Sonntag, 17. Mai 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 33. Teil 2 - Gletscherlandschaft Jutonheimen

Gletscherlandschaft Jutonheimen

Zunächst begeisterte mich der wilde Gletscherfluss Bøyda, der inzwischen wieder „Bøvre“ heißt.
Dieser reißende Fluss konnte nicht nur mit der Driva mithalten, er übertraf sie teilweise in seiner ungestümen Art. Der Bøvre tost Abhänge hinunter und lässt wilde Wasserfälle entstehen, die umso wilder werden, je weiter man in die Bergwelt vordringt. Rasende Stromschnellen, die scheinbar keine Zeit verlieren wollen, auf ihren Weg zum Vågåvatnet.
Links und rechts der Straße tauchen gigantische Wasserfälle auf, die den Fluss zusätzlich nähren und sich mit den tosenden Wassermassen verbündeten.

Lairdal - Einstieg in die Gebirgswelt Jutonheimen

Einer dieser Wasserfälle schien direkt auf ein Gehöft zu stürzen, laut und tosend selbst aus Entfernung noch wahrzunehmen. Oder ein anderer gigantischer Fall, der sich bereits am Berggipfel gabelte und in zwei gigantischen Stürzen ins Tal donnert. Beide treffen auf den Bøvre wo er selbst einen atemnehmenden Wasserfall bildet.
Dank an den Straßenerbauern, die genau dort einen großen Parkplatz errichtet haben.

Elvesæter - Siegessäule

Ein Stück vor diesem gigantischen Wasserfall liegt das Gehöft „Elveseter“, im Baustil der Berghöfe. Heute Hotelanlage und Stand der „Saga Säule“. Stolze 33 Meter hoch wird auf ihr ein Querschnitt der norwegischen Geschichte, vom ersten vereinten Reich 872 bis zur Reichsversammlung im Jahre 1814, dargestellt. Diese Säule steht erst seit 1992 dort, wurde aber bereits vor dem zweiten Weltkrieg vom Bildhauer W. Rasmussen entworfen und sollte ursprünglich in Oslo vor dem Storting aufgestellt werden. Eine dunkle Ahnung beschlich mich, die besagte, am Ende des Tages würde ich kein Fotomaterial mehr haben. Der letzte meiner Filme liegt in der Kamera und zeigt von mal zu mal weniger verfügbare Bilder an.

Hofanlage Elvesæter

Ich zwinge mich zu rationalisieren. War ich doch gerade mal zwanzig Kilometer von Lom entfernt und schon neun Bilder waren gemacht. So blieben weitere Wasserfälle, wie lange Brautschleier erscheinend, ohne Beachtung. Auch der Fluss wurde fortan mit Missachtung meinerseits bedacht. Doch meine Zurückhaltung hielt nur zehn weitere Kilometer.
Beinahe unmerklich war ich auf 1200 Meter Höhe angekommen und der erste Gletscher wurde sichtbar. Noch entfernt und zaghaft lugte er zwischen anderen Bergen hindurch, aber schon dominant genug für ein Bild.

heute Hotelanlage

Und von jetzt an wurde es richtig schlimm. Noch ein gutes Stück vom höchsten Punkt entfernt, lauerte hinter jeder Kurve, hinter jeder Bergkuppe ein neues bewegendes Panorama. Die Gletscher rückten immer näher, vom „Jutonheimen“, einem der bekanntesten Gletscher Norwegens, konnte man gar das bläuliche Schimmern erkennen. Und während dieser Gletscher noch in seiner monströsen Gestalt das Landschaftsbild beherrschte, tauchte schon der nächste Urzeitgigant auf, der „Sognefjellet“.
Ich stand mehr als das ich fuhr, und bei den vielen Stopps bleibt es nicht aus, auch immer wieder auf dieselben Menschen zu treffen. So das Paar aus Segeberg. Wir kamen ins Gespräch, er fragte nach den Vorzügen meines Fahrzeugs. Ich gab bereitwillig Auskunft und bekundete meine Zufriedenheit, vor allem mit dem Platzangebot. Man trennte sich, um wenige Kilometer weiter wieder aufeinander zu treffen. Gemeinsam stellten wir fest, heute gibt es kein wirkliches vorwärtskommen. Gut zu wissen, dass ich nicht der einzige war, der von dieser „Krankheit“ befallen wurde.


