Samstag, 9. Mai 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch 29. Die RV 17 (Küstenstraße) nördlich des Polarkreises

Die RV 17 (Küstenstraße) nördlich des Polarkreises
Jeden Tag stellte ich mir die gleiche Frage: Wie sollte ich meinen Bericht beginnen? Zur Abwechslung vielleicht mal mit weniger amüsanten Details? – Gerne!
Eigentlich wollte ich gestern Abend etwas Wäsche waschen, was bei so einer langen Reise nichts Außergewöhnliches darstellt. Und die Plätze in Norwegen sind dafür auch bestens ausgerüstet. Als ich nachfragte waren die beiden Maschinen gerade belegt, ich sollte zwei Stunden später wiederkommen. Auch um zweiundzwanzig Uhr war die Maschine noch mit fremder Wäsche gefüllt obgleich der Waschvorgang lange abgeschlossen war. Erst heute Morgen bequemte sich der „Herr“ seine Wäsche zu holen. Zu meinem „Erstaunen“ war es ein Deutscher. Klar, dass ich mich dafür bedankte und ihn fragte, ob er sich allein auf den Platz befinden würde. Die Antwort war typisch: „Hat mir ja keiner gesagt, dass noch jemand waschen will.“ Welch ein Zufall auch, dass bei etwa 1500 Campern noch jemand das Bedürfnis hatte seine Wäsche zu waschen. Wie kann ich nur???

Stromschnelle Ertenvåg (RV 17)

Und bevor ich nun zu den angenehmen Dingen des Tages komme, vielleicht noch etwas Unappetitliches. Der Platz, das erwähnte ich bereits, ist wirklich groß. Und um Fremde von den Sanitäranlagen fern zu halten bekommt jeder Mieter eine Chipkarte. Nur damit ist es möglich Toiletten, Waschräume und Duschen aufzusuchen. Trotzdem sehen die Herrentoiletten hier aus wie Bahnhofsklos der schlimmsten Sorte. Überall stank es nach Pi... und vor jedem Becken taten sich riesige abstoßende Pfützen auf. Ich weiß nicht ob die Männer das mit Absicht machen, ob es Ungeschicklichkeit ist oder sie ihrer totalen Selbstüberschätzung unterliegen, jedenfalls ist es widerlich und man muss sich dafür schämen!
Um eines klar zu stellen, es lag nicht etwa an der Unsauberkeit des Personals. Am späten Abend ist dort noch geputzt worden! Vielleicht denkt jetzt der ein oder andere, so etwas gehört in keinen Reisebericht. Ich bin da anderer Meinung, schließlich wollen wir doch alle saubere Plätze vorfinden. Oder nicht?


Kjellingbru am Beiarfjord

Heute lag also der erste Teil der berühmten „Kystiksveien“ vor mir. Die Küstenstraße führt, wie schon der Name sagt, immer an der Küste entlang. Insgesamt ist diese Strecke etwa 650 Kilometer lang. Von Straumen ging es zunächst durch bewaldetes Berggebiet. Im Hintergrund erhoben sich wiederum granitfarbene kahle Giganten. Der Kontrast konnte kaum größer sein. Hier die sanften, von Leben erfüllten grünen Oasen und in der Ferne, die wie Rückenpanzer von Urzeittieren aussehenden Gebirgsmassive. Nur wenige Kilometer war ich gefahren, da erregte ein Wasserfall meine Aufmerksamkeit. Es war mehr eine Stromschnelle mit einer Felseninsel. Von dort machte ich ein Foto, so dass es den Anschein erweckte, ich stünde mittendrin.
Danach ging es weiter und zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht ahnen wie oft ich an diesem Tag noch anhalten sollte, um interessante Fotos zu machen.


Hinter jeder Biegung, nach jedem Tunnel neue Ausblicke

So wurde mein nächster Stop von der „Kjellingbru“ erzwungen. Diese Brücke an sich war nichts besonderes, es war das Gesamtbild. Das blaugrün schimmernde Wasser des Beiarfjords, der gratförmige Bergrücken des „Slettfjellet“ dahinter und die weißen, vom Wind zerfaserten Wolken am blauen Himmel.
Ich fuhr über die Brücke um an ihrem Ende vom Berg verschluckt zu werden. Am „Sautinden“, bei einem Wasserfall, halte ich erneut. Wasserfall war vielleicht etwas übertrieben. In einer breiten Bahn rauschte das Wasser vielleicht hundertfünfzig Meter an eine glatte Felswand herunter. Einfach schön anzusehen.

