Samstag, 17. Juli 2010

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 30. Teil 2 – Straße der Stabkirchen

Straße der Stabkirchen

Von Langedrag ging es weiter nach Rødberg und von dort wieder ein Stück Richtung Geilo. In Uvdal steht eine kleine Stabkirche, die ich mir ansehen wollte. Gleichzeitig ist hier ein alter Berghof auf dem Gelände zu finden.
Wenn man diese Kirche zum ersten Mal betritt kann der Eindruck entstehen in das Atelier eines Malers geraten zu sein. Die Wände, Decken und Masten sind über und über mit Blumen und Ranken bemalt. Auch Bibelsprüche in Kaligraphieschrift sind an den Wänden zu finden. Die Kirche als Ort der Lebensfreude, so würde ich das bunte aber ansprechende Werk nennen.

Lagerhaus im Freilichtmuseum Uvdal

Das Altarbild zeigt Jesus mit den zwölf Jüngern beim Abendmahl. Die Galerie über dem Altar zeigt eine Szene aus dem Paradies „Verführung durch die Schlange“. Hatte ich in anderen Kirchen bereits erfahren, dass die Bewohner des Ortes alle ihren festen Platz hatten, so war das hier sogar zu sehen. An den Seitenwangen der Bänke waren die Familiennamen angebracht. Das war für den Pfarrer natürlich sehr hilfreich, konnte er doch gleich sehen welches seiner Schäfchen fehlte.


Stabkirche Uvdal

Leider war das Fotografieren im Innern nicht erlaubt. Dadurch soll verhindert werden, dass durch das Blitzlicht die wertvollen und wirklich gut erhaltenen Malereien Schaden nehmen. Allerdings wollte man mich auch ohne Blitzlicht nicht filmen lassen, schade.

Inventar eines Lagerhauses

Auf den Weg zurück nach Rødberg wurde es Zeit für eine Stärkung. Die Trollstua, ein großes robust gebautes Holzhaus, sah nicht nur einladend aus, sie ist an dieser Stelle unbedingt zu empfehlen. Das Essen ist ausgezeichnet und die Preise sind angemessen. Die Bedienung war sehr freundlich und der Kaffee, wie so oft, kostenlos nach dem Essen.

Blick in eine Werkstatt

Rødberg ist bekannt durch die Wasserkraft. Das große Kraftwerk deren meterdicke Rohrleitungen den Berg hinaufführen dominiert den Ort. Weiter habe ich mich nicht damit befasst, weitere Ziele lagen noch vor mir.
Straße der Stabkirchen, so könnte man die RV 40 zwischen Geilo und Kongsberg auch nennen. Und die nächste folgte schon bald in Nøre. Diese, wie auch jene in Roddal besuchte ich nicht. Die dritte, in Flesberg hielt ich zumindest im Bild und Erinnerung fest. So gibt es noch genügend Gründe ein viertes und ein fünftes Mal nach Norwegen zu reisen.


Wasserkraftwerk in Rødberg

Die Landschaft erinnert ein wenig an den Spessart oder den Steigerwald. Saftig grüne Wiesen, Berge mit dunklen Tannen, weidende Kühe oder Schafe, auch schon mal eine Pferdekoppel und natürlich die vielen Berghöfe. Manche davon sind als Museen ausgezeichnet, weil dort noch gut erhaltene, Jahrhunderte alte Gebäude zu finden sind. Dazu gehört natürlich auch der Geruch von Dung, der ab und an durch das offene Fenster ins Wageninnere gelangte.

Stabkirche in Flesberg

Auch Kongsberg diente nur als Durchfahrstation, einen Abstecher zur Silbermine (E 134 Richtung Notodden) machte ich dennoch. Die Mineraliensammlung und die Darstellung der Arbeit in einer Mine vor rund 250 Jahren auf Schautafeln von konnten in einem Gebäude kostenlos besichtigt werden. Die eigentliche Attraktion ist die Grubenbahn, mit der man von einem kleinen Grubenbahnhof vor dem Stollen ins Innere des Bergwerks fahren kann. Allerdings sollte man rechtzeitig da sein. Die letzte Fahrt findet um 15:00 Uhr statt. Und dann sollte man auch bereit sein rund 17 Euro dafür zu zahlen. Ich brauchte diese Entscheidung nicht mehr zu treffen. Inzwischen ging es auf fünf Uhr zu und mein Tagesablauf war noch nicht beendet.

