Sonntag, 18. Oktober 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 10. Teil 2 - Feuchte Nasen

Feuchte Nasen

Mit mir hatten sich noch etwa zwanzig Personen für diese Tour entschieden. Fahrzeit eine knappe halbe Stunde. Unser Busfahrer war von der ganz schweigsamen Sorte und wurde von seinem Enkel begleitet. Die Insel Kvaløya ist über die RV 862 zu erreichen und wenn man dieser Straße folgt ist das Villmarkssenter überhaupt nicht zu verfehlen. Ein großes Schild deutet rechtzeitig den Weg. Natürlich kann ich nicht sagen ob man auch unangemeldet dort einkehren darf, das sollte vor Ort geklärt werden. Andererseits sind die Norweger für ihre Gastfreundschaft bekannt.

Huskygespann im Villmarkssenter auf der Insel Kvaløya

Wir waren angemeldet und die Chefin persönlich nahm uns in Empfang. Eine kurze Vorstellung und einige Worte zum Ablauf des Besuches und dann warteten auch schon die vierbeinigen Stars mit ihren feuchten Nasen auf uns.
Die Kontaktaufnahme erfolgte zunächst zögerlich. Immerhin zählen Huskys nicht zur kleinsten Gattung Hunde. „Ihr könnt die Hunde ruhig streicheln, die tun euch nichts“, ermunterte uns die Besitzerin und damit war der Bann gebrochen. Während wir die Tiere bewunderten, kraulten und fotografierten und das alles zugleich, gab uns die Züchterin eine erste Lektion für kommende Musher. „Say ha and the dogs goes right. Say gi, and she goes left”, erklärte sie uns die international gültigen Kommandos.


Starke Charakter mit blauen Augen

Der etwa neunjährige Sohn zeigte uns anschließend um was für wesensstarke Tiere es sich bei den Huskys handelt. Er tobte mit ihnen, rollte sich über den Boden, lag teilweise unter ihnen und packte ihnen dabei ins Maul. Die Tiere zeigten nicht den Hauch einer Spur die Situation ausnutzen zu wollen. Diese große Toleranz erinnerte mich an meinen Chow Chow, der vor vielen Jahren für lange Zeit mein Begleiter war. Eigenwillig, manchmal stur aber immer absolut zuverlässig und kein bisschen bösartig.
Bei einem sehr verspielten einjährigen Rüden konnte ich dann selber erfahren, dass die Tiere sich selbst im Spiel nicht vergessen. Mehr als einmal umfasste ich mit der Hand sein Maul oder packte hinein. Natürlich spürte ich die Zähne, aber an zubeißen dachte das Tier gar nicht.


Bei so vielen Menschen zeigen auch große Hunde schon mal Furcht (hängende Ohren)

Nun wird der ein oder andere vielleicht sagen, wenn er die Bilder sieht, die Hunde sind ja angekettet. Das stimmt, aber wie wollen sie 150 Tiere sonst halten? – Ich kann euch versichern, die Tiere bekommen ihren Auslauf, wahrscheinlich mehr als so mancher Schoßhund. Und das nicht nur wenn sie vor dem Schlitten gespannt werden.

Der kommende Star, der einjährige "Mr. Blueeye"

Nachdem wir uns schon kaum von den erwachsenen oder halbwüchsigen Tieren trennen konnten, ging es nun auch noch zu den „valps“ wie die Norweger sagen. Wenige Wochen alt mit samtweichen wuscheligem Fell. Kein Wunder, dass die Hundemamas jede unsere Bewegungen mit Argusaugen verfolgten. Dabei waren ihre Blicke keineswegs bösartig oder aggressiv. In diese kleinen Wollknäuel konnte man sich aber auch wirklich verlieben, da erging es mir nicht anders als den übrigen Gästen. Doch wenn du dann in die traurigen Augen der Hundemamas schaust, dann gibst du die Welpen gerne wieder in ihre Obhut. Kaum dass ihre fünf Racker wieder unter ihre Fittiche waren trat ein Ausdruck von Erleichterung und vielleicht auch Dankbarkeit in ihre schönen braunen Augen. Ja, auch Tiere können Gefühle zeigen!


Da wollen diese Wollknäuel erst noch hin

Inzwischen lief die Zeit davon und unsere Gastgeberin musste uns beinahe einzeln zur Filmvorführung bringen. Warum war ich diesmal nur der Letzte?
Der Film war nicht irgendein Kitsch oder Werbung für die Zucht. Vielmehr erzählte er in fantastischen Bildern und sehr guter Kameraführung über das Leben als Musher beim härtesten europäischen Hundeschlittenrennen. Es findet alljährlich im hohen Norden von Norwegen statt und führt von Alta nach Kirkenes und zurück. Sage und schreibe tausend Kilometer, die innerhalb von sieben Tagen gefahren werden. Dieser Track fordert absolute Disziplin von Mensch und Tier. Die Schlitten werden von bis zu vierzehn Tieren gezogen. Nicht weiter verwunderlich wenn man die Regeln kennt, die besagen, dass keines der Tiere ausgetauscht werden darf und der Schlitten das Ziel mit mindestens sechs Hunden erreichen muss. Keine leichte Aufgabe bei Witterungsverhältnissen, die sich im Minutentakt schlagartig ändern können. Vierzig Grad Temperaturschwankungen, Schneestürme oder plötzlich einsetzender Regen sind im März keine Seltenheit in dieser Region.

Toben mit Welpen unter Aufsicht der Hundemama

„Die Hunde“, so erklärt uns unsere Gastgeberin, „bekommen in der Zeit mehr Ruhe und Schlaf als der Musher. Wenn der Checkpoint erreicht ist musst du den Tieren das Fressen bereiten und aufwärmen. Du musst ihnen die Socken wechseln, von denen du 600 Paar mit dir führst, für ein einziges Rennen. Ihr Fell muss von Schnee und Eis befreit werden. Du musst ihnen das Essen aufwärmen und sie mit frischem Wasser versorgen. Und erst wenn das alles erledigt ist kannst du dich schlafen legen. Meist bleiben dir kaum mehr als zwei Stunden, die du in voller Montur verbringst. Doch wenn du das Ziel dann erreicht hast, deine Tiere alle wohl auf sind, dann ist das ein wunderbares Gefühl.

So ein Menschenbesuch ist ganz schön anstrengend und macht müde

Seit zehn Jahren fahren sie und ihr Mann schon dieses Rennen. In Konkurrenz, dass heißt jeder von ihnen tritt mit einem eigenen Gespann an. In diesem Jahr sind sie neunter und zehnter geworden. Und für das kommende Jahr haben sie sich für das härteste Hundeschlittenrennen der Welt angemeldet. Yukon, 1800 Kilometer durch Alaskas Schneewüsten.

