Montag, 29. Dezember 2008

Norwegen 2000 - Neue Wege - 12. Svartisen Gletscher

Svartisen Gletscher
Die Nacht war, wegen der geschilderten Umstände, sehr kurz. Trotzdem kann ich den Platz all jenen empfehlen, die das Angebot rund um den Svartisen Gletscher nutzen wollen. Geboten wird jedenfalls reichlich. Neben dem Gletscher bieten sich Führungen durch die Grønli Grotte an. Und auch nur um zu wandern ist das Gebiet sehr empfehlenswert.
Ich wollte also zum Gletscher. Bis zum Svartisvatnet benutzte ich dann doch das Auto. Ursprünglich wollte ich die Strecke mit dem Fahrrad fahren, aber nach der schlaflosen Nacht entschied ich mich dagegen.
Das Café am See war bereits geöffnet, so dass ich mir die Wartezeit mit einer Tasse Kaffee vertrieb. In dem Café gibt es einige Bilder, die die Gletscherentwicklung dokumentieren. Noch vor 150 Jahren lag der Svartisvatnet unter dem Gletschereis. Hundert Jahre später endete das Eis dort wo sich heute der Wasserfall in den See ergießt. Und dann bedurfte es nur noch fünfzig Jahre um ihn weitere vier Kilometer zurück zu drängen. Soweit also die Theorie, von der einige der Anwesenden schon überrascht waren. Sie waren hierher gekommen, in der Hoffnung, den Gletscher gleich vor Augen zu haben. Von der Schifffahrt und der anschließenden Wanderung zum Gletscher hatten sie nichts geahnt. Einige verließen den Ort auch wieder, weil es nicht in ihren Zeitplan passte.
Der Gletscherabfluss, ein tosender Wasserfall
Um elf Uhr ging es mit es mit dem Motorboot über den giftgrünen Svartisvatnet zur anderen Seite. Die Fahrt dauerte knapp dreißig Minuten. Diese kleine Personenfähre ist das einzige Schiff, das auf dem See fahren darf. Für alle anderen Vergnügungen ist der See gesperrt. Der Grund dafür wird schnell klar, wenn man mal den Finger ins Wasser steckt. Es handelt sich um gesättigtes Wasser. In jedem Liter befinden sich Millionen von feinsten Gesteinspartikeln, die der Gletscher vom Berggestein abgeschliffen hat und über die Zuflüsse in den See gelangt sind. Daher rührt auch die giftgrüne Färbung.
Am Fuß des Svartisengletschers
Am anderen Ende des Sees ging es dann zu Fuß weiter. Die Fährmann erinnerte noch einmal daran, dass die letzte Rückfahrt Punkt achtzehn sein würde. Wer nicht pünktlich war durfte eine Nacht am Gletscher verbringen.
Zum Gletscher hinauf gibt es keine festen Wege, trotzdem reicht gutes Schuhwerk aus um ans Ziel zu gelangen. Die Wanderung ist auch nicht sonderlich anstrengend obwohl es stetig bergan geht.
Der Wasserfall zur Linken begleitet uns ein ganzes Stück ehe er oben in eine Felsenhöhle verschwindet. Er dient gleichzeitig als Ablauf für den oberen Gletschersee, dem Austerdalsvatnet. Die Flora in unmittelbarer Umgebung des Gletschers ist spärlich. Moosflechten, Wollgras und geduckt wachsendes Gestrüpp oder schon mal eine kleine Birke, mehr ist nicht zu finden. Aber auch der Berg hat einiges zu erzählen wenn man nur genau hinschaut. Anhand der Linien im Gestein kann man genau nachvollziehen in welchem Tempo sich der Gletscher zurück gezogen hat.

Noch reicht das Eis bis in den oberen Gletschersee
Während des Aufstiegs wurde es immer wärmer und ich fragte mich schon wofür ich eigentlich die Jacke in meinem Rucksack gesteckt hatte. Die Antwort bekam ich nach fünfzig Minuten gemütlicher Gangart. Der Gletscher war noch gar nicht zu sehen aber deutlich zu spüren. Es wurde windiger und gleichzeitig kälter. Ich erinnerte mich an das Phänomen, dass ich bereits am Jostedalsbreen kennen gelernt hatte. Hier war es nicht anders und trotz der fünfundzwanzig Grad musste nun die Jacke hervorgeholt werden. Noch eine letzte Felsnase umrundet, dann lag er vor mir, ein Ausläufer des Svartisen Gletschers. Was man hier sah, war nur ein Bruchteil eines Gesamtwerkes welches die Natur geschaffen hatte. Hier wurde der Gletscher seinem Namen jedoch nicht gerecht. „Svartisen“ = schwarz oder schwarzer Gletscher. Seine Farben reichten von Elfenbein bis ins bläuliche.


Gletschereis im Sonnenlicht
Ich suchte mir einen guten Platz mit Blick auf das ewige Eis, dessen Endlichkeit bei genauerem Betrachten zu erahnen war, und packte das mitgebrachte Obst und die Brote aus. Hier, wenige Schritte von mir entfernt begann die Gefahrenzone, wie die vielen Warntafeln erklärten. Man sollte sich keinesfalls dem Eis nähern, da es ständig in Bewegung war und jederzeit explosionsartig abbrechen konnte. Viele der Touristen hielten sich jedoch überhaupt nicht daran und marschierten geradewegs bis zum Fuß des Gletschers oder sogar den Berg hinauf um ihn von oben betrachten zu können. Mir genügte die Nähe seiner eisigen Eminenz.


Es blüht nicht viel auf kargem Fels - Wollgras

Ja, tatsächlich, für mich hatte dieser Gletscher etwas Erhabenes, etwas königliches. Wenn man sich nur mal vorstellte, dass das Eis mehrere tausend Jahre überdauert hatte. Was für eine Zeitspanne das im Vergleich zu unserer Zeit auf diesem Planeten war. Nachdem ich mich gestärkt hatte und ein Foto mit mir vor der Kulisse machen ließ, machte ich mich auf den Rückweg. Den Weg, den ich gekommen war, galt es nun in umgekehrter Richtung zu gehen.


Am Felsen ist die Arbeit des Gletschereises gut abzulesen

Am Nachmittag traf ich wieder auf den Campingplatz in Rossvoll ein. Eigentlich war noch Zeit genug weiter Richtung Norden zu fahren, aber der fehlende Schlaf der vergangenen Nacht hielt mich davon ab. So verbrachte ich die Abendstunden damit im Liegestuhl zu liegen und mich noch einmal mit dem deutsch sprechenden Mädchen zu unterhalten.