Silbermine in Kongsberg

Etwas außerhalb von Notodden ist die größte Stabkirche Norwegens zu finden, jene zu Heddal. Obwohl schon beinahe 18:00 Uhr war Eile nicht erforderlich. Hier gab es andere Öffnungszeiten, die wieder einmal den Geschäftssinn der Norweger hervorhoben. Zudem gehört sie wohl zu den am besten erhaltenen Stabkirchen überhaupt. Und damit das auch so bleibt wurde am Dach etwas ausgebessert.

Bahnhof der Silbermine

Ich erwähnte das ein oder andere Mal bereits, dass diese Kirchen auf ganz unterschiedliche Weise faszinieren. Das ist hier nicht anders, wobei in diesem Fall auch die Entstehungsgeschichte dazu beiträgt.

Stabkirche Heddal bei Notodden

So gibt es eine Sage über einen Troll namens Finn, der dieses Bauwerk in nur drei Tagen erschaffen haben soll. Natürlich tat er dies nicht aus reiner Freundschaft zu den Menschen. Er hielt sich für besonders schlau und hinterlistig. Sollten die Christen innerhalb der Bauzeit seinen Namen nicht herausbekommen, so sollte er dafür Sonne, Mond, und das Herzblut eines Christen bekommen. Doch so hinterlistig Trolle auch waren, so ungeschickt und dumm waren sie auch.
Der Bauer Raud Rygi, mit dem der Troll diesen Handel schloss, brachte den Namen rechtzeitig in Erfahrung. Des Trolls Eheweib gab ihn unwissentlich preis, als sie ihrem Kind erzählte, dass Finn ihm die Sonne und den Mond und das Herzblut zum Spielen mitbringen würde.

Das Taufbecken aus Holz

Aber wahrscheinlich war es ganz anders und die Kirche ist wie andere auch in mühsamer Arbeit aufgebaut worden. Der Kern der Kirche entstand im 13. Jahrhundert. Ihre heutige Größe erhielt sie erst nach und nach. Auffällig sind die drei kleinen Türme und die beiden Eingangsportale welche mit aufwändigen Tier- und Pflanzenornamenten versehen sind. Tatsächlich wird die "gotische Kathedrale in Holz" erst um 1315 zum ersten Mal erwähnt. Die Erbauung um 1250 beruht auf Schätzungen.

Aufwändige Malereien

Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie mehrfach umgebaut. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Decke herunter gezogen. Der Altar ist von 1667 und zeigt die Bildnisse "Das Abendmahl" und "Die Kreuzigung". Noch heute finden hier Gottesdienste, Hochzeiten oder Taufen statt. Diese Stabkirche ist einfach ein Muss und sie beeindruckt durch die wahrhafte Kunst des Holzhandwerkes. 29 dieser einmaligen Kunstwerke, Stätten der Ruhe oder des Gesprächs mit Gott oder auch den Einheimischen, sind heute noch erhalten. Eine verschwindend geringe Zahl wenn man den Schätzungen Glauben schenken darf, die davon ausgehen, dass es einmal um die 2000 Kirchen in diesem Baustil gegeben hat.


und Ornamentschnitzereien sind Bestandteil der Heddal Stabkirche

Ein langer und heißer Tag geht zu ende. Das Thermometer hat die dreißig Gradgrenze tatsächlich überschritten. Doch nun wird es langsam frisch. Die Sonne versinkt hinter einem Berg und lange Schatten bringen Kühle. Die Abende sind hier auch nach heißen Tagen anders als daheim in Deutschland. Eben kühler und vor allem angenehmer zum Schlafen.