Wir stärken uns mit heißem Kaffee und Gebäck

Nach der Filmvorführung gab es noch Kaffee und Kuchen in einem samischen Luvvo. Das frisch entzündete Birkenfeuer verbreitete eine wohlige Atmosphäre und der Kaffee kam nach alter samischer Sitte direkt aus dem Kessel.


Auf dem Rückweg, die Kvalsøya- Brücke, ganz aus Holz gefertigt

Irgendwann fällt man immer auf und sei es nur deswegen, dass man so eifrig fotografiert. Die Schweizer Gruppe bittet mich als erstes darum sie auf den digitalen Chip zu bannen. Dabei ist es wichtig, dass das Birkenfeuer im Vordergrund zu sehen ist. Gerne kam ich dieser Bitte nach und am Ende hatte ich so an die fünfzehn Kameras nacheinander in der Hand gehabt.
Schöne Dinge haben die Angewohnheit schnell zu vergehen. Nach zwei Stunden hieß es wieder Abschied nehmen. Ich bedankte mich für die Gastfreundschaft und wünschte ihnen alles Gute und viel Glück für ihr geplantes Unternehmen.
Der Bus wartete schon auf uns und es ging zurück nach Tromsø.

und ein Piratenschiff auf Trockendock









Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 10. Teil 1 - Nordische Fata Morgana

Nordische Fata Morgana

Während ich meinen Augen die wohlverdiente Ruhe gönnte zogen Sortland und Risøyhamn ungesehen vorbei. Der geneigte Norwegenfreund möge mir diese Schwäche verzeihen. Ich kam gerade noch rechtzeitig an Deck um einen Blick auf Harstad werfen zu können. Eine große Freude war das nicht. Die grauen Wolken hingen bleischwer über der kleinen Stadt. Die Holzhäuser duckten sich unter der Last und mir war, als hörte ich den ein oder anderen Dachbalken ächzen. Mir kam die Frage in den Sinn: „Woher haben die Götter des Regens nur so viele Wolken?“ – Nachdem was sich hier in Norwegen zusammen gefunden hatte müsste die übrige Welt wolkenlos sein. Hier verursachten sie jedenfalls einen Megastau und das nicht nur hintereinander. Nein, nebeneinander, übereinander, durcheinander! Also erst einmal frühstücken.

Brücke bei Stomarknes

Gemächlich glitt unser Schiff durch den Solbergfjord unserem nächstes Ziel Finnsnes entgegen.. Direkt gegenüber liegt Norwegens zweitgrößte Insel Senja. Hier und da begleiteten uns kleine Segelschiffe, deren Kapitäne das Schmuddelwetter nicht von ihren Freuden abhalten konnte.

Stokmarknes weit nach Mitternacht

Der Aufenthalt war nur von kurzer Dauer. Wenig später legten wir wieder ab und setzten unseren Weg fort. Einmal mehr genoss ich dieses sanfte dahingleiten vom Außendeck unseres Schiffes. Gegen Wind und Kälte war ich geschützt und die Wolken behielten ihre feuchte Fracht bei sich. Ganz langsam machte sich eine Veränderung bemerkbar. Und ich konnte es nur feststellen weil ich dort war wo ich war, auf dem Außendeck. Insgeheim fragte ich mich ob ich träumte oder gerade so etwas wie einer Fata Morgana begegnete, wie dem Dürstenden in der Wüste? - Dem war nicht so. Uns Regen gebeutelten Küstenkreuzfahrern zeigten sich tatsächlich einige zaghafte Sonnenstrahlen, die sich durch die dicke Wolkendecke zu uns verirrt hatten. Nur ganz kurz, viel zu kurz um wahr zu sein. Ich blieb noch einige Zeit an Deck in der Hoffnung einer Wiederholung, die dann nicht folgte.

Segelschiffe bei Finnsnes

Weiter fuhren wir durch den Gisund und in den Tromsfjord. Tromsø war die nächste Stadt mit längerem Aufenthalt. Immerhin war der bildermordende Dunst verschwunden. Das grün der Wiesen wirkte frisch und rein, die Luft war würzig und auch nicht mehr so kühl, wie in den Tagen zuvor. Wenig später tauchte das futuristische Gebäude, welches aussieht wie umgekippte weiße Dominosteine, zur Linken auf während rechts bereits die Eismeer- Kathedrale sichtbar wurde. Zeit, dass ich mich für den nächsten Landgang und Ausflug bereit machte.
Zwei Touren standen für Tromsø zur Verfügung, eine Stadtbesichtigung oder aber der Besuch des Villmarkssenters auf Kvaløya. Die Stadt kannte ich schon von meinen früheren Touren also kam für mich nur die Huskyfarm in Frage.

Siehe nächstes Kapitel!

Insel Senja

Nach der Ankunft in Tromsø blieb noch etwas Zeit einige Impressionen der Stadt mitzunehmen. Obgleich ich vor fünf Jahren schon einmal hier war, gab es doch immer noch Neues zu entdecken. So wie die kleinen Kioske aus dem vorletzten Jahrhundert. Jener in der City wird auch heute noch als solcher benutzt, während der im Hafen nur noch als eine Art Denkmal fungiert. Ein weiteres Denkmal, das von Asmussen steht gleich beim Hurtigrutenkai. Die Hafenhäuser mit ihren überstehenden Erkern hinter denen sich Lastenkräne verbergen sind ebenfalls sehenswert. Eines von ihnen, das rot getünchte, beherbergt heute das Polarmuseum.

Auf dem Weg nach Tromsø. Fischerboot vor Bergkulisse

Die milden Temperaturen hatten etliche Segler auf den Fjord getrieben, von denen einige wieder heimkehrten. Aber nicht nur Einheimische hatten hier ihre Schiffe liegen, auch die deutsche Flagge war oft vertreten.
Natürlich durften auch die fliegenden Händler nicht fehlen. Unwissende scheint es ja genug zu geben, denen man „echte Norweger, Made in Taiwan oder China andrehen kann. Ich kann allen nur den guten Rat geben, kauft euch norwegische Strickwaren in einem Fachgeschäft. Hier bezahlt ihr zwar etwas mehr, bekommt aber eine ordentliche Quittung und bei der Ausreise auch noch ein paar Euro ersetzt (Duty Free). Aber was viel wichtiger ist, ihr habt viele Jahre Freude an der Ware!