Norwegen 2000 - Neue Wege - 11. Atlantik- Küstenstraße RV 17

Atlantik- Küstenstraße RV 17

Nachdem es in den letzten Tagen stärker bewölkt und kaum über zwanzig Grad warm war, zeigte sich der Morgen von seiner schönsten Seite. Kein Wölkchen trübte das tiefe Blau des Himmels. Von der Wetterseite sollte es ein schöner Tag werden und das konnte ich auch gebrauchen, schließlich standen vier Überfahrten mit verschiedenen Fähren auf dem Programm. Los ging es in Holm. Die Überfahrt reichte kaum für eine Tasse Kaffee. Abgelegt und gleich darauf in Vennesund wieder angelegt. Vor mir lagen fünfunddreißig Kilometer Fahrweg bis zur nächsten Fjordüberquerung. Doch zuvor weckte ein kleines Freilichtmuseum bei Mosaksa meine Aufmerksamkeit.

Kleines Freilichtmuseum Mosaksla (Brønnøysund)
Fünf oder sechs Gebäude und eine kleine Kirche, die ausnahmsweise unentgeltlich besichtigt werden konnte. Überhaupt war das Freilichtmuseum kostenlos, gegen eine kleine Spende wurde aber auch nichts eingewendet. Dafür bekam man dann auch eine Führung mit den entsprechenden Erklärungen. Leider erfolgten die Ausführungen in Landessprache und die ellenlangen Erklärungen in englisch konnten gar nicht so schnell gelesen werden. Ein Paar in meinem Alter war an jenem Morgen ebenfalls auf dem Gelände. Später erfuhr ich, dass sie aus Oslo kamen und in den Norden geflüchtet waren, weil das Wetter im Süden so grottenschlecht war. Sie sprach etwas deutsch und übersetzte die Führung für mich, so als wäre es ganz selbstverständlich. Nach einer Stunde bedankte ich mich und setzte meinen Weg fort, doch schon auf der nächsten Fähre trafen wir uns wieder. Das lag ja auch nahe, denn hier an der Küste gab es eigentlich nur zwei Richtungen, nach Norden oder nach Süden.


Kirche des Freilichtmuseums
Die zweite Überfahrt führte von Horn nach Anddalsvagen und war ebenfalls von kurzer Dauer. Die Aussicht über die weite Fjordlandschaft hatte ihre Reize, ganz besonders wenn das Wetter es so gut meinte. So kurz wie die Überfahrt war auch der Fahrweg über die Straße. Nur ganze siebzehn Kilometer trennen Anddalsvagen von Forvika. Außer der schönen Aussicht gab es auch nicht viel zu bewundern, trotzdem sollte der Aufenthalt über zwei Stunden währen. So lange dauerte es ehe die nächste Fähre fahren sollte. Eigentlich wollte ich die Zeit im Hafencafé verbringen, doch das schloss gerade. Auf meine Frage, wann es wieder öffnete, sagte man mir: „ eine halbe Stunde vor Abfahrt der nächsten Fähre. Merkwürdige Geschäftsgebaren. Jetzt warteten die Leute und würden ihr Geld ausgeben, wenn man sie ließe.



Hafenblick bei Holm
So nutzte ich die Zeit, um mir die Felszeichnungen in Vistnes anzuschauen. Ein unbefestigter Weg führte in die Nähe, der Rest musste zu Fuß bewältigt werden. Von Vistnes aus hatte man auch einen sehr schönen Blick auf die „Sju Søstre“ oder sieben Schwestern. Dabei handelt es sich nicht um irgendwelche schönen Frauen, sondern um eine Gebirgskette mit eben sieben Erhebungen.

Felszeichnungen von Vistnes (Tjøtta)
Im Land der Trolle erzählt man sich viele Geschichten und so haben auch die sieben Schwestern ihre Geschichte. Man erzählt sich, dass sie sich eines Nachts auf den Weg gemacht hatten um sich nach schönen Männern umzuschauen. Damit waren sie dann so beschäftigt, dass sie vergaßen wie schnell die Sonne wieder über den Horizont kroch. Voller Panik eilten sie über den Fjord nach Hause, doch die Sonne war schneller und alle sieben erstarrten zu Stein. So kann es gehen wenn Trolle nicht hören.


Bick auf die Sju Søstre
Die Überfahrt nach Tjøtta dauerte eine gute Stunde. Ich nutzte die Zeit um das Paar aus Olso zu einem Kaffee einzuladen und mich damit noch einmal für die Freundlichkeit zu bedanken. Wenig später sollten sich unsere Wege trennen. Die beiden wollten weiter die Küstenstraße bis Bodø hochfahren. Mein Weg sollte mich nach Mo I Rana führen. Der Svartisen Gletscher war mein nächstes Ziel. Aber soweit waren wir noch nicht.
Sju Søstre bot von der Seeseite ebenso schöne Ansichten, wie wenig später von Landseite. Auch die Helgelandsbrua imponierte, auch wenn man dort wieder mal zur Kasse gebeten wurde. Aber schließlich war es ja egal ob man für die Fähre oder eben für eine Brücke bezahlte. Bezahlen musste man in jedem Fall.


Später nochmal von der Straße aus
Am späten Nachmittag stand schließlich die letzte Fährfahrt auf dem Programm. Sie führte von Levang nach Nesna und von dort weiter nach Mo I Rana. Auf dem Weg dorthin konnte man herrliche Landschaften bestaunen, die im Licht der untergehenden Sonne beinahe märchenhaft wirkten. Ganz anders die Stadt. Sie wirkte wenig einladend, und mit ihren grauen Betonfassaden der ansässigen Industrie, beinahe wie ein Fremdkörper in der Landschaft. Etwas außerhalb, bei Rossvoll, sollte ich mein heutiges Nachtquartier finden und noch eine besondere Begegnung haben.

Die Helgelandsbrücke ersetzt die Fähre, aber nicht die Kosten
Die Platzwirtin sprach ein fürchterliches englisch, jedenfalls verstand ich kein Wort. Daraufhin schaute sie an mir vorbei auf das Kennzeichen meines Wagens und rief gleich darauf etwas. Dem Ruf folgte ein junges Mädchen, etwa sechzehn Jahre, vermutlich die Tochter. Erneut brachte ich mein Anliegen in Englisch vor und bekam zur Antwort: „Sie können ruhig deutsch mit mir reden.“ Ich glaube, ich habe in dem Moment dreingeschaut, als wäre mir ein Geist begegnet. Ihre Aussprache war so klar und fehlerfrei, dass ich im ersten Augenblick gar nichts sagen konnte und mit offenen Mund vor ihr stand, was ihr ein herzliches Lachen entlockte. „Genau so schauen mich alle deutschen Touristen an, wenn ich sie nach ihren Wünschen frage“, sagte sie und lächelte freundlich. Meine Wünsche waren schnell vorgebracht, die Auskünfte die ich brauchte bekam ich ebenfalls. Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte und eine wohltuende Dusche genossen hatte, kam ich nicht umhin mich noch einmal mit dem Mädchen zu unterhalten. So erfuhr ich, dass an norwegischen Schulen deutsch zum Unterricht gehörte. Die Schüler können zwischen deutsch und englisch wählen. Und nicht wenige entscheiden sich für die deutsche Sprache. Sie liebte die Sprache nach ihrer eigenen Aussage und das war wahrlich zu hören. Nicht ohne stolz erzählte sie, dass sie seit fünf Jahren immer die Klassenbeste in Deutsch war, und dass sie eines Tages dieses Land besuchen wollte, von dem sie schon so viel gehört und gelesen hatte.