Typisch für Stabkirchen der Drachenkopf am Dachfirst












Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 30. Teil 1 – Langedrag

Langedrag

Die zweitägige Tour hatte mich einen weiteren Tag zurückgeworfen. Das hieß nichts anderes, als dass Oslo erneut auf meinen Besuch warten musste. „Unnskyldning Oslo.“ Mein Restprogramm war noch prall gefüllt. Und da ich für Oslo nun mal zwei bis drei Tage geplant hatte, war die Zeit einfach nicht mehr gegeben.

Die Kirche bei Skardvåg

Der Tag fing gar nicht gut an. Dabei lag es weder am Wetter noch am Campingplatz, der war ordentlich und sauber. Gut, es gab keine Kochstelle und ich musste auf meinen Kaffee verzichten, aber das war auch zu verschmerzen. Nein, diesmal ging es um meinen fahrbaren Untersatz. Ich war noch keine zwei Kilometer gefahren da kam mir ein großer Kieslaster entgegen gedonnert. Ich dachte gerade noch, dass der verdammt schnell war, so kurz vor einer neunzig Grad Kurve und das bei gut fünf Prozent Gefälle, da gab es auch schon einen lauten Knall. Im gleichen Augenblick konnte ich zusehen wie sich ein breiter Riss quer über die Frontscheibe fortpflanzte. Volltreffer! Ein dicker Kieselstein hatte die Scheibe auf der Fahrerseite getroffen.


Der Glockenturm

Trotzdem entging mir die Kirche in Skardalen nicht. Auffällig an ihr war die Architektur. Hier wurde Moderne und Altertum geschickt zusammen gebracht, was durch den allein stehenden Glockenturm unterstrichen wird.

Der Eingangsbereich

Wenig später erreichte ich mein erstes Ziel, den Tierpark Langedrag. Von der RV 40 in Skogli links abfahren, bis Tunhovd. Ab hier ist der weitere Weg beschildert. Das letzte Stück bis zum Parkplatz führt über eine unbefestigte Schotterpiste die mich wieder daran erinnerte meine Versicherung anzurufen. Ich war mir nicht sicher ob die Scheibe bis zu meiner Rückkehr nach Deutschland noch halten würde. Während der vierzig Kilometer langen Fahrt hatte der Riss die Beifahrerseite erreicht. Erfreulich auch, dass die Versicherung gegebenenfalls auch die deutlichen Mehrkosten, die in Norwegen anfallen, übernimmt. Nachdem das geklärt war, konnte ich mich voll und ganz auf meinen Besuch konzentrieren.

Aussicht vom Langedrag Wildpark

Der Tierpark unterscheidet sich nicht im wesentlichen von den mir in Norwegen bekannten Anlagen. Die Gehege sind allesamt sehr großzügig bemessen, wie ich es schon im Polarzoo oder in Dyrepark bei Kristiansand gesehen hatte.

Das Ziegenhaus

Der Unterschied besteht darin, dass hier nur einheimische und keine exotischen Tiere gehalten werden. So sind hier Luchs, Wolf, Schneefuchs und Ren zu finden. Ziegen, Kühe und Hasen laufen gar frei herum, was bei den Kindern immer gut ankommt. Sogar das schottische Hochlandrind lag friedlich vor dem Gebäude. Keine Kette oder Zaun hinderte das Tier daran sich umzusehen, doch dafür war es viel zu bequem.

Das Ur. Kette oder Zaun sucht man hier vergebens

Eines der Wolfsgehege war ebenfalls leer. Ob sie ebenfalls Freigang hatten war nicht in Erfahrung zu bringen.
Anders als im Polarzoo meinten es die Luchse wirklich gut mit mir. Friedlich in der Sonne dösend lagen sie fotogen gleich hinter dem Zaun. So ein Maschendrahtzaun ist schon störend beim Fotografieren, aber wie es ohne aussieht habe ich ja erst gestern erleben dürfen.