Tromsø, die alten Speicherhäuser

Dann wurde es auch schon wieder Zeit an Bord zu gehen. Hurtigrutenschiffe warten bekanntlich nicht. Im Gegensatz zu uns wollte die „van Gogh“, ein russisches Kreuzfahrtschiff noch etwas im Hafen verweilen.

Ein Kiosk

Noch während sich das Schiff langsam von der Stadt entfernt, kursiert das Gerücht ein blinder Passagier sei an Bord. Sollten die Kontrollen diesmal versagt haben? Wenig später wird das Gerücht bestätigt und der Kapitän des Schiffes bekundet, dass dieser Einschleicher willkommen sei. Wie soll das denn nun wieder verstanden werden? Die Aufklärung erfolgte wenig später, als der Kapitän zur Polarkreistaufe bittet. Der blinde Passagier entpuppte sich als Neptun, Herrscher über die Tiefen der Meere. Er höchst persönlich sollte die Taufe durchführen. Ich begab mich an den Ort der Geschehnisse, um der Zeremonie beizuwohnen. Etwas überrascht stellte ich fest, dass der große Panoramasaal nur spärlich gefüllt war. Fürchteten sich die Passagiere etwa vor unserem Gast?

Das Nordlicht- Observatorium

Neptun erwies sich als etwas eigenwillig und so forderte uns der Kapitän auf, laut: "King Neptun, come in!", zu rufen. Das erste Mal ging ordentlich in die Hosen und so mussten wir ihn ein zweites Mal auffordern. Der Chor der Rufer war nicht wirklich überzeugend und ich überlegte schon, ob Neptun sich vielleicht mit einem der Rettungsboote davonstehlen würde. Doch dann öffnete sich eine Tür und eine grüne Gestalt mit grimmigem Gesichtsausdruck erschien.

Die Ricard With gut verzurrt

Der erste Täufling war zugleich der Gewinner einer Schätzfrage. Es sollte die möglichst genaue Uhrzeit der Polarkreisüberschreitung genannt werden. Es war einem Deutschen gelungen, die Zeit auf die Sekunde genau zu schätzen. Nur zögerlich unterwarfen sich die Reisenden dieser Handlung, was ich nun gar nicht verstehen konnte. War es nun das Eiswasser, das Neptun jedem einzelnen in den Nacken kippte, oder die Tatsache fortan zu seiner großen Familie zu gehören? Keine Ahnung, war mir auch egal, ich ließ mich von Neptun taufen. Wer weiß wofür das mal gut ist. Vom Kapitän gab es einen Händedruck, eine Urkunde und als Entschädigung einen Aperitif.


Eismeer- Kathedrale und Fischerboot

Nach und nach tauten die Anwesenden dann doch auf und unser Gast bekam alle Hände voll zu tun. Das auch Neptun seinen Spaß haben konnte bewies er damit, wie er dem ein oder anderen das Eiswasser verabreichte. Mal entleerte er die Kelle kurzerhand über dem Schopf des Taufopfers oder er schüttete es mit Schwung in den Nacken, so dass selbst der verlängerte Rücken noch feucht wurde. Was dem einen peinlich, trieb dem anderen die Lachtränen in die Augen. Und nicht wenige mussten sich nach der Prozedur erst einmal umziehen. So ist das, wenn jeder etwas anderes unter Humor versteht.

Eismeer- Kathedrale mit Baugerüst

Weiter ging es Richtung Norden. Schon morgen wurde der nördlichste Punkt erreicht. Das Wetter war freundlicher geworden und ich fragte mich ob Neptun wohl Einfluss auf den Regengott hatte. Ob dem so war erfahrt ihr in der übernächsten Ausgabe.

Polartaufe mit Neptun











Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 9. Teil 2 – Lofoten und Magic Ice

Lofoten und Magic Ice

Nachdem alle Ausflügler wieder pünktlich an Bord waren stach unser Schiff in See. Und das ist wörtlich zu verstehen, denn nun ging es hinüber zu den Lofoten. Vier Stunden sollte die Überfahrt dauern, genügend Zeit für ein letztes Gespräch mit dem Berliner Paar. In Stamsund, der ersten Station auf den Lofoten, werden sie ihre Reise mit dem Hurtigruten- Schiff beenden.
Auf halber Strecke war die Gebirgskette der Inseln bereits auszumachen. Es hatte den Anschein als ob das Wetter draußen auf See etwas klarer war. Auf jeden Fall war es mal trocken. Wie sagte einer der Mitreisenden beim Blick über die Reling: „Das Beste seit zwei Tagen.“

Anfahrt auf Stamsund

Als wir Stamsund erreicht hatten relativierte sich diese Aussage. Auch hier überall tiefhängende Wolken, die vor nicht allzu langer Zeit ihre feuchte Fracht abgelassen hatten. Der Aufenthalt war nur kurz. Ein Großteil der Passagiere beendete hier die Fahrt. Überhaupt herrscht auf den Schiffen der Hurtigrute ein Kommen und Gehen. Das gilt für Menschen wie für die Güter, die auch heute noch befördert werden.



Stamsund Hafen, gerade groß genug für ein Hurtigrutenschiff

Das nächste Ziel hieß Svolvær. Die Fahrzeit verbrachte ich im Restaurant. Das Thema Lofoten vom Meer gesehen war abgehakt. Der Aufenthalt in der Hauptstadt der Inselgruppe betrug eine Stunde. Das Kriegsmuseum und das „Magic ice“ waren bis 22:00 Uhr geöffnet, wie uns der Reiseleiter kurz vor der Ankunft mitteilte. Eigentlich wollte ich mir nur die Beine vertreten, doch dann machte mich dieses „Magic ice“ doch neugierig. Eisskulpturen sollten hier zu bewundern sein. Jene in Jukkasjärvi (Schweden) hatten mich vor drei Jahren beeindruckt. Nun wollte ich wissen ob das auch hier der Fall war.


Irgendwo hinter dem Grau liegt Henningsvær

Das Gebäude, in dem die Skulpturen untergebracht waren, überzeugte nicht. Ein nicht mehr genutztes Kühlhaus, dazu die Öffnungszeiten auf die Hurtigrute abgestimmt, deuteten mehr auf eine zusätzliche Einnahmequelle, denn einer wirklichen Attraktion hin. Aber das war ja nur der äußere Eindruck. Der Eintritt entsprach jenem in Schweden, mit dem Unterschied, dass der kleine „Aufwärmer“ hier extra zubuche schlug. Ich verzichtete darauf, mich interessierte nur der eisige Inhalt der Halle. Der erste Eindruck war ernüchternd. Die Skulpturen wirkten schlicht, beinahe einfach. Nicht zu vergleichen mit jenen in Schweden. Diese hinterließen durch ihre Detailtreue einen lebendigen Eindruck. Federn waren als solche zu erkennen und die Hundenasen waren kalt und feucht. – Klar, sollte ein Scherz sein. Natürlich waren sie kalt und feucht, schließlich bestanden sie aus Eis.