Ausblick auf den Leirfjord
Die Nacht auf dem Platz war weitaus weniger amüsant, aber das hatte nur etwas mit der Lage des Platzes zu tun. In unmittelbarer Nähe führt die E 6 vorbei und gleich hinter dem Platz liegt der Flughafen von Rossvoll. Die Maschinen der SAS donnern geradewegs über darüber hinweg, aber das zum Glück nur bis zweiundzwanzig Uhr. Auch der Verkehr wäre zu ertragen gewesen, wenn da nicht einige Jugendliche ihre nächtlichen Straßenrennen veranstaltet hätten. Dazu auch noch die überlaute, kaum zu ertragende Musik. Gezwungenermaßen blieb ich bis weit nach Mitternacht hellwach. Erst gegen drei trat Ruhe ein.







Norwegen 2000 - Neue Wege - 10. Namsos

Namsos

Nach drei Tagen und reichlich Aktivitäten rund um Dombås und dem Dovrefjell wurde es Zeit weiter Richtung Norden zu fahren. Mein Zeitplan war bereits leicht aus den Fugen geraten, aber darüber machte ich mir noch keine Sorgen. Der heutige Streckenabschnitt bot meinen Informationen nach nicht allzu viel an Sehenswürdigkeiten, so dass ich mich darauf konzentrieren konnte voran zu kommen. Noch einmal konnte ich Eindrücke von der Landschaft des Dovrefjells sammeln. Vom Snøhetta, der hinter Hjerkinn am Horizont auf der linken Seite auftauchte. Die wenigen Häuser, wie dem Dovregubbens in dem auch ein kleines Heimatmuseum unterbracht ist, oder Kongsvoll. Bei Oppdal lag das Dovrefjell hinter mir.
Die Dovregubbenshall bei Hjerkinn
Ich folgte der E 6 weiter über Støren Richtung Trondheim. Auf eine Stadtbesichtigung verzichtete ich. In Melhus bot die achteckige rote Kirche ein interessantes Motiv. Auch der Trondheimfjord, der allein schon wie ein Meer daher kam, weil er so breit erschien, bot schöne Aussichten und ließ auf einen Rastplatz verweilen und gleichzeitig stärken. Auf dem weiteren Weg waren plötzlich Nebelkrähen meine ständigen Begleiter. Wobei ich eine zeitlang nicht wusste, dass es sich dabei um Nebelkrähen handelte. Jedenfalls erregten sie meine Aufmerksamkeit, aber die Tiere waren viel zu schlau, oder zu scheu, um mich für ein Foto nahe genug heran zu lassen.


Wegweiser - Der Weg nach Norden ist lang
Am frühen Abend erreichte ich Steinkjer und es wurde Zeit mir ein Platz zum Übernachten zu suchen. Campingplätze gab es zum Glück mehr als ausreichend, so dass die Suche niemals lange dauerte. Der Ort eignete sich gut für die Vorhaben am nächsten Tag.



Das Felsenschwimmbad in Namsos
Das erste Ziel hieß Namsos. Ich hatte bei meiner Planung von dem Felsenschwimmbad gehört und ein wenig Entspannung mit Schwimmen war auch gar nicht schlecht. Gegen zehn Uhr am Morgen erreichte ich den kleinen Ort. Das besagte Schwimmbad war schnell gefunden, da es gut ausgeschildert ist. Von außen wirkte die Badeoase, wie sie sich hier nannte, mehr als trist. Der graue Beton des Eingangsbereiches stand im krassen Widerspruch zum Namen. Tatsächlich überlegte ich einen Augenblick meine Fahrt ohne Schwimmpause fortzusetzen. Doch wo ich schon mal hier war, konnte es nicht schaden sich innen einmal umzusehen.



Kirche bei Høylandet

Und wieder traf ich auf Gegensätze. Der Weg bis zum Foyer ähnelte ein wenig den hier allseits bekannten Tunneln. In den Berg hinein gefräst, asphaltiert und fertig. Hier hatte man sich etwas mehr Mühe gegeben. Die rauen Felswände waren mit einer dünnen Schickt Spritzbeton überzogen und es gab Schaukästen mit Bademode verschiedener Anbieter. Vom Foyer aus konnte man direkt in das Hallenbad sehen. Es wirkte wie in einem großen Felsdom gebaut. Die Architektur war ein bisschen dem Naturstein angepasst. Das war doch mal etwas ganz anderes als die bekannten schnöden und kalt gekachelten Schwimmtempel, die bei uns überall anzutreffen waren. Und das Bad hatte auch noch einiges zu bieten. Eine große Wasserrutsche, Warmwasser Whirlpool, Fünfzig Meter Wettbewerbsbecken und fünf Meter Sprungturm. Hier wurden sogar schon Europa Meisterschaften und viele nationale Wettbewerbe ausgetragen. Soweit also der optische Eindruck, doch was würde der Spaß kosten sich hier für ein oder zwei Stunden austoben zu wollen? Die Tageskarte, etwas anderes wird nicht angeboten, schlägt mit fünfzig NOK, also etwa zwölf DM zu buche. Für die zwei Stunden, die ich mich dort aufgehalten habe mag das etwas viel erscheinen, aber es liegt im eigenen Ermessen, wie lange man sich im Bad aufhält. Neben dem Erwähnten kann man sich auch bei einer Tasse Kaffee, einem Eisbecher oder kleinen Snack in der Cafeteria entspannen. Und wer noch mehr für seine Fitness und Gesundheit machen möchte, dem sei das Fitness Studio im anderen Flügel der Felshalle empfohlen. Der Bereich ist allerdings gesondert zu bezahlen.