Luchs hinter Gittern, der lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen

Aufgrund der Größe der Gehege sind zwanzig bis dreißig Minuten für eine Umrundung mit Suchen schon nötig. Und unter Umständen versteckt sich Wolf und Co. im Innern des Geheges und du bekommt sie gar nicht zu sehen. In den norwegischen Parks ist auf jeden Fall Ausdauer gefordert, aber gerade das macht den Reiz aus.



Der Wolf bleibt nicht so cool und sucht sich ein ruhigeres Fleckchen

Natürlich müssen solche Parks auch etwas Besonderes bieten, sonst lässt sich so eine Anlage kaum halten. In Langedrag wird gleich ein ganzes Tagesprogramm geboten. Das fängt mit Parcoursreiten oder voltigieren für Kinder an. Geht mit der Fütterung der Rentiere weiter und endet nicht mit dem Melken der Kühe oder Ziegen. Sogar die Schneefüchse dürfen von den Kindern im Gehege besucht werden, natürlich in fachkundiger Begleitung.





Die Schneefüchse in Langedrag sind handzahm und faul

Für die Erwachsenen gibt es fachkundige Beiträge über die Arbeit mit den Wölfen und Luchsen und noch einiges mehr. Ein lohnendes Ziel, ein Paradies für die Kinder und ein teures Vergnügen für die Eltern. Wobei die Preise nicht über dem norwegischen Niveau liegen.
Mehr als drei Stunden waren im Nu vergangen. Für mich wurde es Zeit weiter zu ziehen.












Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 28. + 29. Vorsicht wild!

Vorsicht wild!

Schon am Vorabend hatte ich mich bei der Touristeninformation nach Tourmöglichkeiten im Gebiet um Geilo erkundigt. Die Mitarbeiter dort sind sehr freundlich und die Öffnungszeiten im Sommer sehr großzügig bemessen. Bis 20:00 Uhr (Stand 2005) ist die Touristeninfo geöffnet und wer etwas später kommt wird auch nicht abgewiesen, solange die Türen noch offen stehen.
Ich interessierte mich für ein ganz bestimmtes Angebot. Mir war zu Ohren gekommen, dass es geführte Touren auf den Spuren des Luchses geben sollte.
Die Antwort auf meine diesbezügliche Frage kam dann aber eher zögerlich. Ja, es werden solche Touren angeboten, die Nachfrage sei aber sehr gering. In diesem Sommer hatte es erst eine Tour gegeben. Nach den Voraussetzungen für die Durchführung einer solchen Tour gefragt, lautete die Antwort, mindestens vier Personen.
Neben mir stand Jon, ein Niederländer, wie ich später erfuhr. Er hatte unser Gespräch mitbekommen und erklärte sich gleich bereit an einer solchen Tour teilzunehmen. Wir wurden auf den nächsten Tag vertröstet und sollten uns gegen zehn Uhr wieder einfinden.


Pünktlich erschienen wir im Touristencenter, um uns nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Wie befürchtet gab es keine weiteren Interessenten. Der Scout würde wohl zur Verfügung stehen, aber für zwei Personen lohne sich der Aufwand nicht. Jon und ich besprachen uns und machten einen Vorschlag. Wir waren bereit jeweils die Hälfte der Kosten für eine dritte Person zu zahlen. Das Angebot wurde mit Erstaunen aufgenommen und musste mit dem Hauptverantwortlichen besprochen werden. Nach fünfzehn Minuten bekamen wir das Okay, nachdem man uns ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass es keinerlei Garantien für die Sichtung eines Luchses gab und wir mussten für alles (Verpflegung, Zelt etc.) selbst sorgen.
Um dreizehn Uhr trafen wir uns erneut und fuhren mit dem Fahrzeug des Scouts in Richtung Dagali. In der Nähe sollte unser Ausgangspunkt für die anderthalbtägige Tour sein.



