Sonntag, 28. Dezember 2008

Norwegen 2000 - Neue Wege 2. Preikestolen

Preikestolen

Die erste Nacht in Norwegen. Die Temperatur war auf vier Grad gefallen, es hatte leicht genieselt und ich hatte obendrein schlecht bis gar nicht geschlafen. Das lag zum einen an der ungünstigen Lage des Campingplatzes, der direkt an der Hauptstraße lag und zum anderen wohl auch an das für mich ungewohnte Schlafen in einem Zelt. Noch dazu alleine, so dass jedes kleine Geräusch dazu beitrug wach zu bleiben.
Die durchwachte Nacht ließ mich dann auch an meinem Vorhaben zweifeln. Ganz alleine durch dieses Land, war das nicht doch zu leichtsinnig? Norwegen gilt als sicher, aber es heißt auch, dass erst die Gelegenheit Diebe macht. Die ganze Nacht schwankte ich zwischen umkehren und weiterfahren. Gegen sieben Uhr am Morgen, als die Müllabfuhr mir das letzte bisschen Schlaf raubte, standen mir die Sinne nach Umkehr. Ich brauchte niemanden etwas zu beweisen, also was machte ich hier, war meine Meinung. Ich verließ das Zelt, duschte mich und warf einen Blick in meine Reiseunterlagen. Die ganze Arbeit, die da drin steckte, alles umsonst? Ich focht einen inneren Kampf mit mir, bei dem der Trotz schließlich siegte.
Sieben Grad zeigte das Thermometer, die grauen Wolken hingen verdammt tief und über dem Meer lag eine dichte Nebelwand. Und ich packte meinen Klapptisch aus, deckte ihn mit allem was mein kleiner Kühlschrank hergab, kochte mir Kaffee und frühstückte im Freien!
Die Blicke der anderen Camper sprachen Bände. Hinter Gardinen behängten Wohnmobilscheiben glaubte ich die Menschen reden zu hören: „Schaut euch diesen Wahnsinnigen an, frühstückt bei dem Sauwetter im Freien.“ Ja, wo auch sonst? In meinem kleinen Kangoo war kaum Platz dafür. Und überhaupt, genauso hatte ich mir meinen Urlaub doch in Norwegen vorgestellt.
Gegen Neun verließ ich den Platz und machte mich auf den Weg zum ersten Etappenziel. Der Preikestolen, das wohl bekannteste Felsmassiv in Norwegen, sollte es sein. Mein Weg führte über Sandnes nach Larvvik. Im tristen Grau setzte ich mit der Fähre nach Oanes über. Danach noch ein Stück über die RV 13 dann rechts der Beschilderung „Preikestolenhytta“ folgen. Der Parkplatz dort ist kostenpflichtig, aber dafür bekam man ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Schließlich war der Wagen bis unters Dach mit Ausrüstung vollgepackt. Angefangen mit der Campingausrüstung, eines Mountainbikes, der Kameraausrüstung und der gesamten Outdoor Bekleidung. Und das Ganze nicht mal versichert, weil sich keine Versicherung dafür verantwortlich fühlt. Und es gibt auch keine Zusatzversicherung für solche Fälle. Damals, bei der Planung wäre das beinahe ein Grund gewesen, die Reise nicht zu machen. Aber eben nur beinahe, ein bisschen Risiko gehört einfach dazu.