Einfahrt nach Svolvær, Stockfischgestelle

Den Figuren in „Magic ice“ fehlte das, was man Aha- Effekt nennt. Kunst, das ist mir klar, ist kontrovers und deswegen lasse ich diese Feststellung als solche stehen. Was an dieser Ausstellung sehr wohl seinen Reiz hat, ist das was mit „Magic“ bezeichnet wird. Die Skulpturen werden von innen beleuchtet wobei die Farben dieser Lichteffekte ständig wechseln. Wer sich für derartige Spielereien begeistern kann ist hier ganz sicher richtig. Vergleichbares gibt es in Schweden nicht.
Die eine Stunde Aufenthalt reicht voll und ganz für einen Rundgang in eisiger Atmosphäre. Etwa dreißig Skulpturen sind auf recht kleiner Fläche ausgestellt.


Eisskulpturen "Magic Ice" - Die Bar

Nach einer Stunde verlassen wir Svolvær gegen 22:00 Uhr wieder. Doch der Tag ist noch nicht vorüber, es stehen die nächsten Sehenswürdigkeiten an. Zuerst die Fahrt durch den Raffsund und anschließend in den Trollfjord. So wird auch diese Nacht zum Tag gemacht, was nicht besonders schwer fällt, da bekanntlich auch die Nächte hell sind.

Die Farben wechseln

Der Raffsund war nicht wirklich auffällig. Vielleicht lag es ja auch am Wetter, dass er keine Eindrücke bei mir hinterließ. Die norwegische Musiktruppe, die auf dem Panoramadeck für Livemusik sorgte, hinterließ Eindrücke. Allerdings für meine Begriffe eher solche der negativen Art. Vielleicht lag es ja an meinem Alter, Volksmusik gehört da nicht zu meinem Repertoire.

alles schön bunt und kalt

War ich bei der Durchsage noch von der naiven Vorstellung ausgegangen eine Folkloregruppe in ansprechenden Trachten vorzufinden, welche norwegische Weisen spielte, wurde ich beim Betreten des Saales arg enttäuscht. „Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut“, schmetterten die Trompeter durch das entsprechend geformte Blech. Gleich darauf folgte: „Tanze mit mir in den Morgen“. Ich tat keines von beiden und flüchtete aufs Außendeck.

Auf den Weg in den Trollfjord

Mein erster Gedanke, als ich durch die Tür trat: "Mein Gott, so viele Menschen sind vor der Musik geflüchtet!" Doch das war nicht der Grund, es gab etwas umsonst. Und dafür sind die Menschen auch schon mal bereit sich kalte Ohren zu holen und sei es auch nur für eine Trollsuppe. Nichts besonderes, diese Suppe besteht aus Kohl, Kartoffeln und Möhren. Trotzdem drohte Deck sieben wegen Überfüllung geschlossen zu werden.



Eng, enger, erdrückend. Die Felswände ragen gleich neben der Bordwand steil empor

Der Trollfjord selbst beeindruckt durch seine Enge. Ein Schiff wie die Richard With stellte schon beinahe das Maximum dessen dar, was in dem Fjord hineinfahren kann. Es fehlte nicht viel und man hätte mit ausgestreckten Armen die steil aufragenden Felswände berühren können. Die dunkelgraue Himmelkulisse sorgte dabei für eine bedrohliche Atmosphäre.
Aber keine Angst, alles blieb friedlich. Weder die Trolle, noch sonstige Wesen störten sich an unser Vorhandensein. Die Suppe wärmte von innen und der Kapitän hatte auch alles im Griff.


Und hier geht es wieder hinaus

Es ist schon weit nach Mitternacht als wir Stokmarknes erreichten. Hundegebell und einige winkende Kinder am Ufer empfingen uns zu später Stunde. Wir sind zu viert an Deck und winken zurück, so hatten die Kinder nicht umsonst gewartet. Ansonsten war es still im Ort. Die alte Finnmarken fristet ihr Rentnerdasein als Museumsschiff und erholte sich von den Strapazen der alltäglichen Besucherströme. Vereinzelt wurden die Lichter in den Häusern gelöscht. Eine Stadt legte sich schlafen. Gar keine schlechte Idee, wie ich fand.

Alles überstanden. Zeit für die Trollsuppe










Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 9. Teil 1 – Der Fluch des Neptun

Der Fluch des Neptun

Kurz nach Mitternacht bin ich noch einmal an Deck gegangen. Das Wetter hatte sich zu meinem Leidwesen überhaupt nicht gebessert. Kalter Wind peitschte den Regen beinahe waagerecht über das Deck. Das Torgatten hob sich nur undeutlich vom dunkelgrauen Hintergrund ab. Während der Anfahrt auf den markanten Berg war von seiner Einzigartigkeit nichts zu sehen. Erst als wir längsseits gingen wurde das "Auge" sichtbar. Eigentlich lohnte es sich überhaupt nicht zu fotografieren, dennoch machte ich einige Bilder bis die Wassertropfen einen undurchdringlichen Schleier auf der Optik hinterließen. Mag ja sein, dass das Wetter einen langen Atem hat, in meiner Beharrlichkeit bin ich mindestens ebenso ausdauernd, um nicht zu sagen trotzig.
Dann wurde es Zeit für die Augenpflege. Schon früh am Morgen sollten wir den Polarkreis erreichen. Auch das wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Torgatten auf Höhe Bronnøysund

Die Nacht war kürzer als erlaubt. Und meine müden Augen wurden vom hässlichen Grau des Morgenhimmels empfangen und gefoltert. Die Wolken hingen noch etwas tiefer als in der Nacht, obwohl das schon gar nicht mehr möglich war. An Bord wurde bereits gemunkelt, das sei der Fluch Neptuns, der uns auf eine harte Probe stellte ob wir seiner würdig seien. Andere vermuteten ein gemeiner Wassertroll sei für das Wetter verantwortlich, der seine unbändigen Haare von gequälten Elfen auswringen ließ. Wenn dem so war, dann fielen in diesem Moment die unzähligen Wassertropfen auf die wenigen Unerschrockenen auf dem Oberdeck.
Insgeheim fragte ich mich ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich eine Unterwasserkamera mitgenommen hätte. Natürlich nur rein rhetorisch, was zu keinem Ergebnis führte. Blieb zu hoffen, dass mein Equipment nicht irgendwann den Dienst quittierte.
Dann war der Polarkreis überschritten und der symbolische Globus verschwand im trüben Nebelgrau. Die kühle Luft an Deck hatte mir die Müdigkeit endgültig aus den Gliedern getrieben. Es wurde Zeit für ein stärkendes Frühstück. Und da ich euch nicht mit Kauen und Schlürfen langweilen möchte, werde ich euch von einer Beobachtung meiner wachsamen Augen berichten.