Blick auf den Fugløyfjord

Während der Fahrt und auch schon einige Tage vorher, war mir aufgefallen, mir reichte es nicht das jeweilige Motiv abzulichten. Die Brücke ohne diesen Hintergrund wäre kein Bild wert gewesen. Auch der Wasserfall kam erst durch eine bestimmte Optik zur Geltung, ich hatte ihn aus der Froschperspektive fotografiert. Sicher, ich bin kein Profi, dennoch wollte ich den Bildern einen Rahmen geben, das I-Tüpfelchen sozusagen. Nicht immer gelang dies und nicht immer war es angebracht und so entschied ich von Mal zu Mal.

"Forgotten Town", ein Bild wie gemalt

Ich setzte meinen Weg fort, durch Berglandschaften mit Wiesenhängen und einzelnen kleinen Höfen am Fuß der Berge. Und zur Rechten, nicht zu vergessen, die Aussicht auf die Küstenlandschaft. Unabdingbar auch immer wieder ins Dunkel der Berge einzutauchen. Man verschwand in rohbelassene Schlünde, in denen sich das Licht in tausend Schatten verlor. Am Ende dieser dunklen Höhlen wartete immer eine neue Welt. So auch nach dem Hestdalstunnel. Mein Blick fiel sogleich auf ein bemerkenswertes Felsmassiv und nötigte mich erneut anzuhalten. Im Vordergrund ein kleines rot gestrichenes Haus, gleich dahinter einige hohe Kiefern oder Fichten und dieses beinahe quaderförmige Felsmassiv. Auch hier wirkte erst durch die Beigaben, der besondere Farbklecks für das Bild. Das Felsmassiv allein hätte trostlos gewirkt.

Der Svartisengletscher

Manches Foto verlangte den Schweiß meines Angesichts. Nicht nur weil die Sonne es wieder besonders gut meinte und weil ich schon so manchen Kilometer gelaufen war, um ein gutes Motiv einzufangen, auch weil mein Fahrplan mal wieder aus den Fugen geriet. Ich hatte gerade mal fünfzig Kilometer hinter mir, aber schon anderthalb Stunden an Zeit verbracht.
Wo sollte das noch hinführen? – Zum nächsten Stop! Kaum ließ ich den Wagen laufen, eröffnete sich nach einer Kurve das nächste Panorama. Dumm nur, hier gab es keine Möglichkeit den Wagen abzustellen und der Weg führte ins Tal hinunter. Nach gut einem Kilometer fand ich ein Plätzchen, nichts offizielles aber der Wagen stand zumindest nicht im Weg. Mit der Kamera den ganzen Weg zu Fuß zurück. Der Blick von der Stelle war einmalig. Tief unter mir das grüne Tal, dunkel die Tannenwälder, hell die saftigen Wiesen, blau das Wasser des Sørfjorden und im Hintergrund ein langgestrecktes Felsmassiv. Wieder eine halbe Stunde „verloren“, für ein einziges Bild.

und sein Denkmal

Lange durfte ich auch danach nicht im Auto verweilen. Eine Hinweistafel verwies auf eine weitere Nordlandskulptur etwas abseits des Weges.
Der Schwede Jan Håkstrøm hatte hier, mitten in der Wildnis, sein „Forgotten Town“ erschaffen. Bodenplatten und halb fertige Mauerwerke ließen den Eindruck der vergessenen Stadt entstehen. Der Ort, den der Künstler dafür gewählt hatte, war wie geschaffen dafür. Er hatte sich genau das zunutze gemacht, was ich auch bei meinen Bildern versuche. Die Steinfragmente wahllos in die Landschaft zu setzen würde der Wirkung schaden. Die Skulptur brauchte eine Umgebung und die fand sie hier. Etwas erhöht auf einen Berghang mit kleinen Birken und Fichten bewachsen. Ging man an der Skulptur vorbei bis man sie unter sich hatte, bot sie genau das Bild, das man sich erwünschte. Ich glaube, der Künstler hätte es nicht anders gesehen. Der Sandstein im Vordergrund, dahinter das tiefblaue Wasser des Sørfjorden und dahinter wiederum ein markantes Bergmassiv. Alles zusammen erweckte den Eindruck, diese Mauerreste waren tatsächlich Überbleibsel einer vergangenen Zeit. Dieses Massiv, welches aus dem „Høknakken“ links und dem „Høgstjerna“ zur rechten gebildet wird, erinnerte an das Lapporten in Schweden. Alles zusammen zeigte ein Bild wie gemalt. Ein neues Kunstwerk.

