Samstag, 7. März 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch 11. Teil 1 – Kautokeino - Juhl’s Silberschmiede

Juhl’s Silberschmiede

Die Nacht war verdammt kurz. Die Sonne wollte einfach nicht untergehen und brannte selbst nach Mitternacht noch kräftig. An solchen Tagen zeigen sich dann auch die Nachteile eines Zeltes, es wurde ziemlich warm. Frühstück im Freien, unmöglich! Die blutrünstigen Vampire lauerten überall.
Hände, Arme und Beine sahen aus als hätte ich mit einem Bären gekämpft. Überall Kratzspuren, die ich mir selbst zugefügt hatte um diesem wahnsinnigen Juckreiz Herr zu werden. Und vergessen Sie die Mittelchen, die uns die Werbung so gerne anpreist, sie helfen, wenn überhaupt, nur sehr bedingt.
Nach einem unbequemen Frühstück im Auto hieß das erste Ziel „Juhls Silberschmiede“. Schon das Gebäude, eigentlich sind es mehrere ineinander übergehende Gebäude, war eine Augenweide. Geschwungene Dächer, die an Wogen eines Sees erinnerten, oder einer Schneewehe nachempfunden waren, wie ich später hören sollte, verliehen ihm ein unnachahmliches Aussehen.

Blick auf Kautokeino von der Anhöhe der Silberschmiede

In den oberen Teilen befinden sich große Panaromafenster, welche die darunter liegenden Räume Licht durchfluten. Der neueste Teil des Gebäudes ist mit einer Glaskuppel versehen.
In den fünfziger Jahren begann Frank Juhl, Künstler und Maler des Abstrakten und gebürtiger Däne, mit dem ersten Teil dieses Gebäudes. Gerade erst hatte er hier, am Ende der Welt, in Kautokeino, seine Frau Regine, sie stammt aus Deutschland, kennen gelernt. Sie hatten sich gefunden, spürten die Zusammengehörigkeit und wussten, dass es für sie keinen anderen Platz auf der Welt geben würde.
Frank war auch für die Architektur verantwortlich und so entstand der erste Teil der späteren Silberschmiede. Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch gar nicht, dass sie einmal Silberschmiede werden würden, ja, sie beherrschten nicht einmal das Handwerk.

"Bushaltestelle" neben der Silberschmiede

Erst als sie bereits einige Jahre dort lebten und von den Samen langsam anerkannt wurden, fragten diese, ob die Juhl’s nicht den traditionellen Bronze- und Silberschmuck für sie anfertigen wollten. Sie wollten, konnten zunächst aber nicht. Sie gingen nach Dänemark um das Handwerk zu erlernen und kehrten mit den neu erworbenen Kenntnissen zurück. Seither fertigen die Juhl’s den traditionellen Schmuck. Dazu muss man wissen, dass der Schmuck bei den Samen, ebenso wie ihre farbenfrohen Trachten, ich erwähnte es bereits, eine sehr wichtige Rolle spielt.

Die Silberschmiede als Ganzes

Damit war auch gleichzeitig die Idee der einmaligen Silberschmiede geboren. Franks Vorstellungen gingen dahin, dass sich das Gebäude an den Formen der Natur orientieren sollte, um sich nahtlos in das Land einfügen zu können.
Der zweite Teil des Gebäudes entstand in den sechziger Jahren. Eine meterhohe Schneewehe, die Frank eines Wintertages vorfand faszinierte und inspirierte ihn bei der Architektur des Gebäudeteils. So zeigt das Dach heute jenen kühnen Schwung, den die Schneewehe seinerzeit gezeigt hatte.
Jedes Jahrzehnt lieferte einen neuen Gebäudeteil, so dass man heute auf insgesamt sechs miteinander verbundene Gebäudeteile schauen kann.
So ungewöhnlich wie das äußere Erscheinungsbild, so zeigte sich auch die Innenarchitektur, oder sollte ich sagen, die räumliche Gestaltung.