Der Polarkreis ist erreicht

Die Passagiere an Bord sind international. Die Deutschen bilden dabei eine große, wenn nicht die größte Gruppe. Gefolgt von den Italienern und Franzosen, Schweizer, Österreicher u.s.w.. Wenn es nun hieß Essenszeit, dann waren die Deutschen stets die Ersten. Meist warteten sie schon eine Viertelstunde vorher vor dem Restaurant. Trotzdem waren die Italiener immer schneller am Büfett. Die Österreicher fielen durch ihre Lautstärke auf und unterhielten nicht selten das ganze Restaurant, auch wenn die anderen Mitreisenden das gar nicht wünschten. Fehlte eigentlich nur noch das Echo, wie man es aus den Alpen kennt. Die Schweizer stellten das Gegenteil dar. Sie bekamen den Mund kaum auf. Nicht mal um eine Tageszeit zu erwidern. Währenddessen blieben die Franzosen lieber unter sich. Allerdings konnten sie den Österreichern Paroli bieten, im Bezug auf die Lautstärke. Was das Genießen angeht, sind die Franzosen ungekrönte Weltmeister. Der teure Wein floss in Strömen und es wurde alles gekostet was das Büfett hergab, aber in Maßen. Kein unkontrolliertes Hineinschaufeln, wie es bei den wenigen Amerikanern zu beobachten war. Und wir Deutschen waren da keinen Deut besser. Die Teller wurden stets drei Stockwerke hoch aufgefüllt wovon 2/3 später wieder zurückgingen. Ganz nach dem Motto: "Das haben wir schließlich alles bezahlt." Die Italiener waren auch nicht wählerisch, solange es sich mit schwarzen Oliven garnieren ließ, während die Schweizer alles mieden was aus dem Wasser kam.

Ausschiffen auf See

Ach ja, so ein mieses Wetter hat auch seine guten Seiten, man kann stundenlang die Menschen beobachten und später mit böser Zunge ablästern. Immer noch besser als ein langes Gesicht zu ziehen und sich womöglich mit seinem Partner streiten.
Kurz vor Ørnes hieß es dann für einige Passagiere von Bord gehen. Eine kleine Fähre ging längsseits, um die handvoll Menschen aufzunehmen. Sie hatten sich für den Ausflug zum Svartisen- Gletscher entschieden. Ganz sicher befindet er sich noch immer dort wo er seit vielen tausend Jahren zu Hause ist. Ob die Ausflügler ihn jedoch zu sehen bekommen würden war zu bezweifeln. Jedenfalls war vom Küstenstreifen so gut wie nichts zu sehen. Der Nebel versteckte alles hinter seinem undurchdringlichen grauen Tuch. Ich blieb, wie die allermeisten, an Bord und wünschte den Menschen im Stillen, dass es dennoch ein schöner, erinnerungswürdiger Ausflug würde. Schadenfreude wäre in so einem Fall völlig Fehl am Platze.

Hafenpanorama Bodø

Während wir unsere Fahrt fortsetzten, hatte unser Reiseleiter die unangenehme Aufgabe etwas Unappetitliches zu verkünden. In einigen Fällen waren die Toiletten verstopft, weil es entweder einige Unverbesserliche an Bord gab, oder aber solche die nicht einmal in der Lage waren die Bildersprache zu verstehen. Jedenfalls waren einige Saugpumpen beschädigt worden, die ausgetauscht werden mussten.
Die Fahrt bis Bodø verlief ausnahmslos durch einen grauen Tunnel. Rechts, wo die Küste sein sollte war nichts und links war das offene Meer nur zu erahnen. Die Laune einiger Reisender war inzwischen schlechter als das Wetter. Die Gründe für Streitereien mehr als albern. „Du wolltest ja unbedingt hierher. Nun sieh dir an was du davon hast.“ Als wenn der Partner Schuld am Wetter trägt.

Kodiakboote für das Abenteuer Saltstraumen

Im Hafen angekommen stieg eine weitere Handvoll Menschen in zwei wartende Kodiakboote um. Searafting zum Saltstraumen. Diese Tour verspricht Natur hautnah. Mitten hinein in den stärksten Gezeitenstrom der Welt und die Möglichkeit den Herrscher der Lüfte zu beobachten. Ganz sicher ein Erlebnis, dem auch ich mich gerne hingegeben hätte. Nur meine Vorahnung hatte mich davon abgehalten diese Tour zu buchen. Der Dunst und der Nieselregen ließen die Möwen nur erahnen, geschweige denn einen Seeadler erspähen.

Alte Festung Bodø

Knapp drei Stunden Aufenthalt in Bodø. Genügend Zeit sich die Stadt anzusehen oder mit dem Bus zum Luftfahrtmuseum zu fahren. Ich mache nichts von alledem und blieb an Bord, wie die allermeisten Menschen auf dem Schiff. Schließlich ist mir die Stadt nicht unbekannt, war sie doch vor drei Jahren bereits Ziel meiner Reise. Stattdessen nutzte ich die Zeit zum Lesen und diesen Bericht zu vervollständigen. Langeweile kommt auch bei schlechtem Wetter nicht auf, vorausgesetzt man weiß sich zu beschäftigen. Die drei Stunden vergingen im Flug und weiter ging die Reise hinaus aufs offene Meer und zu den Lofoten.

und ihre Rückseite






Sonntag, 4. Oktober 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 8. Good morning Trondheim and Tristesse

Good morning Trondheim and Tristesse

Schon am vergangenen Abend, als wir um 22:00 Uhr in Molde ablegten, war von dem schönen Wetter nicht viel geblieben. Der Himmel hatte sich zugezogen und es sah nach Regen aus. Kurz hinter Molde, nachdem wir die Wasserstraßenbaustelle passiert hatten, begab ich mich in meine Kabine. Nun, so sagte ich mir, wenn es in der Nacht Regen geben sollte dann lässt sich das nicht ändern. Hauptsache am Tage war es wieder trocken.
Die Wirklichkeit sah anders aus. Ich war rechtzeitig aufgestanden, um beim Einlaufen in Trondheim an Deck zu sein. Dort empfing mich die Einsamkeit mit weit geöffneten Armen. Ich, ganz allein auf Deck Sieben. Tief hingen die Wolken über den Trondheimfjord. Die alte Festung und das ehemalige Gefängnis auf der kleinen Insel waren erst auszumachen als das Schiff unmittelbar daran vorbei fuhr. Der Nebel verwischte alle Konturen und ließ die Stadt gespenstisch wirken. Im Hafen selbst lag bereits die Nordlys, die auf Südkurs war.