Auf der anderen Seite gibt es einen Wanderweg, ein anderesmal

Inzwischen hatte ich die Hoffnung im Bezug auf meinen Fahrplan aufgegeben. Wie gut ich daran tat zeigte mir der folgende Streckenabschnitt.Ich wusste um den Svartisengletscher. Von Rossvoll hatte ich einen Ableger ja schon zweimal besucht, nun würde ich ihn auch von der Küstenseite aus bewundern können. Kurz vor Glomfjord konnte ich einen ersten Blick erhaschen. Leider trübte das Wetter wieder ein wenig ein. Zuvor hieß es jedoch wieder einmal in die Schlünde der Berge einzutauchen. Zwei Tunnel mit je drei Kilometer standen vor dem eigentlichen Svartisentunnel, der mit sieben ein halb Kilometer Länge protzte. Das eigentlich auffällige an diesem Tunnel war die Geradlinigkeit bei gleichzeitigem Gefälle. Das orangefarbene Licht verhieß Wärme, doch durch die Lüftungsschlitze schlich kalte Luft. Am Ende des Tunnels zeigte sich gleich zur Linken eine große Gletscherkappe, und von da an zeigte der Gletscher ein ständig wechselndes Gesicht.

Der Polarkreis auf Seeseite zwischen Jetvik und Kilboghamn

Nach jeder Kurve eine neue Perspektive, eine völlig andere Ansicht, die einen zu weiteren Stops zwang Sogar ein Svartisen Monument hatte man auf einen Touristenparkplatz errichtet. Eine Säule aus Beton, Holz und blauem Glas, welches des Nachts beleuchtet ist und in den Farben des Gletschers schimmerte. Nach zwanzig Kilometern erreichte ich den Gletscherarm, der noch bis zum Nordfjord hinunter reicht. Eine Einmaligkeit auf dem europäischen Festland!
Danach wurde es landschaftlich wieder etwas „ruhiger“, will heißen nicht mehr ganz so aufregend. So kam ich mal etwas schneller voran und erreichte bald darauf Jetvik. Von hier ging es mit der Fähre weiter. Und auf dem Wasserweg überquerte ich dann den Polarkreis. Dieser imaginäre Punkt ist mit einer Weltkugel sichtbar gemacht.

Sjonafjord im Abendlicht

Der Fjord hatte viele abzweigende Arme, beinahe wie einen Kraken. Dadurch entstanden viele reizvolle Motive. Gleich hinter dem Polarkreis schneidet der Melfjord tief ins Land ein und bietet so einen letzten Blick auf den Gletscher, auf das Hanvikfjellet und den Svartistinden.
Damit endete endgültig meine Zeit im Norden. Mit etwas Wehmut dachte ich daran, dass bereits mehr als vier Wochen meines Urlaubs der Vergangenheit angehören.

Der Morgen erwacht über Nesna

Nachdem die Sonne sich zwischenzeitlich wieder durchgesetzt hatte, auch während der Überfahrt, verdichtete sich erneut die Wolkendecke.
Meine weitere Fahrt war dann nicht mehr so zeitraubend wie der erste Teil. Die Landschaft, besonders am Sjønafjord, war reizvoll, was ich mit weiteren Bildern, die am „Nordvikfjellet“ entstanden sind, dokumentierte. Dafür hatte ich dann noch einmal einen Hügel erklommen, bin über einen Bachlauf gesprungen und durch sumpfiges Terrain gewatet. Gegen Abend hatte ich mein Ziel doch noch erreicht. In Nesna, gleich am Fähranleger bezog ich mein Nachtquarttier.
Die Sonne schien noch immer, doch es war deutlich kühler geworden. Erneut musste ich daran denken, dass meine Zeit in Norwegen langsam dem Ende entgegen ging, verscheuchte den Gedanken jedoch schnell wieder.
Ach ja, zu guter letzt will ich den Bericht so enden lassen, wie ich ihn angefangen hatte, mit Wäsche waschen. Denn auch hier wurde nichts daraus, die Waschmaschine war kaputt!









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