Trollhaus bei Høylandet
Nachdem ich meine zwanzig Bahnen geschwommen und mich anschließend im Whirlpool entspannt hatte, war es an der Zeit meinen Weg fortzusetzen. Über Høylandet ging es zurück auf die E 6 nach Namskogan. Dort gibt es an einem Stauwehr eine Lachstreppe. Der Fluss Namsen war für die Lachse sehr wichtig, um zu ihren Laichplätzen zu gelangen. Nach dem Bau des Stauwehrs war ihnen der natürliche Weg genommen. Tierschützer und die Verantwortlichen des Kraftwerkes überlegten gemeinsam, wie den Fischen zu helfen war. Heraus kam eine künstliche Lachstreppe. Ein kleiner Teil des Flusses wurde am Wehr vorbei durch ein Stufensystem geführt. Es war allerdings zu Beginn fraglich ob die Lachse diesen künstlich angelegten Weg auch nehmen würden. Inzwischen hatte man entsprechende Kenntnisse gesammelt. Die Fische haben den neuen Weg angenommen. So wie sie sich Wasserfälle Stück für Stück hinauf arbeiten, so müssen sie auch diese Lachstreppe bewältigen. Um die Kosten zu rechtfertigen, bzw. wieder herein zu holen, hat man kurzerhand eine Touristenattraktion daraus gemacht. Teile des Kraftwerks sind zu besichtigen, Man kann die Fische beim Springen beobachten, wenn man genügend Zeit und Geduld hat, und man sie in den oberen Stufen durch Glasscheiben sehen. Auf der anderen Seite schließt noch eine Parkanlage und ein Aquarium an. Nicht zu vergessen das Fischrestaurant, in dem man ausgezeichnet essen kann, wovon ich mich selbst überzeugte. Und damit keine falschen Mutmaßungen aufkommen, die Fische, die sich in den einzelnen Stufen befinden werden nicht einfach heraus gefischt und im Restaurant verarbeitet. Das Angeln ist nur unten im Fluss erlaubt, die Lachstreppe ist tabu.


Lachstreppe bei Namskogen
Am Nachmittag setzte ich meinen Weg fort. Nun ging es teilweise den gleichen Weg zurück nach Høylandet und von dort weiter auf der RV 17 der berühmten Atlantik Küstenstraße. Bis dahin war es aber noch ein Stück weit. Vor Kjolstad entdeckte ich dann einen Campingplatz, der mir geeignet schien. Von dort nach Holm waren es noch um die vierzig Kilometer. An der Rezeption traf ich auf einen jungen Mann. Ich brachte meine Wünsche vor. Es war kein Problem ein Plätzchen für eine Nacht zu bekommen. Allerdings wollte man mich nicht auf dem Hauptplatz haben. Auf der anderen Straßenseite gab es einen Platz für Kurzcamper. Ich wollte schon einwilligen, als mir der junge Mann auch noch zu verstehen gab, dass die Sanitäranlagen nicht benutzt werden dürften, die sind nur für die Dauercamper gedacht. Ich fragte nach anderen Waschmöglichkeiten, aber die gab es nicht. Das war mir dann doch zu viel Natur und ich verzichtete darauf dort zu übernachten. Direkt bei Kjolstad sollte es auch noch einen Platz geben, auf die zehn Kilometer kam es nun auch nicht mehr an.
Die angebotene Wiese entpuppte sich bei der Weiterfahrt als Stoppelfeld, also absolut nicht dazu geeignet ein Zelt darauf aufzustellen.


...mit Schaufenster

Der Platz in Kjolstad erfüllte dann wieder alle Kriterien, die ich bisher in Norwegen vorgefunden hatte. Ruhig, sauber und alles was man für eine Nacht brauchte. Vielleicht sogar etwas mehr, denn einen eigenen Wasserfall hatte auch nicht jeder Campingplatz. Ebenso wenig Stechfliegen! War ich die ganze Zeit über noch von Mücken verschont geblieben, so wurde ich hier plötzlich von diesen heimtückischen Stechfliegen attackiert.



Typisch norwegisches Lagerhaus

Ich lag in meinem Liegestuhl machte meine Tagesnotizen und dann plötzlich dieses Brennen zwischen den Zehen. Zunächst hatte ich etwas ganz anderes in Verdacht, aber so schnell würde das nun auch nicht gehen. Ich schaute nach und fand die Einstiche, immer schön zwischen den Zehen. Genug davon, nur soviel noch: Dieses Andenken begleitete mich noch etliche Tage und das Jucken eines Mückenstichs war weitaus erträglicher.



Kjelda, Campingplatz mit Wasserfall









Norwegen 2000 - Neue Wege - 9. Elchsafari in Furuhaugli

Elchsafari in Furuhaugli

Der Tag begann mit faulenzen und das sah so aus. Gemütlich im Freien frühstücken, anschließend Lebenszeichen in Form von Postkarten snden und dann nur noch im Liegestuhl liegen, ein Buch lesen und dabei die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut spüren. Erst am späten Nachmittag brach ich auf, um mich beim Treffpunkt einzufinden. Die Elchsafari lag preislich etwas unter der des Vortages. Vor dem Aktivcenter hatten sich zwölf Personen eingefunden. Unter ihnen eine Familie aus Dortmund, sie bestand allein aus sechs Personen.
Wieder ging es Richtung Dovrefjell über die E 6. Zwischen Dombås und Hjerkinn lag unser Ziel. Die Fahrzeuge blieben auf dem Parkplatz zurück. Während der Wanderung Richtung Birkenwald kam ich mit einem ebenfalls allein reisenden Niederländer ins Gespräch. Unterdessen fiel die Dortmunder Familie oder besser gesagt der Mann, gleich zu Beginn unangenehm auf.

Elchkuh im Birkenwald
„Jetzt sag bloß nicht wir müssen hier stundenlang herumlaufen um so ein paar dämliche Viecher zu sehen“, war sein Kommentar nach nur zwanzig Minuten. Der Scout lächelte verlegen, wobei ich mir nicht sicher war, ob er die Worte wirklich verstanden hatte.
Wir drangen in das Waldgebiet ein und folgten Wegen, die wohl nur unser Scout sah. Die ständigen Richtungsänderungen trugen auch nicht gerade dazu bei, Vertrauen zu erwecken. Selbst ich hatte den Eindruck der Junge war mit der Aufgabe überfordert.


Elche beim erfrischenden Bad in der Abendsonne
Der Dortmunder machte erneut seinem Unmut Luft und schrie beinahe. „Weiß der überhaupt, wo der uns hinführt?“ Das war nach einer Stunde.
„Hätte ich mich doch bloß nicht auf die Scheiße eingelassen“, war der Kommentar am Ende der zweiten Stunde. Für den Gewaltausdruck möchte ich mich gleich entschuldigen, ich gebe hier nur den Originalton wieder. Seine Ungeduld wurde immer größer und die Sympathien aus der Gruppe, ihm gegenüber, immer geringer.
Zugegeben, ich hatte auch meine Zweifel daran, dass der Scout überhaupt wusste wohin er wollte. Andererseits ging ich nach wie vor davon aus, dass er das hier nicht zum ersten Mal machte. Mir machte das Laufen auch nichts aus, die Mückenschwärme, die sich an unseren Fersen geheftet hatten schon eher. Nach weiteren zwanzig Minuten näherten wir uns einer kleinen Lichtung mit einem Tümpel. In englisch gab uns der Scout zu verstehen, dass wir nun leise sein und darauf achten sollten, dass wir nicht ständig auf morsche Äste traten. Zum ersten Mal hielt der Mann nun seinen Mund, sein Gesichtsausdruck sprach dafür weiterhin Bände. Und ich fragte mich, wie man sich im Urlaub erholen konnte, wenn man ständig so schlecht gelaunt war.