Schiffstraßenbaustelle im Harøyfjord

Bei dem Wetter konnte ich auf einen Stadtbummel verzichten. Trondheim war ja schon einmal Ziel einer meiner Norwegenreisen. So begab ich mich in aller Ruhe in den Speisesaal und frühstückte ausgiebig. Später setzte ich mich in den Panoramasaal und verfasste den gestrigen Bericht. Hier und da wurde auch schon mal ein kleines Gespräch mit Mitreisenden geführt. Es fällt natürlich auf wenn jemand viel fotografiert und schreibt. Und man soll die Neugier der Menschen, soweit es geht, stillen. So konnte ich ungehindert auch ein wenig Werbung für meine Internetseite und meine Publikationen machen.

Am Ende der Baustelle gibt es wieder freie Fahrt

Um 12:00 Uhr legte unser Schiff wieder ab. Trotz des feinen Nieselregens begab ich mich nach dem Mittagessen, welches ebenso vielfältig war wie das Frühstücksbüfett, wieder an Deck. Nach einer Weile kam ich zu dem Schluss, dass dieser Abschnitt der Reise nicht zu den interessantesten gehörte. Das lag keineswegs nur an dem Wetter. Die Küstenlandschaft wirkte eintönig, es gibt kaum Ortschaften und selbst die Schären haben anderswo mehr Reiz.
Nach etwa vier Stunden Fahrt wurde es dann wieder spannend. Wir näherten uns dem Stokkøya- Sund. Die Wasserstraße ist hier gerade mal zweiundvierzig Meter breit. Nicht wirklich viel, wenn das Schiff selbst schon beinahe dreißzig Meter in der Breite misst. Nachdem wir diesen Abschnitt hinter uns gebracht hatten, sollte es weitere vier Stunden dauern, ehe wir den nächsten Hafen anliefen. Zeit sich ein wenig das Schiff anzusehen und sich mit Mitreisenden auszutauschen.

Trondheim empfängt uns in dunkelgrau

Das Schiff, die Richard With, wurde 1993 in den Dienst der Hurtigrute gestellt. Gebaut wurde es in der Volkswerft Stralsund. Beinahe schon ein verwunderlicher Zufall, dass ich im letzten Jahr dort auch Urlaub gemacht hatte und bei einer Hafenrundfahrt etwas über die Werft erfahren hatte. Doch weiter zu dem Schiff. Bis zu 700 Passagiere finden hier Platz. Es hat insgesamt sieben Decks, vier davon haben Kabinen.
Deck vier dient ausschließlich der Bewirtung. Neben dem Restaurant befindet sich hier auch ein Shop, sowie eine Snackbar für den Hunger zwischendurch, falls es hier so etwas überhaupt gibt und eine Bar. Deck sieben beherbergt den Panoramasaal und eine weitere Bar. Des Weiteren verfügt das Schiff über drei Außendecks, die aber meistenteils verwaist blieben.

Kloster- und Gefängnisinsel im Trondheimfjord

Nach dem Rundgang unterhielt ich mich angeregt mit einem netten Paar aus Berlin. Sie waren ebenfalls mit dem Auto unterwegs. Ihr Ziel war Stamsund auf den Lofoten. Wir tauschten Urlaubserlebnisse aus, später auch unsere Email- Adressen für den Kontakt nach unserer Reise. Für ihre spätere Rückreise gebe ich noch einige Anregungen und Tipps.
Nach weiteren zwei Stunden wird die Seelandschaft wieder interessant. Das Buholmråsa Fyr, etwa in einer gedachten Linie auf Höhe Namsos, markiert einen für die Seefahrer schwierigen Streckenabschnitt. Bis weit aufs offene Meer erstrecken sich zahllose Schäreninseln. Leider bleibt auch hier alles mehr oder weniger im Verborgenen. Bleischwer hängen die dunklen Wolken über Land und Meer. Bleibt die Hoffnung, dass es in der Nacht, wenn wir das Torgatten bei Brønnøysund erreichen vielleicht besser wird.

Die Nordlys (Nordlicht) im Hafen von Trondheim

Zwischenzeitlich hatten wir Røvik erreicht. Zeit sich wieder mal ans Deck zu begeben und nach möglichen Motiven Ausschau zu halten. Es regnet, doch das hat mich noch nie von meinen Vorhaben abgehalten. Dennoch verzichte ich auf einen Landgang. Zudem wird es Zeit für das Dinner, bei dem man sich an einen festgelegten Zeitplan halten muss.

Fahrt durch den Stokkøyasund

Gestern hatte ich bekanntlich auswärts zu Abend gegessen und so lernte ich erst heute meine Tischnachbarn kennen. Beim Frühstück- und beim Mittagsbüfett ist freie Platzwahl. Beim Abendmenü sind die Plätze festgelegt. Es handelt sich um zwei ältere Paare aus Norddeutschland, die diese Reise gemeinsam unternehmen. So bleibt es bei einer knappen Begrüßung und der unvermeidlichen Tatsache, die Gespräche mitverfolgen zu müssen. Und welches Thema passt besser zu einem drei Gänge Menü als Krankheiten? - Anscheinend keines. So gibt es verbal zur Vorsuppe Gallensteine und Gefäßkatheter. Der Hauptgang wird serviert mit Herzklappenoperation und Verdauungsstörungen und als Dessert wird von der letzten schlimmen Erkältung in aller Ausführlichkeit berichtet. Nicht genug damit, nein, die Herrschaften müssen auch an allem was serviert wird etwas auszusetzen haben. "Dat soll Dorsch sein? Den gibt's doch nur in der Ostsee. Wenn dat mal nicht Kabeljau is."

