit Bitten oder Fragen versucht? – Das wirkt manchmal Wunder und erspart so manchen Ärger. Dieser folgte einen Tag später durch eine Ermahnung des Restaurant- Chefs. Nun aber genug davon und, so leid es mir tut, auch von der Mitternachtssonne. Gute Nacht!

... während die meisten diesen Moment verschlafen

Das darf doch nicht wahr sein! Ich hatte doch tatsächlich den Wecker überhört. Hammerfest liegt seit fast drei Stunden hinter uns und Havøysund direkt vor unserer Nase. Noch während ich schneller als sonst für das körperliche Wohl sorgte, das Frühstück wartet auch nicht ewig, zog der Windradpark an uns vorbei und das Schiff legte im Hafen an.

Am nächsten Morgen in Havøysund

Immerhin gelang es mir bei der Abfahrt noch einige Eindrücke zu sammeln. Bilder, die kaum in Worte zu fassen sind, begegneten mir. Der Himmel hatte den grauen Wolkenmantel abgelegt und leuchtete im schönsten Azur. Beim anschließenden Sonnenbad auf dem Oberdeck brauchten wir, die empfindlichen Wesen aus Fleisch und Blut, wohl eine wärmende Jacke und Wolldecken, um die Beine zu wärmen. Denn der eisige Wind schien direkt vom Nordpol zu kommen. Doch wurden wir von zarten Sonnenstrahlen gestreichelt. So sehr, dass uns wohlige Schauer über die Rücken liefen. Ein wunderbares Gefühl das alles andere vergessen ließ.

Ausfahrt aus der schmalen Bucht von Havøysund

Drei Tage ohne Sonnenstrahlen, das machte geradezu süchtig. Im Rausch der Wärme verfalle ich der Versuchung des Selbstportraits obwohl ich Bilder meiner selbst überhaupt nicht mag. Ich erspare euch meinen Anblick an dieser Stelle.
Während ich das Sonnenbad genoss näherten wir und der Insel Magerøy und somit Honningsvåg.



Landschaft bei Finnvika









Sonntag, 18. Oktober 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 10. Teil 2 - Feuchte Nasen

Feuchte Nasen

Mit mir hatten sich noch etwa zwanzig Personen für diese Tour entschieden. Fahrzeit eine knappe halbe Stunde. Unser Busfahrer war von der ganz schweigsamen Sorte und wurde von seinem Enkel begleitet. Die Insel Kvaløya ist über die RV 862 zu erreichen und wenn man dieser Straße folgt ist das Villmarkssenter überhaupt nicht zu verfehlen. Ein großes Schild deutet rechtzeitig den Weg. Natürlich kann ich nicht sagen ob man auch unangemeldet dort einkehren darf, das sollte vor Ort geklärt werden. Andererseits sind die Norweger für ihre Gastfreundschaft bekannt.

Huskygespann im Villmarkssenter auf der Insel Kvaløya

Wir waren angemeldet und die Chefin persönlich nahm uns in Empfang. Eine kurze Vorstellung und einige Worte zum Ablauf des Besuches und dann warteten auch schon die vierbeinigen Stars mit ihren feuchten Nasen auf uns.
Die Kontaktaufnahme erfolgte zunächst zögerlich. Immerhin zählen Huskys nicht zur kleinsten Gattung Hunde. „Ihr könnt die Hunde ruhig streicheln, die tun euch nichts“, ermunterte uns die Besitzerin und damit war der Bann gebrochen. Während wir die Tiere bewunderten, kraulten und fotografierten und das alles zugleich, gab uns die Züchterin eine erste Lektion für kommende Musher. „Say ha and the dogs goes right. Say gi, and she goes left”, erklärte sie uns die international gültigen Kommandos.


Starke Charakter mit blauen Augen

Der etwa neunjährige Sohn zeigte uns anschließend um was für wesensstarke Tiere es sich bei den Huskys handelt. Er tobte mit ihnen, rollte sich über den Boden, lag teilweise unter ihnen und packte ihnen dabei ins Maul. Die Tiere zeigten nicht den Hauch einer Spur die Situation ausnutzen zu wollen. Diese große Toleranz erinnerte mich an meinen Chow Chow, der vor vielen Jahren für lange Zeit mein Begleiter war. Eigenwillig, manchmal stur aber immer absolut zuverlässig und kein bisschen bösartig.
Bei einem sehr verspielten einjährigen Rüden konnte ich dann selber erfahren, dass die Tiere sich selbst im Spiel nicht vergessen. Mehr als einmal umfasste ich mit der Hand sein Maul oder packte hinein. Natürlich spürte ich die Zähne, aber an zubeißen dachte das Tier gar nicht.