Elchkuh am Tümpel
Vor uns öffnete sich die Lichtung und da standen sie, zwei Elche. Es handelte sich um einen Bullen und eine Kuh. Der Bulle stand geradewegs im Tümpel und genoss das kühle Nass. Die Abendsonne schimmerte durch die Bäume und spiegelte sich im Wasser. Das ergab wunderbare Bilder. Zwanzig Minuten ließ uns der Scout Zeit Bilder zu machen oder sich langsam um den Teich herum zu bewegen. Zusammen mit dem Niederländer bewegte ich mich wieder ein Stück in den Wald hinein. Unser Scout mahnte uns, sich nicht zu weit zu entfernen, weil wir uns gleich wieder auf den Rückweg machen wollten.

Ein wahrer Genießer
Wir hatten uns vielleicht zwei-, dreihundert Meter von der Gruppe entfernt, als wir ein Rascheln vernahmen. Wir blickten in die Richtung, sahen aber nichts. Wieder raschelte es, da war doch sicher noch ein Elch, vermuteten wir. Wir nahmen unsere Kameras zur Hilfe und schauten hindurch. Da, braunes Fell. Wir nahmen die Kameras gleichzeitig herunter und starrten uns an, dann wieder durch den Sucher. Das war ja unglaublich, was da in fünfzig Meter Entfernung mit dem Rücken vor uns stand. Noch ein Kurzer Blick und dann wurde auf den Auslöser gedrückt. Während der Rest der Gruppe sich noch mit den Elchen beschäftigte, bzw. gerade in unsere Richtung kam hatten wir einen Braunbären vor uns! Wir sahen ihn nur von hinten, er konnte uns also gar nicht wahrnehmen. Der Scout winkte uns zu, wir sollten kommen. Ich nahm die Kamera herunter und schüttelte den Kopf. „Come here, look a baer“, sagte ich gerade noch laut genug, damit er mich verstand. Der Scout schaute mich an und schüttelte nun seinerseits den Kopf. Hier gibt es keine Bären, gab er uns zu verstehen. Die anderen in der Gruppe hatten den Wortwechsel mitbekommen. „Wo ist ein Bär?“ fragte der Dortmunder mit seiner unangenehmen lauten Stimme und kam auf uns zu. Die Äste brachen unter seinen schweren Schritten. Plötzlich bemerkte der Bär uns. Er stellte sich kurz auf, schaute in unsere Richtung und eilte verängstigt davon. Immerhin hatte der Scout den Bären noch gesehen.


Überraschung auf der Elchsafari, ein Braunbär
Er schien fassungslos und schüttelte immer wieder den Kopf, dann griff er zum Handy und sprach aufgeregt mit jemandem. Nach dem kurzen Gespräch wandte er sich an uns und erklärte, dass es in diesem Gebiet eigentlich keine Bären gab. Der Bär erschien ihm recht jung, vermutlich ein männliches Tier aus Schweden, dass sich nun sein eigenes Jagdgebiet suchte und dabei hierher gelangt war. Jan und mir war es völlig egal. Wir hatten unsere Bilder gemacht und etwas Unvergessliches erlebt. Während des zweistündigen Rückweges sprachen wir von nichts anderen mehr. Die Kinder der Dortmunder Familie waren besonders neugierig und wollten auch wissen ob wir keine angst gehabt hätten. Angst? – Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht, schließlich war ein Bär ein Raubtier. Nein, ich hatte in dem Moment keine Angst, ich sah nur das besondere in der Situation, nämlich einen Bären in freier Wildbahn gesehen zu haben. Das erklärte ich den Kindern und bekam von ihrem Vater zu hören:
„Ihr tut gerade so als hättet ihr noch nie einen Bären gesehen. Was ist denn schon besonderes daran?“
„Haben sie schon Bären gesehen? Ich meine nicht im Zoo oder im Zirkus?“
„Ja wo denn sonst?“
„Hier draußen in der Natur. Im Zoo kann ich Bären sehen, wann immer ich will. Hier draußen, das war das erste Mal. Das ist, weiß Gott, etwas Besonderes.“
Er machte nur eine wegwerfende Handbewegung und beendete das Gespräch damit. Solche Menschen konnten das nicht verstehen.

Er kehrt uns den Rücken zu

Hoffentlich sind wir bald beim Wagen, ich brauche meine Flasche Bier“, das war ihm einzig und allein wichtig. Natur, was war schon Natur? – Was wollte so ein Mensch nur in Norwegen?
Auf dem Parkplatz wäre es dann beinahe zum Disput gekommen. Hatte dieser Mensch doch die Frechheit besessen, sein Geld zurück zu verlangen, weil er nur zwei Elche gesehen hatte.
Mir platzte der Kragen. „So wie sie sich benehmen, muss man sich schämen aus Deutschland zu kommen. Sie haben gesehen was sie sehen wollten. Nirgendwo steht geschrieben wie viele Elche sie zu sehen bekommen. Das hier ist Natur, die Tiere leben in freier Wildbahn. Wenn sie mehr Elche sehen wollen, dann gehen sie in Zukunft in den Zoo, da können die Tiere nicht weglaufen.“ Die übrigen aus der Gruppe stimmten mir nickend zu. Nachdem ich mir einige Beschimpfungen anhören durfte, ehe seine Frau ihn wegzerrte, stampfte er wutentbrannt zu seinem Wohnmobil, schnauzte die Kinder an, dass sie sich beeilen sollten und fuhr davon. Die übrigen Teilnehmer schüttelten verständnislos den Kopf. Ich verabschiedete mich von ihnen und kehrte nach Dombås zurück. Es war schade, dass durch so unzufriedene Menschen ein herrlicher Tag mies gemacht wurde. Dennoch wird mir die Begegnung mit dem Bär immer in Erinnerung bleiben.

Angst? - Keinen Augenblick!