Leuchtturm am Stokkøyasund

Nein, guter Mann, das ist Dorsch und den gibt es beileibe nicht nur in der Ostsee. Wo kommt ihr noch gleich her? Aus Cuxhafen, armes Fischdeutschland. Und wo wir schon mal dabei sind. Die kleinen runden Dinger, diese Honigfarbenen, in der sehr schmackhaften Sahnecreme heißen Moltebeeren und nicht Mullen oder so. Ich muss sagen, ohne meine Tischnachbarn hätte es mir noch einmal so gut geschmeckt. Nur gut, dass ich die Reise in Kirkenes beende. Zehn Tage mit diesen Menschen an einen Tisch und ich werde entweder von ihren Erzählungen krank oder springe freiwillig über Bord und besuche Neptun.

Røvik mit Blick auf das Nordweg- Museum







Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 7. Teil 2 - Landausflug Trollstigen

Landausflug Trollstigen

Noch während wir die Fähre verlassen und zu den Bussen gehen wendet die Richard With und macht sich auf den Weg zurück nach Ålesund. Diesen Abstecher macht die Hurtigrute nur in den Sommermonaten zwischen Mai und September. Darum ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass das Ausflugsprogramm so großen Zuspruch findet. Fünf Reisebusse waren nötig um die Gäste der Richard With aufzunehmen.
Gleich hinter dem Ort führt die Straße in engen Serpentinen den Berg hinauf zur allseits bekannten Adlerstiege. Warum sie so heißt entzieht sich meinen Kenntnissen. Doch wenn man sich den Straßenverlauf aus der Ferne ansieht könnte der Name mit der Gleichmäßigkeit der Serpentinen zu erklären sein. Gerade so als würde ein Adler von einem imaginären Punkt zum anderen gleiten.

Blick auf Geirangerfjord und Kreuzfahrtschiffe

Anders, als wenn du mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs bist, kannst du dich bei einer Busfahrt viel mehr mit der Landschaft befassen. Du musst dich nicht auf das Fahren konzentrieren. Der Ausblick auf den Fjord, bei strahlendem Sonnenschein, mit den Schiffen, die wie Spielzeug wirken, ist sagenhaft. Bedauerlich nur, dass man nicht anhalten kann, wie es einem gerade gefällt. Der Busfahrer legte den ersten Stop beinahe am Ende der Adlerstiege ein. Überhaupt war ich gespannt auf den Verlauf dieses Ausfluges. Meine Abneigung gegen derartige Busreisen kommt nicht von ungefähr. Die Art und Weise wie im allgemeinen auf solchen Touren verfahren wird entspricht ganz und gar nicht meinen Vorstellungen von Urlaub und Genuss. Mit entsprechend gemischten Gefühlen hatte ich denn auch diesen Ausflug gebucht.
Zu jedem Bus gehört ein Reiseleiter oder eine Reiseleiterin. Busfahrer und Begleiterin machten einen sehr freundlichen Eindruck. Das Du ist in Norwegen die übliche Umgangsform und so wollte es Anja, sie stammt aus Chemnitz, auch mit uns halten. Dass sie dennoch immer mal in die förmliche deutsche Umgangsform verfiel lag wohl auch daran, dass sie erst seit zwei Monaten in Norwegen, und diese Tour ihre erste als Reiseleiterin war. So stellte sich dieser Ausflug für Anja mindestens genau so aufregend dar, wie für uns.


Adlerstiegenblick auf den Geirangerfjord

Arne konnte man als typisch norwegisches Pendant bezeichnen. Zurückhaltend, in jeder Situation ruhig und gelassen, und dabei immer freundlich. Die nächsten sieben Stunden sollten wir also gemeinsam verbringen. Natürlich sollte diese Zeit nicht nur im Bus verbracht werden. Einige Stopps waren eingeplant und wir sollten Gelegenheit bekommen die verschiedenen Sehenswürdigkeiten auch zu besichtigen. Die ersten Stopps verliefen so, wie ich es befürchtet hatte. Mit böser Zunge gesagt, hieß das: Anhalten, Türen auf, aussteigen, Fotos machen, einsteigen, Türen schließen und abfahren.
Es ist mir durchaus bewusst, dass bei einer Busreise gewisse Spielregeln eingehalten werden müssen. Besonders dann, wenn es heißt Anschlüsse an Fähren nicht zu verpassen. Und so möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es sich weitaus weniger hektisch abspielte, als es den Anschein zu erwecken mag.


Die Gudbrandsschlucht

Die Landschaften zogen im hellen Sonnelicht vorbei und wir näherten uns unserem nächsten Ziel, die Gudbrandsschlucht. Zuvor wurde der Norddalsfjord bei Eidsdalen mit der Fähre überquert.
Anja erzählte uns eine der Geschichten, die um die Gudbrandsschlucht kursierten. Auf diese Weise lockerte sie die Erklärungen zu den Sehenswürdigkeiten auf. Das ein oder andere Mal, wenn es um Jahreszahlen oder ähnliches ging, musste sie nachschlagen und geriet dadurch schon mal ins Stocken. Selbst lang gedienten Reiseleitern soll so etwas schon passiert sein. Wer kann schon von sich behaupten alle Daten und Fakten zu einem Land oder einer Region auswendig zu können. Und wie sagen wir in unseren, in Autorenkreisen, so schön: „Ein kleiner Versprecher, ein kleiner Fehler bringt uns unserem Publikum näher, hebt uns herunter von den Stufen möglicher Überheblichkeit. Macht uns einfach menschlicher.

Schneefelder auf dem Weg zum Trollstigen

Weiter ging die Fahrt durchs Valldal, dem Zentrum des Erdbeeranbaus, wie Anja uns erklärte. Wobei neunzig Prozent der Ernte gleich in die Konfitüren- und Tiefkühlproduktion wandert. In diesem Jahr müssen die verarbeiteten Betriebe wohl etwas länger als üblich warten, da der Sommer mit Verspätung nach Norwegen kam. Dann war die Gudbrandsschlucht erreicht und wir durften den Bus für fünfzehn Minuten verlassen. Eine ausreichende Zeit, wie ich meine. Nach der gegebenen Zeit waren alle wieder an Bord. Niemand hatte versucht den Sprung über die Schlucht nachzumachen, wie er in der Geschichte von Anja vorkam und einem verliebten Paar die Flucht vor den zürnenden Verwandten ermöglichte.

Der höchste Punkt am Trollstigen

Danach ging es wieder hinauf ins Gebirge und die Spuren des Winters waren noch immer deutlich zu sehen. Meterhohe Schneewände links und rechts der Straße und das unterhalb von tausend Meter. Beinahe unvorstellbar wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat.
Während der Fahrt zum legendären Trollstigen, erzählte Anja uns etwas über Trolle von denen es vier verschiedene Arten gibt. So erfuhren wir auch, dass Trolle zwar allgemein hin als böse dargestellt werden, aber eben auch nicht besonders klug sind. Trolle sind leicht zu überrumpeln, was ihre Bösartigkeit mildert.