Es war verdammt warm und schon nach wenigen hundert Metern zerrte der Rucksack, nebst Kameraausrüstung und Zelt mit Schlafsack heftig an den Schultern. Rund fünfundzwanzig Kilo nannte ich mein, wovon knapp die Hälfte auf meine Fotoausrüstung fiel. Jon erging es kaum anders und schon bald rann uns der Schweiß in feinen Rinnsalen über das Gesicht. Das wird kein Spaziergang, ging es mir durch den Kopf. Und wofür das Ganze? Für lästige Insekten, die sofort zu unseren ständigen Begleitern wurden, für einen zunächst doch sehr schweigsamen Scout und für die nicht mal dreiprozentige Chance einen Luchs zu sehen. Na, das ist doch allemal knapp hundert Euro und die Strapazen wert, oder?
Immerhin stießen wir nach knapp zwei Stunden bereits auf erste Spuren. Ein Tatzenabdruck und kurz darauf auf Ausscheidungen, die von einem Luchs stammen sollen. Mit dem Tatzenabdruck konnte ich ja noch etwas anfangen, aber mit dem Haufen? Für mich sah er aus wie jeder andere auch. Aber warum sollten wir unserem Scout misstrauen. Schließlich waren wir ja hier, um etwas zu lernen. Die Spuren waren mindestens 24 Stunden alt, das alles las er aus der Hinterlassenschaft.



Der schattige Wald milderte die unbarmherzige Sonne etwas, dennoch erreichte das Thermometer stolze 27°C im Schatten. Nach knapp fünf Stunden hatten wir gerade mal zehn Kilometer hinter uns gebracht, wie mein Schrittzähler mir verriet.
Es wurde Zeit das Nachtlager zu errichten und vor allem für eine Stärkung.
Nach dem Essen wurde dann die nähere Umgebung erkundet. Es dauerte nicht lange bis wir erneut auf eine Fährte stießen. Ole, der bis dahin doch sehr sparsam mit seinen Worten umging verfiel geradezu in einen Rederausch und merkte dabei nicht, dass er norwegisch und nicht englisch sprach, so dass wir nur sehr wenig von dem verstanden, was er sagte. Seiner Ansicht nach waren die Spuren nur wenige Stunden alt, es musste sich demnach zumindest eine, wenn nicht sogar zwei Katzen in der Nähe befinden. Doch außer weiteren Spuren und einigen Haaren an einem abgebrochenen Ast bekamen wir nichts weiter zu sehen.


Gegen 23:00 Uhr krochen wir in unsere Zelte. Es wurde eine kurze Nacht. Um vier Uhr weckte Ole uns. Immerhin hatte er schon Kaffee gekocht und ich wusste was ich nicht mitgenommen hatte, einen Kaffeebecher. Ole schmunzelte und reichte mir seinen Zweiten, den er für solche Fälle immer dabei hatte. Nur langsam trieb der starke Kaffee die Müdigkeit aus den Knochen. Zelt abbauen und zusammenpacken wollte noch nicht so recht von der Hand gehen. Zudem wäre ich beim Waschen beinahe ganz in den eiskalten Bach gestürzt. Ole wollte der frischen Spur vom Abend weiter folgen. Er ermahnte uns nicht zu vergessen, dass wir es mit einem Raubtier zu tun haben. Die zweite Spur könnte auch darauf hindeuten, dass die Katze mit einem Jungtier unterwegs ist und dann könnte uns Unachtsamkeit gefährlich werden. Ole wollte dahingehend kein Risiko eingehen. Sollte sich sein Verdacht bestätigen, würden wir dieser Spur nicht weiter folgen.

Jon hatte sich am Vortag eine unschöne große Blase gelaufen. Auf den ersten Metern bereitete sie ihm große Schmerzen, erst als er die Schuhe gewechselt hatte ging es besser.
Nach einiger Zeit verlor sich die zweite Spur. Wir fanden Überreste eines größeren Vogels, ob diese jedoch vom Luchs stammten war zweifelhaft. Und mit jeder Stunde, die verging sank unsere Chance auf eine Sichtung.
Gegen Mittag legten wir eine längere Rast ein und Jon bereitete das Essen vor. Kurz vorher hatten wir eine frische Spur entdeckt, das heißt unser Scout hatte sie gesehen. Die Ausscheidungen waren noch feucht und wohl kaum älter als zwei bis vier Stunden, so seine Vermutung.