Überfahrt über den Lysefjord (RV 13)
Den Preikestolen kannte ich nur aus dem Reiseführer. Familienfreundliche Wege, lautete eine Aussage. Das gilt auch, zumindest für den ersten Teil der etwa vier Kilometer langen Strecke. Anderthalb bis zwei Stunden Zeit pro Richtung sollte man schon einkalkulieren. Ebenso festes Schuhwerk, denn spätestens an der Geröllhalde zeigt sich ob man weitergeht oder umkehren muss. Ganz besonders wenn man so widriges Wetter hat, wie es an jenem Tag herrschte. Es war nach wie vor neblig und feucht bei knapp über zehn Grad. Das Gestein und die Holzstege waren glitschig, der Lehmboden teilweise aufgeweicht. Insbesondere für mich hatte der Nebel auch seine guten Seiten. So blieben die Abgründe, an denen man teilweise entlang balanciert, im Verborgenen. Ja, ich gestehe, ich bin absolut nicht schwindelfrei und Bergsteiger bin ich ebenso wenig, trotzdem gab ich nicht auf. Ich wollte dieses erste Ziel erreichen.
Der nicht immer einfache Weg zum Preikestolen
Nach zwei Stunden und reichlich Schweiß lag das bekannte Plateau vor mir. Die Bilder im Reiseführer zeigen die Felsplatte stets im schönsten Sonnenlicht mit unbeschreiblicher Aussicht auf den Lysefjord. Vor mir huschten graue Schatten über die Plattform, saßen an den Kanten oder lagen gar bäuchlings, um in das unendliche graue Nichts zu starren. Die Bilder wirkten unwirklich, aber gerade dieser Umstand hatte seinen eigenen Reiz. Das Plateau bei strahlendem Sonnenschein, bannte sicher jeder auf Zelluloid, Nebel umwoben erlebten nicht viele Menschen den Preikestolen. Die meisten verwarfen den Aufstieg bei so einer Wetterlage doch gleich wieder.



Wo es nicht weitergeht helfen Holzstege oder Brücken
Nach einer stärkenden Brotzeit und ein wenig Smalltalk mit einigen anderen Touristen ging es denselben Weg wieder zurück. Trotzdem hatte sich etwas geändert. Der Nebel war lichter geworden. Plötzlich taten sich Felsspalten auf, die vorher nicht gesehen worden sind. Das entlang hangeln, um die Felsnase, verlangte plötzlich Selbstbeherrschung, der Abgrund unter mir war tiefer geworden. Und auch die Geröllhalde verlangte nach Geschick, so dass der Abstieg keineswegs schneller voranging.
Am frühen Nachmittag erreichte ich wohlbehalten den Parkplatz. Wie es die Dame mit den Stöckelschuhen geschafft hat, ist mir bis heute ein Rätsel. Ihre Schutzengel waren wohl in höchste Alarmbereitschaft. Vor soviel Leichtsinn auf einmal kann ich nur abraten.


Die Kanzel im Nebel. Aussicht gleich Null

Zu guter letzt stärkte ich mich dann in der Hütte am Parkplatz. Die Bewirtung dort ist von der einfachen, aber durchaus schmackhaften Art. Danach war dieser Tag schon beinahe vorbei. Die Wanderung war anstrengend und doch fühlte ich eine gewisse Zufriedenheit. Obwohl mir die wundervolle Aussicht verwehrt geblieben war. Die RV 13 führte mich noch ein Stück am Idsefjord entlang. Das Wetter schien Anstalten zu machen sich zu bessern. Ich genoss das gemütliche Reisen und die zunehmend besser werdende Aussicht. Unmerklich hatte sich meine innere Uhr den neuen Umständen angepasst. Die Alltagshektik war von mir gewichen. Nun konnte ich meinen Urlaub wirklich genießen.

Blick auf die Fjordlandschaft beim Abstieg
Auf einen kleinen, aber sehr ansprechenden Campingplatz bei Fister beendete ich den Tag. Die Dusche spülte die Anstrengungen weg und der Fisch, den belgische Motorradfahrer mit mir teilten schmeckte genau nach der Freiheit, die ich gesucht hatte.
Trotz Verständigungsschwierigkeiten, ich sprach weder flämisch noch französisch, die Belgier kein deutsch und kein englisch, verbrachten wir einen gemütlichen Abend und genossen dabei die Aussicht auf den Fjord.



Campingplatz in Fister (RV 13) Blick auf den Fjord












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