Doppelwasserfall

Dann war der höchste Straßenpunkt erreicht, er liegt bei knapp 1500 Meter. Sieben über 2000 Meter hohe Berge wirken von hier gar nicht mehr so dramatisch, oder eben doch wieder dramatisch durch ihre beinahe schon greifbaren Gletscher.
Seit ich in Lom losgefahren war, sind drei Stunden aber gerade mal fünfzig Kilometer vergangen.
Mein Magen knurrt, ich zwinge mich zu einer Pause. Erneut ein Gespräch mit einem Rentnerehepaar aus Karlsruhe. Sie laden mich zu einer Tasse Kaffee ein, ich erfahre, dass sie sind schon mehrmals hier oben gewesen waren und beklagen den geringen Schnee, der oftmals im Juli noch bis an die Straße heranreichte.


und nochmal etwa 300 m unterhalb der Straße

Danach ging es weiter, die Dramatik der Berglandschaft ließ langsam nach. Die Gletscher blieben zurück und der Weg führte zunächst sachte Richtung Tal. Bei einem weiteren Stop treffe ich wieder die Segeberger und gebe ihnen meine Internetadresse weil sie Interesse daran zeigten.
Vom Parkplatz aus konnte ich mir einen Überblick davon verschaffen, was nun vor mir lag. Einige der unzähligen, nun folgenden, Serpentinen und Spitzkehren zeigten sich unter uns. Wie ein riesiger Lindwurm schlängelt sich die Straße durch die Gebirgswelt. Eigentlich ein Foto wert, doch ich bekam die ganze Dramatik nicht aufs Bild und so verzichtete ich darauf.

Jutonheimen mit seinen zahlreichen Gletschern

Der erste Streckenabschnitt zehn Kilometer mit acht Prozent Gefälle waren schon wahnsinnig. Man kam sich wie ein Rallyefahrer vor. Dritter Gang, bremsen, einlenken, Gas geben. Viertelkurven, Spitzkehren, links herum, rechts herum und dabei stetig bergab.
Nach diesen zehn Kilometern war es keineswegs vorbei. Im Gegenteil, die Talfahrt erfuhr noch eine Steigerung. Das Gefälle erhöhte sich auf zehn Prozent und weitere vier bis fünf Kilometer. Die Talfahrt wurde zum Rausch der Tiefe. Auf diesem Teilstück gab es dann auch die einzige Möglichkeit für einen Stop mit Aussicht auf das Tal. Der kleine Ort unter mir heißt denn auch bezeichnenderweise „Fortun“. Einige kleine Häuser, eine weiße Kirche, ein Flusslauf, grüne Wiesen und Berghänge. Alles so winzig klein erinnerte mich der Anblick eher an eine Landschaft für eine Modelleisenbahn.
Hier machte sich dann auch der eben erwähnte Rausch bemerkbar. In meinen Ohren brauste es, wie sonst nur nach einem Flugzeugstart. Aber es hat auch einfach Spaß gemacht diese Strecke zu fahren.

Hinter jeder Biegung neue Ausblicke

Wenig später hatte ich den kleinen Ort erreicht und befand mich wieder auf Meeresspiegelhöhe. Mein Zielort lag noch immer gut fünfzig Kilometer entfernt und so verzichtete ich darauf eine Nebenstrecke zu fahren, die neben einen Wasserfall noch eine Stabkirche bietet.
Darüber hinaus verschlimmerten sich meine Kopfschmerzen trotz der Schmerztabletten. Eigentlich hätte ich den nächsten Platz anfahren sollen, aber ich brauchte Informationen für die nächste Tagestour, also fuhr ich weiter.
Mein Blick für die Landschaft war durch die geschilderten Umstände getrübt. Eigentlich sah ich nur noch das Ziel vor Augen. Die Straße führte immer am Lustrafjord entlang. Irgendwann tauchte am anderen Ufer dann auch der Wasserfall auf. Auf der Entfernung sah er aus wie eine wehende Gardine vor einem dunklen Fenster. Kurz vor Sogndal ein weiterer gewaltiger Wasserfall. Riesige Wassernebel erzeugend, und doch für ein Foto geeignet, trotz der Bäume und das Wasserkraftwerk, welche die Sicht versperrten.

Blick auf Fannaråkbreen

Wie bereits geahnt war der Film voll ehe der Tag zu Ende, so dass ich für morgen erst einmal Nachschub besorgen musste. Dreißig Filme waren gefüllt und Filmmaterial in Norwegen nicht gerade preiswert.
Wenig später erreichte ich Kaupanger und bekam am Hafen die Informationen, die ich für den nächsten Tag benötigte. Ich checkte auf den kleinen Campingplatz ein, baute mein Zelt auf und genoss den kühlenden Regen nach dieser hitzigen Bergtour.


Blick auf Fortun









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