Während Jon die Suppe rührte wollte ich die nähere Umgebung erkunden. Mir war klar, dass dies wohl die letzte Möglichkeit dafür darstellte. Ich kehrte bis zur Fundstelle zurück und folgte den teilweise sichtbaren Fährten. Der Waldboden war ziemlich trocken und nur ab und an waren die Abdrücke der Tatzen in der staubigen Oberfläche zu erkennen. Der Wald war hier verhältnismäßig dicht, eigentlich ideal für eine Raubkatze, um sich von der nächtlichen Jagd zu erholen und zu verstecken. Als sich vor mir eine Lichtung auftat wollte ich kehrt machen, doch irgendetwas hielt mich davon ab. War da etwas am Rand der Lichtung? Hinter einem Baum blieb ich stehen und nahm meine Kamera mit dem 500er zur Hilfe. Dank der digitalen Brennweitenverlängerung schaute ich durch ein 750er Objektiv. Am Rand der Lichtung waren mehrere große Steine, aber hinter einem bewegte sich doch etwas, oder war das nur eine Täuschung? - Nein, keine Täuschung! Unglaublich, aber hinter dem Stein döste tatsächlich ein Luchs. Ich war gut siebzig Meter von der Stelle entfernt und drückte auf den Auslöser. Doch das leise Klicken reichte aus, um die Katze aufzuschrecken. So hob den Kopf und schaute direkt in meine Richtung. Ich machte weitere Bilder und dachte nicht über die möglichen Konsequenzen nach. Was wenn sie mich gewittert hatte, würde sie fliehen oder auf mich zukommen? Ich blieb ganz still stehen und beobachtete den Luchs. Nach einer Ewigkeit, oder auch nur fünf Minuten legte sich die Katze wieder hin. Langsam und ohne sie aus den Augen zu lassen bewegte ich mich von ihr weg.


Zwanzig Minuten später war ich wieder im Lager und zeigte Jon meine Entdeckung. Die Suppe war Nebensache. Er schnappte sich die Kamera und machte sich zusammen mit Ole auf den Weg, den ich ihnen beschrieben hatte.
Beide hatten die Katze noch zu Gesicht bekommen. Jon hatte sie jedoch nur noch von hinten fotografieren können als sie flüchtete.
Auf unseren Rückweg war der Luchs das einzige Thema. Wir waren uns einig, unsere von Mückenstichen geschundenen Arme und Gesichter, die schmerzenden Blasen und die wund gescheuerte Schulter waren es für diesen einen Moment wert gewesen. Und selbst Ole bestätigte, dass er froh war diese Tour angenommen und nicht abgelehnt zu haben. Solche Begegnungen sind einfach zu selten, als dass man sie vorbeiziehen lassen konnte.


Bei all der Freude und den überschwänglichen Reaktionen wären wir beinahe über eine andere Begebenheit gestolpert und das im wahrsten Sinne des Wortes. Mitten auf einen Schotterweg schlängelte eine schwarze Kreuzotter und versuchte im Schutz des Gestrüpps zu entkommen. Zwei Begegnungen mit wilden und nicht ganz ungefährlichen Tieren an einem Tag. Wenn das kein Abenteuer ist.







Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 27. Das alte und neue Gesicht der Hardangervidda

Das alte und neue Gesicht der Hardangervidda

Ich glaube Eidfjord hat in der vergangenen Nacht die gesamte Wassermenge für den Monat Juli bekommen. Bei den Stakkatos der Regentropfen folgte ein Akkord dem anderen. Und die Dachpfannen über meinem kleinen Zimmer dienten als Verstärker für das feuchte Konzert. Die grauen, undurchdringlichen und wabernden Zuschauer an den Berghängen und über dem Fjord verlangten nach Zugaben. Das laute Trommeln ließ gar nicht erst zu, dass sich die Streicher aus Sonnenstrahlen hätten durchsetzen können.

