Samstag, 14. März 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 13. – Jakobselv und Pasvikdalen

Jakobselv und Pasvikdalen

Der Morgen begann so grau und feucht wie am Vortag. Immerhin hatte der Regen etwas nachgelassen, das heißt, nach dem Frühstück sogar ganz aufgehört.
Mein erstes Ziel sollte Grenze Jakobselv sein. Man folgt der E 105 bis zum Grenzübergang Storskog und weiter auf der RV 886 in östlicher Richtung. Irrtümlicherweise hielt ich Jacobselv für einen Ort, ich hätte es besser wissen müssen. Hierbei handelte es sich um den Grenzfluss gleichen Namens. Dort, wo er sich im Meer ergießt steht eine kleine Kapelle, erbaut von König Oscar dem Zweiten. Diese Kapelle sollte den russischen Fischern anzeigen wo das norwegische Territorium begann, weil diese regelmäßig die norwegischen Grenzen überschritten um an die guten Lachsgründe zu gelangen.

Die russische Grenze ganz nah

Eine Kirche als Grenzmarkierung klingt schon ungewöhnlich und wenn man dann erfährt, dass ein Soldat diese Idee hatte, erscheint es noch ungewöhnlicher. Da die Russen jedoch als sehr gläubig galten und die christlichen Symbole respektierten war die Idee gar nicht so abwegig und wurde vom König umgesetzt.
So hatte dieser gut fünfzig Kilometer lange Weg einzig diese Kirche als Sehenswürdigkeit, die dazu noch verschlossen war. Dennoch war die Fahrt keineswegs langweilig ging es doch beinahe unentwegt an der russischen Grenze entlang. Nun darf man sich diesen Grenzverlauf nicht Stacheldraht verbaut oder von langen Mauern umgeben vorstellen. Nichts dergleichen war vorhanden, auch keine schießbereiten Soldaten. Nur dieser kleine Fluss mit Namen Jacobselv, dessen Flussmitte die Grenze darstellte.


Die Kapelle Grenze Jakobselv im Dunst

Sicher gab es in angemessener Entfernung auch Beobachtungstürme und Hinweistafeln mit der Aufschrift „Fotografieren von Militäranlagen verboten!“ Sonst nichts, eine Grenze wie jede andere in Europa, gäbe es da nicht die Visumpflicht.
Während der Fahrt hierher war es diesig und grau, manchmal sogar neblig und an ungünstigen Stellen lag sogar noch Schnee, und dass bei einer Höhe um 250 Meter über NN.
Auf dem Rückweg versuchten erste zaghafte Sonnenstrahlen sich einen Weg durch die graue Masse zu bahnen.


Eine Kirche als Grenzmarkierung für Seefahrer

Mein weiterer Weg führte mich Richtung Pasvikdalen RV 885). Auch dieser Weg führte beinahe konstant an der russischen Grenze in südlicher Richtung entlang. Im dortigen Nationalpark gibt es einen festen Bärenbestand, man redet von etwa zehn bis fünfzehn Tieren, hinzu kommt noch eine unbekannte Zahl von „illegalen“ Grenzgängern. Natürlich wäre es schön gewesen wenn mir einer vor die Kamera gelaufen wäre, aber ein ganz so großer Träumer bin ich auch wieder nicht, zu glauben, dass bei der Größe des Areals ausgerechnet mir so ein Glück widerfuhr.

Stacheldraht, Grenzposten? Fehlanzeige! Das Flüsschen bildet die Grenze zu Russland

Das Pasviktal liegt praktischerweise am Pasvikelva (Fluss), dessen Ausdehnungen teilweise gigantisch wirken. Oft hatte man das Gefühl eher an einem großen See entlang zu fahren, denn an einem Fluss. Entsprechend üppig zeigte sich auch die Vegetation, je weiter man nach Süden kam. Die Mischwälder wurden immer üppiger, der Zwergwuchs wich und ließ stattliche Bäume wachsen. An seinen Ufern wuchsen farbenfrohe Blumenwiesen, mit Butterblume, Löwenzahn, blaue Glockenblume, auch schon mal Margariten. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal bei uns eine so riesige, etliche tausend Quadratmeter große Löwenzahnwiese gesehen hatte. Wohin ich auch sah, gelb und grün, und an den Enden der Ufer das blaugrüne Wasser des ruhigen und friedlichen Flusses. Eine wunderschöne, tief beruhigende Stimmung überkam einen bei diesem Anblick.
Die Straße war deutlich besser, als jene nach Jacobselv. Stellenweise war sie kilometerlang schnurgerade. Dabei ging es immer wieder auf und ab, so dass man sich an manchen Stellen auf eine Achterbahn wähnte.