Bei so vielen Menschen zeigen auch große Hunde schon mal Furcht (hängende Ohren)

Nun wird der ein oder andere vielleicht sagen, wenn er die Bilder sieht, die Hunde sind ja angekettet. Das stimmt, aber wie wollen sie 150 Tiere sonst halten? – Ich kann euch versichern, die Tiere bekommen ihren Auslauf, wahrscheinlich mehr als so mancher Schoßhund. Und das nicht nur wenn sie vor dem Schlitten gespannt werden.

Der kommende Star, der einjährige "Mr. Blueeye"

Nachdem wir uns schon kaum von den erwachsenen oder halbwüchsigen Tieren trennen konnten, ging es nun auch noch zu den „valps“ wie die Norweger sagen. Wenige Wochen alt mit samtweichen wuscheligem Fell. Kein Wunder, dass die Hundemamas jede unsere Bewegungen mit Argusaugen verfolgten. Dabei waren ihre Blicke keineswegs bösartig oder aggressiv. In diese kleinen Wollknäuel konnte man sich aber auch wirklich verlieben, da erging es mir nicht anders als den übrigen Gästen. Doch wenn du dann in die traurigen Augen der Hundemamas schaust, dann gibst du die Welpen gerne wieder in ihre Obhut. Kaum dass ihre fünf Racker wieder unter ihre Fittiche waren trat ein Ausdruck von Erleichterung und vielleicht auch Dankbarkeit in ihre schönen braunen Augen. Ja, auch Tiere können Gefühle zeigen!


Da wollen diese Wollknäuel erst noch hin

Inzwischen lief die Zeit davon und unsere Gastgeberin musste uns beinahe einzeln zur Filmvorführung bringen. Warum war ich diesmal nur der Letzte?
Der Film war nicht irgendein Kitsch oder Werbung für die Zucht. Vielmehr erzählte er in fantastischen Bildern und sehr guter Kameraführung über das Leben als Musher beim härtesten europäischen Hundeschlittenrennen. Es findet alljährlich im hohen Norden von Norwegen statt und führt von Alta nach Kirkenes und zurück. Sage und schreibe tausend Kilometer, die innerhalb von sieben Tagen gefahren werden. Dieser Track fordert absolute Disziplin von Mensch und Tier. Die Schlitten werden von bis zu vierzehn Tieren gezogen. Nicht weiter verwunderlich wenn man die Regeln kennt, die besagen, dass keines der Tiere ausgetauscht werden darf und der Schlitten das Ziel mit mindestens sechs Hunden erreichen muss. Keine leichte Aufgabe bei Witterungsverhältnissen, die sich im Minutentakt schlagartig ändern können. Vierzig Grad Temperaturschwankungen, Schneestürme oder plötzlich einsetzender Regen sind im März keine Seltenheit in dieser Region.

Toben mit Welpen unter Aufsicht der Hundemama

„Die Hunde“, so erklärt uns unsere Gastgeberin, „bekommen in der Zeit mehr Ruhe und Schlaf als der Musher. Wenn der Checkpoint erreicht ist musst du den Tieren das Fressen bereiten und aufwärmen. Du musst ihnen die Socken wechseln, von denen du 600 Paar mit dir führst, für ein einziges Rennen. Ihr Fell muss von Schnee und Eis befreit werden. Du musst ihnen das Essen aufwärmen und sie mit frischem Wasser versorgen. Und erst wenn das alles erledigt ist kannst du dich schlafen legen. Meist bleiben dir kaum mehr als zwei Stunden, die du in voller Montur verbringst. Doch wenn du das Ziel dann erreicht hast, deine Tiere alle wohl auf sind, dann ist das ein wunderbares Gefühl.

So ein Menschenbesuch ist ganz schön anstrengend und macht müde

Seit zehn Jahren fahren sie und ihr Mann schon dieses Rennen. In Konkurrenz, dass heißt jeder von ihnen tritt mit einem eigenen Gespann an. In diesem Jahr sind sie neunter und zehnter geworden. Und für das kommende Jahr haben sie sich für das härteste Hundeschlittenrennen der Welt angemeldet. Yukon, 1800 Kilometer durch Alaskas Schneewüsten.

Wir stärken uns mit heißem Kaffee und Gebäck

Nach der Filmvorführung gab es noch Kaffee und Kuchen in einem samischen Luvvo. Das frisch entzündete Birkenfeuer verbreitete eine wohlige Atmosphäre und der Kaffee kam nach alter samischer Sitte direkt aus dem Kessel.


