Montag, 29. Dezember 2008

Norwegen 2000 - Neue Wege - 9. Elchsafari in Furuhaugli

Elchsafari in Furuhaugli

Der Tag begann mit faulenzen und das sah so aus. Gemütlich im Freien frühstücken, anschließend Lebenszeichen in Form von Postkarten snden und dann nur noch im Liegestuhl liegen, ein Buch lesen und dabei die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut spüren. Erst am späten Nachmittag brach ich auf, um mich beim Treffpunkt einzufinden. Die Elchsafari lag preislich etwas unter der des Vortages. Vor dem Aktivcenter hatten sich zwölf Personen eingefunden. Unter ihnen eine Familie aus Dortmund, sie bestand allein aus sechs Personen.
Wieder ging es Richtung Dovrefjell über die E 6. Zwischen Dombås und Hjerkinn lag unser Ziel. Die Fahrzeuge blieben auf dem Parkplatz zurück. Während der Wanderung Richtung Birkenwald kam ich mit einem ebenfalls allein reisenden Niederländer ins Gespräch. Unterdessen fiel die Dortmunder Familie oder besser gesagt der Mann, gleich zu Beginn unangenehm auf.

Elchkuh im Birkenwald
„Jetzt sag bloß nicht wir müssen hier stundenlang herumlaufen um so ein paar dämliche Viecher zu sehen“, war sein Kommentar nach nur zwanzig Minuten. Der Scout lächelte verlegen, wobei ich mir nicht sicher war, ob er die Worte wirklich verstanden hatte.
Wir drangen in das Waldgebiet ein und folgten Wegen, die wohl nur unser Scout sah. Die ständigen Richtungsänderungen trugen auch nicht gerade dazu bei, Vertrauen zu erwecken. Selbst ich hatte den Eindruck der Junge war mit der Aufgabe überfordert.


Elche beim erfrischenden Bad in der Abendsonne
Der Dortmunder machte erneut seinem Unmut Luft und schrie beinahe. „Weiß der überhaupt, wo der uns hinführt?“ Das war nach einer Stunde.
„Hätte ich mich doch bloß nicht auf die Scheiße eingelassen“, war der Kommentar am Ende der zweiten Stunde. Für den Gewaltausdruck möchte ich mich gleich entschuldigen, ich gebe hier nur den Originalton wieder. Seine Ungeduld wurde immer größer und die Sympathien aus der Gruppe, ihm gegenüber, immer geringer.
Zugegeben, ich hatte auch meine Zweifel daran, dass der Scout überhaupt wusste wohin er wollte. Andererseits ging ich nach wie vor davon aus, dass er das hier nicht zum ersten Mal machte. Mir machte das Laufen auch nichts aus, die Mückenschwärme, die sich an unseren Fersen geheftet hatten schon eher. Nach weiteren zwanzig Minuten näherten wir uns einer kleinen Lichtung mit einem Tümpel. In englisch gab uns der Scout zu verstehen, dass wir nun leise sein und darauf achten sollten, dass wir nicht ständig auf morsche Äste traten. Zum ersten Mal hielt der Mann nun seinen Mund, sein Gesichtsausdruck sprach dafür weiterhin Bände. Und ich fragte mich, wie man sich im Urlaub erholen konnte, wenn man ständig so schlecht gelaunt war.



Elchkuh am Tümpel
Vor uns öffnete sich die Lichtung und da standen sie, zwei Elche. Es handelte sich um einen Bullen und eine Kuh. Der Bulle stand geradewegs im Tümpel und genoss das kühle Nass. Die Abendsonne schimmerte durch die Bäume und spiegelte sich im Wasser. Das ergab wunderbare Bilder. Zwanzig Minuten ließ uns der Scout Zeit Bilder zu machen oder sich langsam um den Teich herum zu bewegen. Zusammen mit dem Niederländer bewegte ich mich wieder ein Stück in den Wald hinein. Unser Scout mahnte uns, sich nicht zu weit zu entfernen, weil wir uns gleich wieder auf den Rückweg machen wollten.