Wasserfall Stigfossen und Spitzkehren

Wir hatten den höchsten Punkt erreicht und die atemberaubende Abfahrt ins Tal über den Trollstigen begann. Dabei galt es elf scharfe Spitzkehren bis ins Tal hinab zu bewältigen. Anja sagte vorbeugend, wir sollten uns keine Gedanken machen, wenn wir dem Abgrund einmal bedrohlich nahe kommen sollten. Arne kenne sich aus, er ist den Weg schon einmal gefahren. Wie beruhigend! Natürlich ist Arne diese Strecke schon dutzende Male gefahren. In seiner typischen ruhigen Art lenkte er den zwölf Meter Bus souverän durch die Spitzkehren ohne auch nur einmal anzuecken oder zurücksetzen zu müssen. Die langsame Fahrt ermöglichte das problemlose Fotografieren. An besonders markanten Punkten hielt Arne den Bus einfach an, um uns atemberaubende Ausblicke zu gewähren.

Ein Ausschnitt des Trollstigen

Vor fünf Jahren bin ich den Trollstigen selber gefahren und damals hatte auch ich jede Möglichkeit genutzt stehen zu bleiben. Dennoch finde ich die Fotos dieser Tour gelungener, weil einfach mehr Zeit geblieben ist nach Motiven Ausschau zu halten.
Besonders faszinierend einmal mehr der Wasserfall, der unter der Brücke weiter ins Tal schießt. Bei den Wassermengen blieb es nicht aus, dass der Bus im Vorbeifahren eine kostenlose Fahrzeugwäsche erhielt.
Der Blick ins Tal lässt noch heute erkennen welche Kräfte die Gletscher aufgebracht hatten, um diesen Einschnitt zu schaffen.
Nachdem das Tal sicher erreicht war gab es Applaus für Arne und anschließend Kaffee und „Smeele“ (gebackene Waffel mit hauchdünn geschnittenem Ziegenkäse) für alle.

Der Talblick

Nachdem das Tal sicher erreicht war gab es Applaus für Arne und anschließend Kaffee und „Smeele“ (gebackene Waffel mit hauchdünn geschnittenem Ziegenkäse) für alle.
Eine Stunde Aufenthalt gab mir die Gelegenheit mich etwas mit Anja zu unterhalten. Sie erzählte von ihrem Traum, der sich gerade zu erfüllen begann. Leben und arbeiten in Norwegen. In ihrem Fall in Sunnmøre und Romsdal. Dieser Entschluss kam nicht von ungefähr. Nach ihrem Studium mit Abschluss als Architektin war in Deutschland keine Arbeit zu finden. Norwegen hatte ihr bei einem Urlaub auf Anhieb gefallen, mehr noch, der Gedanke dort zu leben und arbeiten zu wollen, war entstanden. Anja umschrieb die Gründe mit ihren Worten so: "Die Landschaft, die Natur, die Tierwelt, die Faszination hinter jeder Straßenbiegung und jeder Bergkuppe, machten mir den Entschluss so leicht. Meine Worte geben vielleicht nicht das tatsächliche Gefühl und Empfinden wieder. Es ist wohl eine Herzenssache, eine Art Seelenverwandtschaft zu diesem Land, das diese Verbundenheit ausmacht."
Ich habe diesen Worten nichts hinzu zu fügen,
außer vielleicht, dass sie mir voll und ganz aus der Seele gesprochen hatte.

Die Romsdalalpen

Nach der Kaffeepause ging es weiter nach Åndalsnes und die Trolle machten ihre Runde durch den Bus. Nein, für uns bestand keine Gefahr, es handelte sich nur um Zeichnungen und Skizzen, die in einem Buch enthalten waren. Die Romsdalalpen wurden nun zu ständigen Begleitern und auch das, bei Bergsteigern so beliebte, Romsdalhorn zeigte sich von seiner schönsten Seite.
Während unser Bus wie eine Sänfte am Isfjord dahinglitt und Edward Grieg aus den Lautsprechern röchelte, weil der CD- Player einen Defekt hatte, erzählte Anja etwas vom Nationalstolz der Norweger und davon, dass norwegische Eltern sich viel mehr Zeit für ihre Sprösslinge nehmen. Und vom Stolz der Kinder, wenn sie ihre erste Tracht zur Konfirmation bekommen, die oft von den Großeltern in Handarbeit gefertigt wurde. Dass diese dann auch mit Begeisterung zu den verschiedenen Anlässen von den Kindern getragen wird und Traditionen auf diese Weise erhalten bleiben.

Das Rica Seilet Hotel in Molde

Währenddessen erreichten wir Årfarnes am Langfjord, ein Nebenarm des Romsdalfjordes. Von hier musste ein zweites Mal eine Fähre bemüht werden, um den Fjord zu überqueren. Wenig später hatten wir unser Ziel, Molde beinahe erreicht. Eine kleine Stadtrundfahrt, vorbei an einem tropisch anmutenden Privatgarten mit zahlreichen Liliengewächsen, die im hohen Norden äußerst selten gedeihen und anschließend hinunter zum Dom, rundeten diese Busreise ab.
Im Rica Seilet Hotel, dem neuen und modernen Wahrzeichen von Molde erwartete man uns bereits. Hier wurde der überaus gelungene Ausflug mit einem guten Abendessen abgeschlossen.
Am Schluss konnte das Resümee nur heißen: Alles hatte gepasst, das Wetter, die Streckenführung, die großzügige Zeiteinteilung mit Kaffee und Abendessen und nicht zu vergessen unser souveränes und bezauberndes Team. Und das sage ich, der doch gar nicht so gut auf Pauschaltourismus zu sprechen ist. Ich sage aber auch stets, man darf nicht alles über einen Kamm scheren. Jedenfalls haben die Veranstalter der Hurtigruten in diesem Fall gute und kompetente Partner gefunden. Ich hatte hier nicht das Gefühl abgezockt worden zu sein.
Wenig später erreichte unser Schiff den Hafen und es hieß Abschied nehmen.
Vielen Dank Anja und Arne, es war mir eine Freude mit euch einen Teil Norwegens zu bereisen. Und dir, liebe Anja, wünsche ich, dass dein Traum niemals enden wird. Das sich deine Zukunft so gestaltet, wie du es dir erhoffst. Wie ich dir schon zum Abschied sagte: „Ich beneide dich nicht, ich bewundere deinen Mut und deinen Ehrgeiz diesen Traum wahr werden zu lassen und zu leben. Viel Glück!“