Der Pasvikelva, mehr Fjord oder See denn Fluss

Ein Hinweisschild auf eine Sehenswürdigkeit nur zwei Kilometer abseits der Straße nahm ich als Gelegenheit. Das Schild besagte „Björneehli“, was wohl soviel wie Bärenspuren oder Bärenfährte heißen sollte.
Der erste Teil des Weges führte noch über holprigen Asphalt dann ging es links über eine Art Landwirtschaftsweg weiter. Hier hatte der Regen der letzten Tage seine unübersehbaren Zeichen hinterlassen. Tiefe Pfützen, schlammiger Untergrund, Äste streiften links und rechts an meinem Auto vorbei. Der Weg war kaum breit genug und so kam ich nur sehr langsam voran, was letztendlich wohl mein Glück war. Denn plötzlich hatte der Weg ein unvorhergesehenes Ende. Ein etwa sieben bis acht Meter breiter Graben tat sich vor mir auf.

Abruptes Ende einer Straße

Ein kleiner Bach, der wieder friedlich vor sich hinplätscherte, hatte die Wassermassen wohl nicht verkraftet und kurzerhand den Weg weggespült. Ein Abwasserrohr, welches den Bach sonst unter dem Weg herleitete, lag etliche Meter weiter stromabwärts.
Einen Augenblick überlegte ich zu Fuß weiter zu gehen, entschied mich jedoch dagegen. Selbst mit Gummistiefeln wäre es kein gutes Unterfangen.
Nun blieb mir nichts anderes übrig als ein gutes Stück des Weges rückwärts zurück ehe eine Stelle kam, die einen Wendeversuch zuließ. In diesem Augenblick war ich ganz froh kein Wohnmobil zu haben, damit hätte ich an dieser Stelle nicht gewendet.



Wer Ruhe sucht findet sie in Pasvikdalen

Mein Bedarf an Abzweigen zu Sehenswürdigkeiten war damit erst einmal gedeckt, zumal sich diese Wege meist unbefestigt zeigten.
Erst als ich den kleinen Ort Svanvik erreichte folgte ich wieder einem solchen Hinweis zur Kirche des Ortes. Neben der Kirche gab es auch eine Hochschule! Schon beinahe ein Novum in dieser Einöde. Militärische Präsenz war ebenfalls anwesend, was sich mit der Nähe der russischen Grenze erklärte.
Mein nächstes Ziel war „Høyde 96“ (Höhe 96). Ein Überbleibsel aus Zeiten des kalten Krieges. Hier handelte es sich um einen alten Beobachtungsturm auf einer Anhöhe. Heute ist in diesem Turm ein kleines Café untergebracht.


Die Kirche von Svanvik

In einem Prospekt stand zu lesen, dass es hier auch warmes Essen gab. Das galt wahrscheinlich nur bei gebuchten Touren und bei Vorbestellung, wobei dann immer noch die Frage blieb, wo man es einnehmen sollte. Kaffee und selbstgebackenen Kuchen gab es allemal, dazu die Aussicht auf Nikel, einer russischen Industriestadt auf der anderen Seite des Tales, und wenn schon keine Bären, dann doch wenigstens ein Warnschild. Wobei der Gestalter dieses offiziellen Verkehrsschildes wohl besonders Tierlieb zu sein schien. Zeigte das Schild doch eine Bärenmutter mit ihrem Jungen! – Geradeso wie unsere Verkehrszeichen, wenn sie vor Fußgänger warnen. Ob man mit so einem Schild die gewünschte Wirkung, sich vor den Bären in Acht zu nehmen, wirklich noch erzielte? – Ich weiß ja nicht.


Høyde 96, früher Grenzwachturm, heute Aussichtspunkt und Café

Bis Nyrud waren es noch gut sechzig Kilometer, Zeit genug hatte ich auch noch und die Hoffnung auf Bären schlummerte ebenfalls noch tief in mir.
Nach einer Stunde näherte ich mich dem Ziel. Die Straße war inzwischen etwas schlechter geworden. Ein Schild wies den Weg zum Parkplatz des Nationalparks und besagte noch neun Kilometer.
Neun Kilometer unbefestigter Boden, Schotter, Wurzeln und tiefe Schlaglöcher, die der Regen heimtückisch mit Wasser gefüllt hatte.
Einen Kilometer habe ich mich vorgetastet bis ich dann beinahe in einer Pfütze, so groß wie ein Teich, versunken wäre. Ich gab das Unterfangen Pasvik – Nationalpark, und damit die kleine Chance Bären zu sichten, auf. Nebenbei musste ich zum zweiten Mal an diesem Tage meinen Wagen rückwärts aus einem Waldweg steuern. Somit war mein Bedarf an Abenteuern gedeckt.
Nun hieß es den ganzen Weg, über hundert Kilometer auf der gleichen Straße zurück. Dennoch war die Fahrt keineswegs langweilig. Immer wieder zeigten sich schöne, ruhige und friedliche Bilder entlang des großen Pasvikelv.



Nyrud, das Ende von Pasvikdalen










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