Ein wahrer Genießer
Wir hatten uns vielleicht zwei-, dreihundert Meter von der Gruppe entfernt, als wir ein Rascheln vernahmen. Wir blickten in die Richtung, sahen aber nichts. Wieder raschelte es, da war doch sicher noch ein Elch, vermuteten wir. Wir nahmen unsere Kameras zur Hilfe und schauten hindurch. Da, braunes Fell. Wir nahmen die Kameras gleichzeitig herunter und starrten uns an, dann wieder durch den Sucher. Das war ja unglaublich, was da in fünfzig Meter Entfernung mit dem Rücken vor uns stand. Noch ein Kurzer Blick und dann wurde auf den Auslöser gedrückt. Während der Rest der Gruppe sich noch mit den Elchen beschäftigte, bzw. gerade in unsere Richtung kam hatten wir einen Braunbären vor uns! Wir sahen ihn nur von hinten, er konnte uns also gar nicht wahrnehmen. Der Scout winkte uns zu, wir sollten kommen. Ich nahm die Kamera herunter und schüttelte den Kopf. „Come here, look a baer“, sagte ich gerade noch laut genug, damit er mich verstand. Der Scout schaute mich an und schüttelte nun seinerseits den Kopf. Hier gibt es keine Bären, gab er uns zu verstehen. Die anderen in der Gruppe hatten den Wortwechsel mitbekommen. „Wo ist ein Bär?“ fragte der Dortmunder mit seiner unangenehmen lauten Stimme und kam auf uns zu. Die Äste brachen unter seinen schweren Schritten. Plötzlich bemerkte der Bär uns. Er stellte sich kurz auf, schaute in unsere Richtung und eilte verängstigt davon. Immerhin hatte der Scout den Bären noch gesehen.


Überraschung auf der Elchsafari, ein Braunbär
Er schien fassungslos und schüttelte immer wieder den Kopf, dann griff er zum Handy und sprach aufgeregt mit jemandem. Nach dem kurzen Gespräch wandte er sich an uns und erklärte, dass es in diesem Gebiet eigentlich keine Bären gab. Der Bär erschien ihm recht jung, vermutlich ein männliches Tier aus Schweden, dass sich nun sein eigenes Jagdgebiet suchte und dabei hierher gelangt war. Jan und mir war es völlig egal. Wir hatten unsere Bilder gemacht und etwas Unvergessliches erlebt. Während des zweistündigen Rückweges sprachen wir von nichts anderen mehr. Die Kinder der Dortmunder Familie waren besonders neugierig und wollten auch wissen ob wir keine angst gehabt hätten. Angst? – Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht, schließlich war ein Bär ein Raubtier. Nein, ich hatte in dem Moment keine Angst, ich sah nur das besondere in der Situation, nämlich einen Bären in freier Wildbahn gesehen zu haben. Das erklärte ich den Kindern und bekam von ihrem Vater zu hören:
„Ihr tut gerade so als hättet ihr noch nie einen Bären gesehen. Was ist denn schon besonderes daran?“
„Haben sie schon Bären gesehen? Ich meine nicht im Zoo oder im Zirkus?“
„Ja wo denn sonst?“
„Hier draußen in der Natur. Im Zoo kann ich Bären sehen, wann immer ich will. Hier draußen, das war das erste Mal. Das ist, weiß Gott, etwas Besonderes.“
Er machte nur eine wegwerfende Handbewegung und beendete das Gespräch damit. Solche Menschen konnten das nicht verstehen.

Er kehrt uns den Rücken zu

Hoffentlich sind wir bald beim Wagen, ich brauche meine Flasche Bier“, das war ihm einzig und allein wichtig. Natur, was war schon Natur? – Was wollte so ein Mensch nur in Norwegen?
Auf dem Parkplatz wäre es dann beinahe zum Disput gekommen. Hatte dieser Mensch doch die Frechheit besessen, sein Geld zurück zu verlangen, weil er nur zwei Elche gesehen hatte.
Mir platzte der Kragen. „So wie sie sich benehmen, muss man sich schämen aus Deutschland zu kommen. Sie haben gesehen was sie sehen wollten. Nirgendwo steht geschrieben wie viele Elche sie zu sehen bekommen. Das hier ist Natur, die Tiere leben in freier Wildbahn. Wenn sie mehr Elche sehen wollen, dann gehen sie in Zukunft in den Zoo, da können die Tiere nicht weglaufen.“ Die übrigen aus der Gruppe stimmten mir nickend zu. Nachdem ich mir einige Beschimpfungen anhören durfte, ehe seine Frau ihn wegzerrte, stampfte er wutentbrannt zu seinem Wohnmobil, schnauzte die Kinder an, dass sie sich beeilen sollten und fuhr davon. Die übrigen Teilnehmer schüttelten verständnislos den Kopf. Ich verabschiedete mich von ihnen und kehrte nach Dombås zurück. Es war schade, dass durch so unzufriedene Menschen ein herrlicher Tag mies gemacht wurde. Dennoch wird mir die Begegnung mit dem Bär immer in Erinnerung bleiben.

Angst? - Keinen Augenblick!







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