Auf dem Rückweg, die Kvalsøya- Brücke, ganz aus Holz gefertigt

Irgendwann fällt man immer auf und sei es nur deswegen, dass man so eifrig fotografiert. Die Schweizer Gruppe bittet mich als erstes darum sie auf den digitalen Chip zu bannen. Dabei ist es wichtig, dass das Birkenfeuer im Vordergrund zu sehen ist. Gerne kam ich dieser Bitte nach und am Ende hatte ich so an die fünfzehn Kameras nacheinander in der Hand gehabt.
Schöne Dinge haben die Angewohnheit schnell zu vergehen. Nach zwei Stunden hieß es wieder Abschied nehmen. Ich bedankte mich für die Gastfreundschaft und wünschte ihnen alles Gute und viel Glück für ihr geplantes Unternehmen.
Der Bus wartete schon auf uns und es ging zurück nach Tromsø.

und ein Piratenschiff auf Trockendock









Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 10. Teil 1 - Nordische Fata Morgana

Nordische Fata Morgana

Während ich meinen Augen die wohlverdiente Ruhe gönnte zogen Sortland und Risøyhamn ungesehen vorbei. Der geneigte Norwegenfreund möge mir diese Schwäche verzeihen. Ich kam gerade noch rechtzeitig an Deck um einen Blick auf Harstad werfen zu können. Eine große Freude war das nicht. Die grauen Wolken hingen bleischwer über der kleinen Stadt. Die Holzhäuser duckten sich unter der Last und mir war, als hörte ich den ein oder anderen Dachbalken ächzen. Mir kam die Frage in den Sinn: „Woher haben die Götter des Regens nur so viele Wolken?“ – Nachdem was sich hier in Norwegen zusammen gefunden hatte müsste die übrige Welt wolkenlos sein. Hier verursachten sie jedenfalls einen Megastau und das nicht nur hintereinander. Nein, nebeneinander, übereinander, durcheinander! Also erst einmal frühstücken.

Brücke bei Stomarknes

Gemächlich glitt unser Schiff durch den Solbergfjord unserem nächstes Ziel Finnsnes entgegen.. Direkt gegenüber liegt Norwegens zweitgrößte Insel Senja. Hier und da begleiteten uns kleine Segelschiffe, deren Kapitäne das Schmuddelwetter nicht von ihren Freuden abhalten konnte.

Stokmarknes weit nach Mitternacht

Der Aufenthalt war nur von kurzer Dauer. Wenig später legten wir wieder ab und setzten unseren Weg fort. Einmal mehr genoss ich dieses sanfte dahingleiten vom Außendeck unseres Schiffes. Gegen Wind und Kälte war ich geschützt und die Wolken behielten ihre feuchte Fracht bei sich. Ganz langsam machte sich eine Veränderung bemerkbar. Und ich konnte es nur feststellen weil ich dort war wo ich war, auf dem Außendeck. Insgeheim fragte ich mich ob ich träumte oder gerade so etwas wie einer Fata Morgana begegnete, wie dem Dürstenden in der Wüste? - Dem war nicht so. Uns Regen gebeutelten Küstenkreuzfahrern zeigten sich tatsächlich einige zaghafte Sonnenstrahlen, die sich durch die dicke Wolkendecke zu uns verirrt hatten. Nur ganz kurz, viel zu kurz um wahr zu sein. Ich blieb noch einige Zeit an Deck in der Hoffnung einer Wiederholung, die dann nicht folgte.

Segelschiffe bei Finnsnes

Weiter fuhren wir durch den Gisund und in den Tromsfjord. Tromsø war die nächste Stadt mit längerem Aufenthalt. Immerhin war der bildermordende Dunst verschwunden. Das grün der Wiesen wirkte frisch und rein, die Luft war würzig und auch nicht mehr so kühl, wie in den Tagen zuvor. Wenig später tauchte das futuristische Gebäude, welches aussieht wie umgekippte weiße Dominosteine, zur Linken auf während rechts bereits die Eismeer- Kathedrale sichtbar wurde. Zeit, dass ich mich für den nächsten Landgang und Ausflug bereit machte.
Zwei Touren standen für Tromsø zur Verfügung, eine Stadtbesichtigung oder aber der Besuch des Villmarkssenters auf Kvaløya. Die Stadt kannte ich schon von meinen früheren Touren also kam für mich nur die Huskyfarm in Frage.

Siehe nächstes Kapitel!

Insel Senja

Nach der Ankunft in Tromsø blieb noch etwas Zeit einige Impressionen der Stadt mitzunehmen. Obgleich ich vor fünf Jahren schon einmal hier war, gab es doch immer noch Neues zu entdecken. So wie die kleinen Kioske aus dem vorletzten Jahrhundert. Jener in der City wird auch heute noch als solcher benutzt, während der im Hafen nur noch als eine Art Denkmal fungiert. Ein weiteres Denkmal, das von Asmussen steht gleich beim Hurtigrutenkai. Die Hafenhäuser mit ihren überstehenden Erkern hinter denen sich Lastenkräne verbergen sind ebenfalls sehenswert. Eines von ihnen, das rot getünchte, beherbergt heute das Polarmuseum.

