Samstag, 14. Februar 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 7. Der Svartisen Gletscher

Der Svartisen Gletscher

Der erste kurze Abschnitt führte mich wieder hoch ins Gebirge, wobei hoch doch eher relativ zu sehen ist. Das „Korkfjellet“, (Fjellet = Gebirge) ragt nicht einmal 700 Meter hoch und doch bekommt man den Eindruck viel höher zu sein. In Serpentinen schlängelt sich die Straße bei 9% Steigung bis zum höchsten Punkt. Durch die Wolken blinzelte die Sonne und gaukelte mir trügerische Wärme vor. Als ich ausstieg, um diesen Anblick zu genießen, empfing mich ein eisiger Atem. Die Sicht war sehr gut und reichte bis an das Eis des Svartisen Gletschers, mein heutiges Ziel.




Panoramablick vom höchsten Punkt des Korkfjellet

Vom höchsten Punkt ging es gleich wieder hinab bis tief ins Tal auf Meeresspiegelhöhe. Neun Kilometer nur Serpentinen, Haarnadelkurven und Spitzkehren bei wiederum neun Prozent Gefälle. Dazu eine mehr als schlechte Fahrbahndecke, die sich in den Kurveninnenseiten noch weiter neigte, so dass man an Steilkurven auf Rennstrecken erinnert wurde, deren Fahrbahnränder allerdings oft gar nicht mehr vorhanden waren. Solche Abschnitte erfordern eine hohe Konzentration. Und so wäre es in einer Kurve beinahe passiert. Ich kam zu dicht an den unbefestigten Rand und das Auto neigte sich gefährlich. Eine leichte Lenkkorrektur brachte mir wieder Asphalt unter die Reifen.





Auf dem Weg zum Svartisvatnet (schwarzer See)

In Rossvoll gibt es einen Campingplatz. Vor zwei Jahren hatte ich hier schon Station gemacht. Leider durfte ich meinen Wagen hier nicht abstellen, wahrscheinlich deswegen weil ich diesmal nicht hier übernachten wollte. Der Parkplatz in Höhe des Flughafens war verwaist. Kein einziges Fahrzeug stand dort und voll bepackt wollte ich meinen Wagen keineswegs dort abstellen. So blieb mir nichts anderes übrig als bis zur Setergrotte zu fahren. Eine der Grotten, es gibt etwas höher auch noch die Grønligrotte, wollte ich ursprünglich besuchen. Die Informationen, die ich dann aber bekam ließen mich von diesem Vorhaben wieder Abstand nehmen.
Du kriechst auf allen Vieren durch die Grotten, wenn auch mit gestelltem Schutzanzug, Helm usw. Eine Dusche und frische Kleidung nach dem Besuch dürfte wohl unbedingt erforderlich sein. Für Interessierte ist der Besuch ganz sicher lohnenswert. Die Entscheidung, auf den Besuch einer der Grotten zu verzichten, fiel mir nicht schwer. Bei der Setergrotte fragte ich, ob ich meinen Wagen dort stehen lassen konnte. Ich wollte mit dem Fahrrad zum Svartisvatnet. Es gab keine Probleme, freundlich wurde mir das Abstellen des Wagens erlaubt. So wusste ich ihn, samt Inhalt bis zum späten Nachmittag, gut aufgehoben.


Der Ablauf vom Gletschersee
Gegen zwölf Uhr machte ich mich endlich auf dem Weg, das heißt ich startete den ersten Versuch. Nach ein paar hundert Metern wieder zurück weil ich mir nicht sicher war meinen Wagen auch verschlossen zu haben. Das gleiche wiederholte sich ein zweites Mal, weil mir dann einfiel, dass ich keinen Fotoapparat mitgenommen hatte.
Zwei ältere niederländische Paare machten sich bereits ihren Spaß daraus, indem sie mich jedes Mal begrüßten und auch wieder winkend verabschiedeten. So hatte ich auf diese Weise für ein wenig Unterhaltung gesorgt. Dann aber ging es endlich los. Die Strecke war durch meinen gewählten Standort nun etwa sechs Kilometer kürzer (einfache Strecke) und so hoffte ich die verbleibenden fünfzehn oder etwas mehr Kilometer in etwa einer Stunde zu schaffen. Ich hatte diese Strecke als ziemlich eben mit wenigen Erhebungen in Erinnerung, was sich dann auch bestätigte. Lediglich der Anstieg zum See auf unbefestigter Straße ließ sich sehr schlecht fahren und ein kurzes Stück davon musste ich sogar schieben. Trotzdem war das Ziel bereits nach 50 Minuten erreicht, ohne dass es sonderliche Anstrengung gekostet hätte.


Das Ziel ist noch nicht erreicht, doch der Gletscher zeigt sich schon
Zur Landschaft gibt hier eigentlich nicht viel zu sagen. Die kleine Straße führt durch Wäldchen, an Weiden oder Getreidefeldern vorbei und zeigt in der Ferne auch schon mal einen Wasserfall.
Die Sonne hatte unterdessen durchaus an Kraft gewonnen, der Wind jedoch erzählte noch vom vergangenen Winter. Eine gefährliche Mischung besonders wenn man nur auf die Sonne hört. Sie verbrennt dir das Gesicht, während der Wind unentwegt und heimtückisch an deinen Nieren nagt. Meine windfeste Jacke, die ich trotz der brennenden Sonne anhatte machte es dem eisigen Wind schwer.
Als ich den See erreichte, stellte ich einmal mehr fest, dass die Uhren hier und da doch etwas anders ticken. Hier herrschte noch immer Vorsaison und das kleine Motorboot fuhr nur alle zwei Stunden Richtung Gletscher über den See. Zeit genug für einen Kaffee und einem netten Gespräch mit zwei Paaren aus Karlsruhe und Kehl.