Norwegen 2000 - Neue Wege - 8. Dovrefjell und Moschusochsen

Dovrefjell und Moschusochsen

Hatte ich gestern noch über das schöne Wetter geredet, warum nur? Der Himmel hatte einen dunkelgrauen Mantel übergestreift. Noch war es trocken, aber das war sicher nur noch eine Frage der Zeit. Die Temperatur war ebenfalls merklich zurück gegangen, mein Frühstück im freien ließ ich mir davon aber nicht vermiesen. Das Zelt hatte ich erst einmal abgebaut, da ich noch nicht wusste was ich nach dem Tag noch weiter unternehmen wollte.
Am Treffpunkt wurden die Teilnehmer von einem Scout erwartet. Dieser Scout war weiblich aber das war erst auf den zweiten Blick festzustellen. Blonde, kurz geschnittene Haare, eine Figur, die Ähnlichkeiten mit Dolf Lundgrin aufwies, dessen Intelligenz sie aber sicher bei weitem übertraf. Sie war Studentin und stammte aus Schweden, studierte in Stockholm Tourismus. Die Verständigung erfolgte in englisch.
Zuerst kam die schlechte Nachricht. Sie kam geradewegs aus dem Dovrefjell und es schüttete aus Kübeln, wie ich ihren Ausführungen entnahm. Die gute Nachricht dazu, wer nun die Lust verloren hatte, brauchte auch nicht mitfahren. Unsere Gruppe bestand aus sieben Personen, vier Österreicher, zwei Niederländer und meine Person. Niemand dachte daran sich von ein bisschen Wetter abhalten zu lassen. Alle waren gut ausgerüstet, also konnte es losgehen. Halt, vorher musste noch bezahlt werden. Zweihundertzwanzig NOK, rund fünfundfünfzig DM wurden für diese Tour verlangt. Ich kann es vorweg nehmen, der Preis war angemessen.
Im Dovrefjell- Nationalpark
Mit dem eigenen Auto ging es über die E 6 ins Dovrefjell. Die Fahrzeit war mit einen halben Stunde veranschlagt, der Regen machte die doppelte Zeit daraus. Obwohl die Frau vorneweg fuhr, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Meine Wischer standen auf der höchsten Stufe, gesehen habe ich trotzdem nichts.
Irgendwann ging es links ab, geradewegs auf einen Militärstützpunkt zu. Wir hielten an und wurden von unserem Scout darüber aufgeklärt, dass dieses Gebiet unter Militärschutz steht und es auf den guten Willen des wachhabenden Offiziers ankam ob wir weiter durften oder nicht. Wir durften, anderenfalls hätten wir unser Geld auch zurück bekommen. Über unbefestigte Wege ging es tiefer in den Nationalpark. Die Österreicher mit ihrem Wohnmobil hatten es plötzlich eilig, warum weiß ich nicht so recht, jedenfalls überholten sie mich. Schlamm und kleinere Schottersteine verunstalteten meinen Wagen. Nach einer weiteren viertel Stunde und dem Hinweis eines Offiziers, der eine kleine Gruppe von Tieren ausgemacht hatte, hielten wir und machten uns zu Fuß auf.


Mit Flechten überzogener Quarzstein
Die Gesamtpopulation beträgt etwa hundertzwanzig Tiere. Die einzelnen Gruppen sind zwischen vier und acht Tiere groß. Vor wenigen Minuten hatte es aufgehört zu regnen. Wege gab es keine, wir gingen geradewegs einer gedachten Linie auf den Punkt zu, an dem wir die Tiere vermuteten. Die vier Österreicher bildeten eine eigene Gruppe, überhaupt benahmen sie sich gerade so, als wären sie zu Höherem auserkoren.

Die unterschiedlichen Farben der Moosflechten klassifizieren ihr Alter (dunkel = alt)
Ganz anders das niederländische Paar. Beide sprachen sehr gut deutsch und wir unterhielten uns angeregt. Agnetha, die Schwedin, erzählte etwas über die landschaftlichen Gegebenheiten über die Flora und Fauna. Ihre Ausführungen waren sehr interessant. Riesige, mit Moosflechten überzogene Findlinge oder auch schon mal Quarzsteine lagen auf unseren Weg und verleiteten mich zu einigen Bildern.

und ein weiteres Beispiel
Lemminge huschten durch das flache Gestrüpp und der ein oder andere Greif kreiste über unseren Köpfen. Nach fünfundvierzig Minuten hatten wir die Hügelkuppe erreicht. Etwa hundert Meter in westlicher Richtung stand eine Gruppe von sieben Tieren.


Moschusochsen im Dovrefjell- Nationalpark
Wir blieben nicht unentdeckt. Näher sollten wir uns nicht an die Tiere heran machen, lautete Agnethas Kommentar auf eine entsprechendeFrage. Die Körpermasse der Tiere lässt eine gewisse Trägheit vermuten, doch das täuscht ungemein. Die bis zu siebenhundert Kilogramm schweren Tiere können ganz plötzlich sehr schnell laufen. Bis zu sechzig Stundenkilometer waren keine Seltenheit. Vereinzelt hatte es schon schwere Unfälle gegeben, weil Touristen zu leichtsinnig waren. Wir wollten diesem Beispiel nicht folgen und hielten den Abstand ein.



Ihre Masse täuscht Trägheit vor, doch Vorsicht
Das männliche Tier aus der Gruppe ließ uns nicht aus den Augen, während die anderen in aller Ruhe grasten. Eine Stunde blieben wir vor Ort und machten zahlreiche Bilder, danach kehrten wir zu unseren Fahrzeugen zurück.



Wer die Tiere unterschätzt läuft um sein Leben
Gegen Mittag erreichte ich Dombås, alleine. Die Östereicher und auch das niederländische Paar setzten ihre Reise Richtung Norden fort. Auch mein Weg sollte mich weiter nach Norden führen, aber nicht heute. In Dombås suchte ich gleich wieder das kleine Büro auf, um mich für eine Elchsafari anzumelden. Start war der kommende Nachmittag, was mir zwei weitere Nächte auf den gemütlichen, und trotz der Hauptstraßenlage ruhigen Campingplatz bescherte.





Sonntag, 28. Dezember 2008

Norwegen 2000 - Neue Wege - 7. Trollstigen

Trollstigen

Was war nur mit dem Wettergott los? – Oder anders gefragt, warum meinte er es nur so gut mit mir? Abgesehen von dem Tag am Preikestolen, war ein Tag schöner als der andere, wettermäßig gesehen. Ich will mich deswegen auch gar nicht beklagen, dankbar nehme ich dieses Geschenk entgegen und freue mich, nicht den Entschluss gefasst zu haben wieder nach Hause zu fahren. Daheim verfluchte man den Sommer, der keiner war, weil es ständig regnete. Gleichzeitig wurden meine Berichte vom Traumwetter nicht ernst genommen. „Wahrscheinlich hockst du irgendwo und frierst dir sonst was ab“, bekam ich meistens zu hören. Da waren sie also wieder, die Vorurteile vom ewig nassen und kalten Norwegen. Die hatten doch keinen blassen Schimmer. Irgendwann werde ich meinen Freunden die Bilder zeigen, dann können sie sich selbst davon überzeugen
.


Blick in die Gudbrandsschlucht
Die Nacht hatte ich in Eidsdalen verbracht, so begann der Tag gleich mal wieder mit einer Fjordquerung. Danach führte mein Weg mich dann zum einzigen geplanten Zielpunkt, zum Trollstigen. Auf dem Weg dorthin begegnete mir eine herrenlose Rinderherde. So als wäre es das normalste auf der Welt trotteten sie auf der linken Fahrbahn in Richtung Trollstigen. Wieder entstand ein Bild während der Fahrt. Gleichzeitig erinnerte mich das Bild an Deutschland; da fährt auch alles links.