Tiefhängende Wolken am Eidfjord Vatnet

Bis Øvre Eidfjord ist es nur ein Katzensprung. Hier liegt der Abzweig nach Hjølmo. Dichter Nebel umhüllte die Berge. An eine Wanderung zum Vedalsfossen war nicht zu denken.
Ich setzte meinen Weg, bis zum Parkplatz am Vøringfossen, fort. Wie zu erwarten auch hier das gleiche Bild. Teilweise war die Hand vor Augen nicht zu sehen. Trotzdem entschloss ich mich zur Wanderung entlang der alten Passstraße. Auf fünf Kilometer Länge wird ein Höhenunterschied von 500 Metern überbrückt.


Aussichten auf der alten Hardangervidda- Straße

Zu Beginn des Weges war rein gar nichts zu sehen. Nach etwa einen Kilometer wurde der Blick ins Tal klarer. Der Ablauf des Vøringfossen war gut zu sehen, der Wasserfall selber nicht. Dafür war sein Grollen und Tosen deutlich zu hören. In der Stille die mich umgab, ich war ganz allein unterwegs, konnte man den Eindruck gewinnen, er wolle etwas erzählen.
Nach gut anderthalb Kilometern traf ich auf einen Italiener, der mit seinem Wohnmobil auf dem Parkplatz stand. Sein Ziel war ebenfalls der Wasserfall, der jedoch gar nicht zu sehen war, wie er verzweifelt feststellte. Und ich konnte ihm auch nichts Besseres von oben berichten.


Die Måbøbrücke im gleichnamigen Tal

Dabei wieder das Erstaunen, dass ich zu Fuß unterwegs war. Mir scheint wir Deutschen haben in anderen Ländern keinen besonders guten Ruf was das Wandern angeht. Natürlich weiß ich, dass ich keine Ausnahme darstelle.
Dort wo sich der Blick ins Måbøtal öffnet traf ich auf ein Paar aus Holland. Sie quälten sich mit dem Fahrrad den steilen Weg hinauf. Auch hier die Frage nach der Aussicht auf den Wasserfall, die ich negativ beantworten musste. Vielleicht wird es ja im Laufe des Tages noch etwas, versuchte ich Hoffnung zu verbreiten. Die Beiden bedankten sich und machten sich wieder auf den Weg, der sie durch die Hardangervidda nach Oslo und weiter nach Egersund führen sollte. Von dort wollten sie mit dem Schiff zurück nach Dänemark, wo ihr Auto stand.


Bequemer geht es mit der Trollbahn

Mein Weg führte weiter hinunter ins Tal und zur Måbøbrücke. Sie wurde 1910 erbaut. Die Bögen sind in Trockenbauweise zusammengefügt. Dabei wurden die Steine so verzahnt, dass sie sich gegeneinander abstützen. Über Jahrzehnte fuhr der Schwerlastverkehr darüber, ohne dass die Brücke irgendwelche Ermüdungserscheinungen zeigt. Diese Straße gibt es immerhin schon seit 1915 und verbindet seither Oslo mit Bergen.
Zur damaligen Zeit war die Straße noch einspurig was auch völlig ausreichend war. Doch mit dem zunehmenden Autoverkehr und dem Tourismus wurde dieser Engpass zu einem ernsten Problem. Wartezeiten von bis zu fünf Stunden waren keine Seltenheit. Das führte zu dem Entschluss den neuen Abschnitt durch die Berge hindurch zu führen. Heute ist es ganz selbstverständlich durch die Tunnel zu fahren und in kurzer Zeit auf der Hochebene zu sein.

Der Måbøgården

Wenig später bin ich am Ziel, dem Måbøhof. Dieser war von 1600 bis 1967 bewohnt und bewirtschaftet. Heute beherbergt er ein kleines Museum in dem die Lebensbedingungen und Gewohnheiten aufgezeigt werden.
Während der gut einstündigen Wanderungen, die kurzen Unterhaltungen mit eingerechnet, blieb ich vom Regen verschont. Doch im Tal begann es wieder zu regnen und zwar ziemlich heftig. So wählte ich für den Rückweg die bequemere und trockene Variante mit der Trollbahn. Hier bekam ich auch die ein oder andere Information zu der Wegstrecke. Allerdings hätte ich mir gewünscht, das Abspielgerät hätte richtig funktioniert.