und dann liegt er vor dir, der Svartisen Gletscher
Die Bedienung im Café war die gleiche Person wie vor zwei Jahren. Damals als er mich zur frühen Morgenstunde bediente wirkten seine Bewegungen unausgeschlafen. Böse Zungen würden sagen, der bewegt sich wie eine Rolle Schlaftabletten. Heute, zur fortgeschrittenen Mittagsstunde waren seine Bewegungen keinen deut schneller. Es war wohl seine Art sich so tranig zu bewegen, dazu auch noch leise, beinahe flüsternd zu sprechen und aus traurigen Dackelaugen zu schauen, was ihn ein wenig mürrisch erscheinen ließ. Aber deswegen war dieser Mensch in keiner Weise unfreundlich. Man hatte eben einfach nur das Gefühl, der schläft jeden Moment im Stehen ein. Vielleicht hätte er mal seinen eigenen Kaffee trinken sollen, der war wirklich gut gebrüht!
Das Paar aus Karlsruhe wollte auf den Gletscher verzichten, sie wollten noch zur Grønligrotte. Sie waren davon ausgegangen den Gletscher gleich am See vorzufinden. Nun dafür waren sie dann wohl um hundertfünfzig Jahre zu spät gekommen, wie eine Bildertafel im Café veranschaulichte.

Große Eisschollen erzählen vom letzten Gletscherkalben
Um vierzehn Uhr legte das kleine Motorboot für bis zu 50 Passagiere ab. Ein eiskalter Nordwestwind peitschte über den giftgrünen „Svartisvatnet“. Das kleine Motorboot hatte ordentlich zu kämpfen, um sich durch die aufgewühlte See zu pflügen.
Der Wasserfall am anderen Ende des Sees, gleichzeitig der natürliche Ablauf des oberen Gletschersees, dem „Austerdalsvatnet“, beförderte wesentlich mehr Wasser als ich es in Erinnerung hatte. Laut und wild toste er ins Tal und war selbst durch den Motorenlärm zu hören. Er war eine einzige weiße und wütende Gischt. Man sah ihm an, dass die letzte Schneeschmelze noch nicht allzu lange zurücklag.
Auch der anschließende Aufstieg zum Gletscher hatte sich in kleinen Teilen geändert. Da es sich um einen Naturweg handelte musste man sein Verlauf durch äußere Einwirkungen schon mal ändern. So erzählten große herumliegende Felsbrocken von den Auswirkungen und der gnadenlosen Gewalt des Eises und des vergangenen Winters.
Auch der obere Gletschersee hatte sich ohne Rücksicht auf so niedere Wesen wie uns Touristen verdammt breit gemacht. Überbleibsel von großen Pfützen oder kleineren Seen zwischen dem Felsgestein deuteten darauf hin. Dennoch fanden wir unseren Weg zu seiner Majestät.
Obwohl ich ihn nun schon zum zweiten Mal beehrte, hatte er doch nichts von seiner Erhabenheit verloren. Im respektvollen Abstand ließ ich mich vor ihm nieder und betrachtete, nein bewunderte ich seine eisige Eminenz.

Der Svartisvatnet, eingebettet wie ein Smaragd in felsiger Fassung
Viele der mitgekommenen Touristen schienen jedoch keinen Respekt zu kennen. Ungeachtet der Warntafeln, und der überall beschriebenen Gefahren, marschierten sie direkt bis zu seinen Füßen an das Eis heran. Wie groß die Gefahr sein konnte, zeigten frische Bruchstellen und größere Eisschollen die auf dem Gletschersee trieben. Ich dachte nur bei mir: „Gnade ihnen Gott, wenn der Zorn des Gletschers erwacht.“
Nun, solange ich dort oben war zeigte er sich den Respektlosen gegenüber gnädig.
Nach einem kleinen Imbiss schenkte ich ihm noch einen letzten Blick und ich war mir sicher, wenn ich wieder mal in der Gegend war, würde ich ihn wieder besuchen. Dieses kalte eisige Etwas aus grauer Vorzeit hat etwas Mystisches und gleichzeitig Anziehendes an sich. In seiner Nähe spürt man vielleicht wie gering unser Dasein, wie klein wir im weiten Reich der Natur doch eigentlich sind.
Nun hieß es den gleichen Weg wieder zurückmarschieren und mit dem Boot wieder zum Café. Dort angekommen erntete ich den ein oder anderen mitleidsvollen Blick. Eigentlich hätte ich diese Menschen bemitleiden müssen. In ihren großen Wohnmobilen fliegt die Natur doch nur unbeachtet an ihnen vorbei. Und wozu, in aller Namen, hatten sie überhaupt die Fahrräder hinten dranhängen, wenn sie doch nicht genutzt wurden?Sicher, vierzig Kilometer durch eigene Beinkraft zu bewältigen schlauchen und der innere Schweinehund will auch erst einmal überwunden werden. Auch ich spürte die Müdigkeit während ich diesen Bericht hier schrieb. Aber neben dieser Leidigkeit, wenn es denn überhaupt eine war, hatte ich noch ein anderes Gefühl. So etwas wie Stolz und Selbstzufriedenheit, schließlich musste ich es niemanden beweisen, eigentlich nicht einmal mir selbst.








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