Trollstigen - Talfahrt. Der Blick sollte immer nach vorne gerichtet sein, eigentlich.
Zurück zum Trollstigen. Eigentlich handelte es sich nur um eine Straße, aber eine, die es in sich hatte. Dieser Streckenabschnitt mit seinen achtzehn Spitzkehren und Steigungen, bzw. Gefälle mit bis zu zehn Prozent ist bekannt und fand sogar schon in der Fernsehwerbung für ein Automobil Berücksichtigung. Da ich aus Richtung Geiranger kam sollte ich die Strecke talwärts Richtung Andalsnes fahren. Die Aussichten und die Weitsicht bis zur Westküste waren einmal mehr faszinierend. Ein Parkplatz, bevor es talwärts geht, bzw. wenn man sich hinauf gequält hatte, lädt zum Verweilen und Spazieren gehen ein. Man sollte sich und seinem Fahrzeug die Pause auf jeden Fall gönnen. So kann sich das Kühlwasser wieder bis auf Normaltemperatur abkühlen und sie die schöne Aussicht genießen.



Dort schaut man direkt auf den Stigfossen
Nach einer Stunde machte ich mich auf den Weg. Gleich die ersten Spitzkehren hatten es schon in sich und die Ausblicke tief hinab ins Tal einmalig. Man muss es wohl mit eigenen Augen sehen um zu verstehen. Besonders interessant war die Landschaftsform, die deutlich erkennen ließ welche Urgewalten während der Eiszeit am Werk gewesen sein müssen. Das gesamte Tal wirkte wie geschliffen und erinnerte in seiner Form an einer Halfpipe. Das Eis hatte ganze Arbeit geleistet um diese wunderschöne Talform zu schaffen.
Nicht weniger reizvoll ist der gigantische Wasserfall, der sich über eine Felskante in die Tiefe stürzt. Von weiter unten wirkt die kleine Brücke, die sich über den Fall spannt, wie von einer Modellanlage. Und die Fahrzeuge, die darüber fahren, bekommen eine Gratiswäsche.



Heil unten angekommen. Schon fast ein Wunder bei den Bildern
Nach fünfzehn Kilometer und reichlich Arm- und Beinarbeit ist das Tal erreicht. Für diejenigen, denen die Talfahrt zu sehr zugesetzt hat, gibt es eine Erfrischung in Form eines kleinen Wasserfalls direkt am Straßenrand. Für den ein oder anderen schien diese Erfrischung tatsächlich notwendig zu sein. Ohne zu zögern hielten sie ihren Kopf in das kühle Nass. Das Wasser war kristallklar und kalt, und war obendrein auch noch genießbar.
Nach dieser kurzen Pause setzte ich meinen Weg fort. Das heutige Ziel hieß Dombås. Von dort, so wusste ich, wurden Exkursionen in den Dovrefjell und der näheren Umgebung angeboten. Elchsafari, Moschusochsen und noch einiges andere mehr. Diese Angebote reizten mich und ich wollte sehen, was sich unternehmen ließ.


Der Stigfossen in seiner ganzen Pracht
Die Straße dorthin ist die E 136. Gut ausgebaut und als Schnellstraße zu bezeichnen. Doch Vorsicht, schnell heißt in dem Fall neunzig Kilometer die Stunde. Das erste Mal hatte ich so ein bisschen das Gefühl, es geht zu langsam voran. Die Landschaft bot weniger Abwechslung als auf den bisher gesehenen Abschnitten. Hier und da mal ein Wasserfall wie den Mongofossen oder etwas später den Pollfoss, vereinzelt kleine Ortschaften, von denen Lesjakog vielleicht noch wegen seiner kleinen Kirche hervorzuheben war.
Am Nachmittag traf ich in Dombås ein. Der Campingplatz lag gleich an der Hauptstraße, was ich nicht unbedingt als Vorteil verstanden wissen wollte. In Egersund hatte ich diesbezüglich ja schon meine Erfahrungen damit gemacht. Hier hatte ich keine andere Wahl, das war der einzige Platz Vorort.



Typisch norwegische Holzkirche bei Lesna (E 136)
Was die Freundlichkeit der Betreiber angeht, so konnte ich mich auch hier nicht beklagen. Ich fragte nach den Anmeldemöglichkeiten für die Angebote und erfuhr, dass man sich in Dombås registrieren lassen konnte. Und diese Möglichkeit bestand an dem Tag sogar bis einundzwanzig Uhr. Der Weg bis zum Zentrum war nur einen Kilometer, trotzdem entschied ich mich für das Rad. Das kleine Büro war schnell gefunden. Wer die Wahl hat, der hat die Qual, so lautet ein altes Sprichwort. Hier traf es ebenfalls zu. Insgesamt vier Angebote erweckten mein Interesse, letztlich ließ ich mich für die Moschustour eintragen. Mehr war nicht nötig, keine Anzahlung, nur mein Name auf eine Liste gesetzt, alles andere sollte am nächsten Morgen erfolgen. Treffpunkt war vor dem Büro um neun Uhr.
Mit überlegen und aussuchen hatte ich nicht einmal zehn Minuten gebraucht. Ich war erstaunt wie unbürokratisch das Ganze gehandhabt wurde. Bei uns wäre so etwas ohne Anzahlung undenkbar gewesen.
Ich nutzte die Zeit um mich ein wenig umzusehen. Viel bot der Ort nicht, ein größeres Einkaufszentrum und natürlich die obligatorischen Andenken Läden.. Nach einer knappen Stunde kehrte ich zum Campingplatz zurück und bereitete die Ausrüstung für den morgigen Tag vor.




Norwegen 2000 - Neue Wege - 6. Dalsnibba und Geiranger

Dalsnibba und Geiranger

Der Juli neigte sich dem Ende entgegen. Hochsommerzeit. Die Bergregion um Stryn machte aber nicht den Eindruck. Soweit das Auge reichte schneebedeckte Berge und etwas später gar ein zu dreiviertel zugefrorener Bergsee. Wohin man sah winterliche Landschaften, aber das galt nicht für die Temperaturen, die schon am Morgen die zwanzig Grad Grenze überschritten. Der, von mir, zurate gezogene Reiseführer hatte also nicht übertrieben. Dort stand zu lesen, dass Stryn dafür bekannt sei den Skifreuden auch im Sommer frönen zu können.
Kühe beim morgendlichen Spaziergang auf der RV 5
Mein erster Weg sollte mich heute zum Dalsnibba hinauf führen. Die Straße zum Berggipfel ist ebenfalls gebührenpflichtig. Als ich den Abzweig erreichte und die Serpentinenstraße in Augenschein nahm, war ich mir gar nicht mehr so sicher, dass ich da wirklich hinauf wollte. Leitplanken gab es nur an drei Stellen, alle anderen Abhänge waren ungeschützt. Ich entschied mich erst einmal dafür in der Hütte am See eine Tasse Kaffee zu trinken. Als ich wenig später wieder ins Sonnenlicht trat, schickte sich gerade ein großer Reisebus an den Dalsnibba zu erklimmen. Ich beobachtete ihn einen Augenblick, wie er sich die Serpentinen hinaufwand und beschloss seinem Beispiel zu folgen.