Auf dem Weg nach Tromsø. Fischerboot vor Bergkulisse

Die milden Temperaturen hatten etliche Segler auf den Fjord getrieben, von denen einige wieder heimkehrten. Aber nicht nur Einheimische hatten hier ihre Schiffe liegen, auch die deutsche Flagge war oft vertreten.
Natürlich durften auch die fliegenden Händler nicht fehlen. Unwissende scheint es ja genug zu geben, denen man „echte Norweger, Made in Taiwan oder China andrehen kann. Ich kann allen nur den guten Rat geben, kauft euch norwegische Strickwaren in einem Fachgeschäft. Hier bezahlt ihr zwar etwas mehr, bekommt aber eine ordentliche Quittung und bei der Ausreise auch noch ein paar Euro ersetzt (Duty Free). Aber was viel wichtiger ist, ihr habt viele Jahre Freude an der Ware!

Tromsø, die alten Speicherhäuser

Dann wurde es auch schon wieder Zeit an Bord zu gehen. Hurtigrutenschiffe warten bekanntlich nicht. Im Gegensatz zu uns wollte die „van Gogh“, ein russisches Kreuzfahrtschiff noch etwas im Hafen verweilen.

Ein Kiosk

Noch während sich das Schiff langsam von der Stadt entfernt, kursiert das Gerücht ein blinder Passagier sei an Bord. Sollten die Kontrollen diesmal versagt haben? Wenig später wird das Gerücht bestätigt und der Kapitän des Schiffes bekundet, dass dieser Einschleicher willkommen sei. Wie soll das denn nun wieder verstanden werden? Die Aufklärung erfolgte wenig später, als der Kapitän zur Polarkreistaufe bittet. Der blinde Passagier entpuppte sich als Neptun, Herrscher über die Tiefen der Meere. Er höchst persönlich sollte die Taufe durchführen. Ich begab mich an den Ort der Geschehnisse, um der Zeremonie beizuwohnen. Etwas überrascht stellte ich fest, dass der große Panoramasaal nur spärlich gefüllt war. Fürchteten sich die Passagiere etwa vor unserem Gast?

Das Nordlicht- Observatorium

Neptun erwies sich als etwas eigenwillig und so forderte uns der Kapitän auf, laut: "King Neptun, come in!", zu rufen. Das erste Mal ging ordentlich in die Hosen und so mussten wir ihn ein zweites Mal auffordern. Der Chor der Rufer war nicht wirklich überzeugend und ich überlegte schon, ob Neptun sich vielleicht mit einem der Rettungsboote davonstehlen würde. Doch dann öffnete sich eine Tür und eine grüne Gestalt mit grimmigem Gesichtsausdruck erschien.

Die Ricard With gut verzurrt

Der erste Täufling war zugleich der Gewinner einer Schätzfrage. Es sollte die möglichst genaue Uhrzeit der Polarkreisüberschreitung genannt werden. Es war einem Deutschen gelungen, die Zeit auf die Sekunde genau zu schätzen. Nur zögerlich unterwarfen sich die Reisenden dieser Handlung, was ich nun gar nicht verstehen konnte. War es nun das Eiswasser, das Neptun jedem einzelnen in den Nacken kippte, oder die Tatsache fortan zu seiner großen Familie zu gehören? Keine Ahnung, war mir auch egal, ich ließ mich von Neptun taufen. Wer weiß wofür das mal gut ist. Vom Kapitän gab es einen Händedruck, eine Urkunde und als Entschädigung einen Aperitif.


Eismeer- Kathedrale und Fischerboot

Nach und nach tauten die Anwesenden dann doch auf und unser Gast bekam alle Hände voll zu tun. Das auch Neptun seinen Spaß haben konnte bewies er damit, wie er dem ein oder anderen das Eiswasser verabreichte. Mal entleerte er die Kelle kurzerhand über dem Schopf des Taufopfers oder er schüttete es mit Schwung in den Nacken, so dass selbst der verlängerte Rücken noch feucht wurde. Was dem einen peinlich, trieb dem anderen die Lachtränen in die Augen. Und nicht wenige mussten sich nach der Prozedur erst einmal umziehen. So ist das, wenn jeder etwas anderes unter Humor versteht.

Eismeer- Kathedrale mit Baugerüst

Weiter ging es Richtung Norden. Schon morgen wurde der nördlichste Punkt erreicht. Das Wetter war freundlicher geworden und ich fragte mich ob Neptun wohl Einfluss auf den Regengott hatte. Ob dem so war erfahrt ihr in der übernächsten Ausgabe.

Polartaufe mit Neptun