Ausblick vom Sysendamm

Wer sich für den Weg zum Fuß des Vøringfossen interessiert, dem kann ich noch einige Infos dazu geben. Der schmale Trampelpfad führt vom Tal zunächst am See und später am Fluss entlang. Bei einem Wetter, wie es heute vorherrschte sicher kein Vergnügen. Festes und trittsicheres Schuhwerk ist auf alle Fälle erforderlich. Und wer am Ende auch noch die 1300 Stufen bis zum Hotel Fossli hinauf will muss schon schwindelfrei sein. Der Abgrund ist allgegenwärtig.
Bemerkenswert dazu ist, das Baumaterial für das 1891 errichtete Hotel wurde über genau diesen Weg mit den robusten Fjordpferden heran- und nach oben geschafft.

Trotz seiner Größe fügt der der Sysendamm perfekt in die Landschaft

Wieder am Ausgangspunkt angekommen lag der Parkplatz noch immer im dichten Nebel. Nach einem Imbiss fuhr ich gegen zwei Uhr weiter. Einen Abstecher zum Hotel konnte ich mir sparen. Die Wolken hüllten alles in dichtes Schweigen.
Die Straße steigt weiter an und mit einem Mal war die Wolkendecke durchstoßen. Nach der grauen undurchsichtigen Watte erschien das Tageslicht beinahe schmerzend hell.
Der Sysendamm machte schon von weiten auf sich aufmerksam. Der Steinwall auf der linken Seite ist einfach nicht zu übersehen. Ich nutzte das aufklarende Wetter für einen weiteren Spaziergang. Einmal über den gesamten Damm und zurück.

Rastplatz bei Dyranut, dem höchsten Punkt der Hardangervidda

Bei Dyranut ist der höchste Punkt der Hardangervidda erreicht. Die wenigen Schneefelder überraschten mich ein bisschen. Nach meinen bisherigen Erlebnissen hatte ich doch etwas mehr erwartet. Auch hatte sich die Landschaft deutlich verändert. Es gab viel mehr Häuser oder Ferienhütten in der Hochebene als noch vor fünf Jahren und der Bauboom scheint noch kein Ende zu haben. Das gilt auch für die zahlreich angelegten Parkplätze mit viel Information zu der Gegend.

Kleines samisches Freilichtmuseum bei Fagerheim

Die RV 7 ist eine der ersten Straßen, die zu sogenannten Touristenstraßen ausgebaut werden. Dazu gehören auch die vielen neuen Parkplätze an interessanten Punkten. Sogar Leitplanken an besonders heiklen Stellen fand ich zu meinem Erstaunen. In Ustaoset sind große Hotels entstanden und der Bahnhof war in dieser Größe vor fünf Jahren auch noch nicht da gewesen.

Freilichtmuseum in Geilo

Typische Lagerhäuser

Das Gesicht der Hardangervidda entlang der RV 7 hat sich gewaltig geändert. Der Tourismus bestimmt nun die Gestaltung der Landschaft. Das trifft auch auf Geilo zu. Einige Kilometer vor dem Ort fallen große Überlandmasten für die Stromversorgung auf. Im Zentrum gibt es ein großes Einkaufscenter und das nicht gerade kleine Geilo- Hotel wird durch einen großen Anbau erweitert. Auffällig sind auch die vielen kahlen Stellen an den Berghängen. Geilo war schon immer Zentrum des Wintersports, trotzdem haben die Pisten und Sessellifte noch einmal deutlich zugenommen.


Kirche in Geilo

So wundert es nicht wirklich wenn man liest, dass die Grundstückspreise im Süden des Landes förmlich explodieren während im Norden immer mehr Menschen abwandern. Aber so ist das, was begehrt ist hat auch seinen Preis.

Ziegen in Geilo