Stromschnellen bei Stryn
Die fällige Straßengebühr lag im erträglichen Rahmen. Gleich hinter dem Schlagbaumhäuschen endete der asphaltierte Straßenbelag und grober Schotter knirschte unter meinen Rädern. Die engen Kehren und der lose Belag hatten einen Hauch von Abenteuer. Der Ausblick auf den fast zugefrorenen See und den schneebedeckten Bergen war schon fantastisch. Nach gut zehn Minuten erreichte ich den Parkplatz am Gipfel. Von hier oben hatte man eine Rundumsicht, die Kilometer weit ins Land reichte. Doch die schönste Aussicht bot der Blick hinunter auf den Geirangerfjord. Rundherum eingebettet von hohen Bergen liegt er türkisfarben im Tal. Vereinzelt sind kleine weiße Häuser auszumachen und die, wie ein Lindwurm sich windende Straße. Auf der anderen Seite des Fjordes die Serpentinenstraße mit ihren 28 Kehren. Ein herrlicher Ausblick fürwahr. Und doch fehlte etwas, richtig, das obligatorische Kreuzfahrtschiff auf dem Geiranger. Auf jeder Postkarte ist es zu sehen. Hier und heute fehlte dieses kleine Detail. Um so wichtiger war es mir diesen Zustand im Bild festzuhalten. Für all jene, denen das Motiv mit Kreuzfahrtschiff wichtig war gab es sogar einen Fahrplan auf dem man ablesen konnte, wann welches Schiff, um welche Uhrzeit im Geiranger anzutreffen war. Am heutigen Tag sollte erst eines um siebzehn Uhr einlaufen.


Ende Juli und der Gebirgssee Djupvatnet ist noch völlig zugefroren
Ein junges Paar aus Schweden, mit dem Motorrad angereist, suchte nach einem Menschen der sie gemeinsam vor der Kulisse des Geirangers fotografierte. Ich bot mich, nicht ganz uneigennützig, an und die zwei waren erfreut über die Hilfeleistung. Im Gegenzug ließ ich mich vor gleicher Kulisse auf Zelluloid bannen. Wir wechselten noch ein paar freundliche Worte ehe wir wieder unsere eigenen Wege gingen.
Das Verhältnis Autofahrer und Motorradfahrer schien mir hier wesentlich lockerer zu sein, als bei uns in Deutschland. Das konnte ich jedenfalls schon mehrfach feststellen.


Bei der Djupvasshytta
Auf den Rückweg ließ ich mich zu ein paar Risikobilder verleiten. Während ich mit einer Hand die Serpentinen talwärts lenkte machte ich einige Bilder mit der anderen freien Hand. Wenn sie das auch machen wollen überlassen sie das besser ihrem Beifahrer, den ich bekanntlich nicht hatte.


Der unbeschreibliche Ausblick vom Dalsnibba (Geiragerfjord und Adlerstiege)
Das nächste Ziel war nun der Ort Geiranger, am eben jenen berühmten und beliebten Fjord. Dieser und der Hardangerfjord buhlen um den Titel des schönsten Fjords im Lande. Ich muss sagen, es ist verdammt schwer überhaupt so eine Entscheidung zu fällen. Beide haben ihre Reize, aber deswegen müssen andere nicht gleich weniger schön sein. Ich meine, jeder sollte sich seinen Lieblingsfjord aussuchen, dieses Land hat doch genug davon. – Aber nicht gleich mit nach Hause nehmen, das könnte sonst Ärger geben!


Ich vor der Bergkulisse am Dalsnibba

Die Straße (RV 63) hinab ins Geirangertal schlängelt sich wie eine aufgebrachte Schlange, mal links, mal rechts, mal in langgezogenen Kurven, dann wieder in engen Spitzkehren. Und als wäre das alles noch nicht genug, tummeln sich auch noch Schafe an den Straßenrändern. Wer die Tiere nicht gefährden und gleichzeitig die tollen Aussichten nicht verpassen will fährt im gemäßigten Tempo talwärts, das schont obendrein auch noch die Bremsen. Eine halbe Stunde vergeht da schon mal, ehe die zwanzig Kilometer zurückgelegt sind. Wie lange die Radfahrer, die mir auf halber Strecke begegnet sind, wohl gebraucht haben, um den Gipfel zu erreichen, darüber will ich besser nicht nachdenken. Allein schon zu sehen, wie sie sich die Berge hoch quälten, haben mir den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben.


Eine Hand am Lenkrad, die andere am Auslöser. Gefährliches Spiel auf der Serpentinenpiste.
In Geiranger suchte ich erst einmal eines der kleinen Straßencafés auf und gönnte mir einen großen Eisbecher. Menschen gingen ohne Eile an mir vorbei. Ich brauchte nur wenige Minuten um Einheimische von Touristen zu unterscheiden. Dazu brauchte ich sie nicht einmal sprechen zu hören. Die, denen die Gelassenheit ins Gesicht geschrieben stand, waren die Einheimischen. Jene, denen beinahe eine Jacketkrone aus dem Mund fiel, weil er so weit offen stand, waren eindeutig die Touristen. Ich hätte sie also auch ohne ihre weißen Hütchen, den Sonnenbrillen und den Kameras um den Hals erkannt. Aber ich will hier keineswegs lästern, schließlich bin ich selbst Tourist und die Landschaft kann einen wirklich in Erstaunen versetzen, das war es was ich damit sagen wollte.


Auf der anderen Seite. Blick auf den Geirangerfjord von der Adlerstiege
Nach dem Eis und einer darauffolgenden Tasse Kaffee schlenderte ich zum Bootsanleger. Rundfahrten auf dem Geirangerfjord wurden dort angepriesen. Ja, warum sollte ich den Tag nicht mit so einer Gelegenheit ausklingen lassen. Sofort wollte ich mein Vorhaben in die Tat umsetzen, leider sprach etwas ganz wesentliches dagegen. Die letzte Fähre ging um achtzehn Uhr und es war jene ohne Wiederkehr, zumindest was den heutigen Tag betraf. Schade, wäre zu schön gewesen, aber man kann ja nicht alles haben. So begnügte ich mich mit einen kleinen Spaziergang durch den Ort und der näheren Umgebung, ehe ich meine Fahrt fortsetzte, um mir ein weiteres Nachtlager zu suchen. Und die Frage, ob ein Tag wie dieser noch zu toppen sei, hatte ich mir fortan nicht mehr gestellt. Jeder einzelne Tag für sich war einzigartig und hatte seine besonderen Höhepunkte. Warum sollte ich also versuchen herauszufinden, welcher Tag nun der schönste gewesen ist? – Ich denke, das ist etwas für Erbsenzähler. Für mich zählte nur das Gesamtbild und das war bis hierher schon unvergleichlich.



...und noch einmal der Ausblick