Ein Ergebnis der Silberschmiede

Im zuerst entstandenen Gebäudeteil ist ein kleines Museum eingerichtet. Es zeigt eine Sammlung von samíschen Gegenständen, Büchern, Trachten, etc.. Im zweiten Gebäudeteil ist jedes jemals gefertigte Schmuckstück ausgestellt und nicht verkäuflich. In der Halle, die dann in den siebziger Jahren entstanden ist, wird norwegisches Porzellan gezeigt. An dieser Stelle sollte man vielleicht erwähnen, dass man Fremdartikel seiner Zeit nicht einfach gekauft hatte, sondern einen Tauschhandel betrieb. Silberschmuck gegen Porzellan zum Beispiel.

Die geschwungene Dachkonstruktion soll an eine Schneewehe erinnern

Der Anbau der achtziger Jahre zeigt sich im Innern orientalisch, genauer gesagt afghanisch. Frank war schon immer ein Mann der Gegensätze und so verwundert die Deckenkonstruktion nicht wirklich. Er hatte dort orientalische Elemente mit samíschen Schmuckstücken vereint. Die Idee dazu war ihm gekommen, weil es ihm in den achtziger Jahren unmöglich war, seine afghanischen Freunde zu besuchen, (durch den Krieg mit den Russen). So sollte dieser Gebäudeteil seine Solidarität mit den Afghanen ausdrücken.


Orientalisch, das Gebäude aus den 80ern

Als 1989 schließlich die Mauer in Deutschland fiel, geschah dies auch in Juhl’s Silberschmiede!
Er trennte eine Wand aus der Halle, die in den Achtzigern entstanden war, und schuf dort den Niemandsgang. Später wurde dieser Gang dann die Verbindung zur zuletzt entstandenen Kuppelhalle, welche heute gleichzeitig auch den Empfang darstellt und den verkäuflichen Schmuck beherbergt. Mit diesem Gang als Verbindung waren alle Gebäudeteile miteinander verbunden. Es mag merkwürdig klingen, aber bei der Besichtigung der Silberschmiede, damit meine ich den gesamten Gebäudekomplex, macht man gleichzeitig einen Rundgang durch ein Stück Zeitgeschichte.
So fasziniert dieser Komplex nicht nur durch seine äußere Architektur, seine innere Gestaltung hat zudem noch eine ganz eigene Geschichte, in der sich auch ein wenig Weltgeschichte widerspiegelt, zu erzählen.


Der neueste Gebäudeteil, Verbindungsglied und Verkaufsraum zugleich

Aber war da nicht noch etwas? – Richtig, der Silberschmuck! Wie alles, in dieser Traumfabrik, hat natürlich auch der Schmuck seine besondere Bedeutung. Auf den ersten Blick erscheint er, wie Franks Bilder, abstrakt. Tatsächlich verstecken sich hinter den Formen Darstellungen, wie sie hier in der Natur vorkommen. Und so nennt sich die Kollektion nicht umsonst „Tundra Design“.
Tundra, weil dieser Landstrich zum westlichsten Teil der sibirischen Steppe gezählt wird. So zeigen denn auch die Schmuckstücke beim genaueren Betrachten und Kennen der Materie Abbildungen von Rentiermoos, Flechten oder das stilisierte Muster eines fliegenden Singschwans. Andere Formen erinnern wiederum an Schneekristalle oder Blütenkelche.


Gebäude außen im Detail (Schneewehenschwung)

Nun kenne ich nur sehr wenige Formen aus dieser Landschaft, aber wenn man den Worten Regines lauscht, ist das ganze Land ein einziges Wunder. Wenn man ihre Arbeiten betrachtet braucht man nicht viel Fantasie um ihren Worten Glauben zu schenken.
Mich hat der Besuch mehr als begeistert, aber nicht nur wegen der Schaffenskunst auch wegen ihrer Lebensphilosophie, war ich beeindruckt. Menschen sind in erster Linie Menschen, nicht irgendeine Nationalität. Ich bin dankbar, dass ich diesen Besuch machte und etwas über diese Menschen erfahren zu durfte.



Landschaft in Kautokeino








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen