Montag, 29. Dezember 2008

Norwegen 2000 - Neue Wege - 11. Atlantik- Küstenstraße RV 17

Atlantik- Küstenstraße RV 17

Nachdem es in den letzten Tagen stärker bewölkt und kaum über zwanzig Grad warm war, zeigte sich der Morgen von seiner schönsten Seite. Kein Wölkchen trübte das tiefe Blau des Himmels. Von der Wetterseite sollte es ein schöner Tag werden und das konnte ich auch gebrauchen, schließlich standen vier Überfahrten mit verschiedenen Fähren auf dem Programm. Los ging es in Holm. Die Überfahrt reichte kaum für eine Tasse Kaffee. Abgelegt und gleich darauf in Vennesund wieder angelegt. Vor mir lagen fünfunddreißig Kilometer Fahrweg bis zur nächsten Fjordüberquerung. Doch zuvor weckte ein kleines Freilichtmuseum bei Mosaksa meine Aufmerksamkeit.

Kleines Freilichtmuseum Mosaksla (Brønnøysund)
Fünf oder sechs Gebäude und eine kleine Kirche, die ausnahmsweise unentgeltlich besichtigt werden konnte. Überhaupt war das Freilichtmuseum kostenlos, gegen eine kleine Spende wurde aber auch nichts eingewendet. Dafür bekam man dann auch eine Führung mit den entsprechenden Erklärungen. Leider erfolgten die Ausführungen in Landessprache und die ellenlangen Erklärungen in englisch konnten gar nicht so schnell gelesen werden. Ein Paar in meinem Alter war an jenem Morgen ebenfalls auf dem Gelände. Später erfuhr ich, dass sie aus Oslo kamen und in den Norden geflüchtet waren, weil das Wetter im Süden so grottenschlecht war. Sie sprach etwas deutsch und übersetzte die Führung für mich, so als wäre es ganz selbstverständlich. Nach einer Stunde bedankte ich mich und setzte meinen Weg fort, doch schon auf der nächsten Fähre trafen wir uns wieder. Das lag ja auch nahe, denn hier an der Küste gab es eigentlich nur zwei Richtungen, nach Norden oder nach Süden.


Kirche des Freilichtmuseums
Die zweite Überfahrt führte von Horn nach Anddalsvagen und war ebenfalls von kurzer Dauer. Die Aussicht über die weite Fjordlandschaft hatte ihre Reize, ganz besonders wenn das Wetter es so gut meinte. So kurz wie die Überfahrt war auch der Fahrweg über die Straße. Nur ganze siebzehn Kilometer trennen Anddalsvagen von Forvika. Außer der schönen Aussicht gab es auch nicht viel zu bewundern, trotzdem sollte der Aufenthalt über zwei Stunden währen. So lange dauerte es ehe die nächste Fähre fahren sollte. Eigentlich wollte ich die Zeit im Hafencafé verbringen, doch das schloss gerade. Auf meine Frage, wann es wieder öffnete, sagte man mir: „ eine halbe Stunde vor Abfahrt der nächsten Fähre. Merkwürdige Geschäftsgebaren. Jetzt warteten die Leute und würden ihr Geld ausgeben, wenn man sie ließe.



Hafenblick bei Holm
So nutzte ich die Zeit, um mir die Felszeichnungen in Vistnes anzuschauen. Ein unbefestigter Weg führte in die Nähe, der Rest musste zu Fuß bewältigt werden. Von Vistnes aus hatte man auch einen sehr schönen Blick auf die „Sju Søstre“ oder sieben Schwestern. Dabei handelt es sich nicht um irgendwelche schönen Frauen, sondern um eine Gebirgskette mit eben sieben Erhebungen.

Felszeichnungen von Vistnes (Tjøtta)
Im Land der Trolle erzählt man sich viele Geschichten und so haben auch die sieben Schwestern ihre Geschichte. Man erzählt sich, dass sie sich eines Nachts auf den Weg gemacht hatten um sich nach schönen Männern umzuschauen. Damit waren sie dann so beschäftigt, dass sie vergaßen wie schnell die Sonne wieder über den Horizont kroch. Voller Panik eilten sie über den Fjord nach Hause, doch die Sonne war schneller und alle sieben erstarrten zu Stein. So kann es gehen wenn Trolle nicht hören.


Bick auf die Sju Søstre
Die Überfahrt nach Tjøtta dauerte eine gute Stunde. Ich nutzte die Zeit um das Paar aus Olso zu einem Kaffee einzuladen und mich damit noch einmal für die Freundlichkeit zu bedanken. Wenig später sollten sich unsere Wege trennen. Die beiden wollten weiter die Küstenstraße bis Bodø hochfahren. Mein Weg sollte mich nach Mo I Rana führen. Der Svartisen Gletscher war mein nächstes Ziel. Aber soweit waren wir noch nicht.
Sju Søstre bot von der Seeseite ebenso schöne Ansichten, wie wenig später von Landseite. Auch die Helgelandsbrua imponierte, auch wenn man dort wieder mal zur Kasse gebeten wurde. Aber schließlich war es ja egal ob man für die Fähre oder eben für eine Brücke bezahlte. Bezahlen musste man in jedem Fall.


Später nochmal von der Straße aus
Am späten Nachmittag stand schließlich die letzte Fährfahrt auf dem Programm. Sie führte von Levang nach Nesna und von dort weiter nach Mo I Rana. Auf dem Weg dorthin konnte man herrliche Landschaften bestaunen, die im Licht der untergehenden Sonne beinahe märchenhaft wirkten. Ganz anders die Stadt. Sie wirkte wenig einladend, und mit ihren grauen Betonfassaden der ansässigen Industrie, beinahe wie ein Fremdkörper in der Landschaft. Etwas außerhalb, bei Rossvoll, sollte ich mein heutiges Nachtquartier finden und noch eine besondere Begegnung haben.

Die Helgelandsbrücke ersetzt die Fähre, aber nicht die Kosten
Die Platzwirtin sprach ein fürchterliches englisch, jedenfalls verstand ich kein Wort. Daraufhin schaute sie an mir vorbei auf das Kennzeichen meines Wagens und rief gleich darauf etwas. Dem Ruf folgte ein junges Mädchen, etwa sechzehn Jahre, vermutlich die Tochter. Erneut brachte ich mein Anliegen in Englisch vor und bekam zur Antwort: „Sie können ruhig deutsch mit mir reden.“ Ich glaube, ich habe in dem Moment dreingeschaut, als wäre mir ein Geist begegnet. Ihre Aussprache war so klar und fehlerfrei, dass ich im ersten Augenblick gar nichts sagen konnte und mit offenen Mund vor ihr stand, was ihr ein herzliches Lachen entlockte. „Genau so schauen mich alle deutschen Touristen an, wenn ich sie nach ihren Wünschen frage“, sagte sie und lächelte freundlich. Meine Wünsche waren schnell vorgebracht, die Auskünfte die ich brauchte bekam ich ebenfalls. Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte und eine wohltuende Dusche genossen hatte, kam ich nicht umhin mich noch einmal mit dem Mädchen zu unterhalten. So erfuhr ich, dass an norwegischen Schulen deutsch zum Unterricht gehörte. Die Schüler können zwischen deutsch und englisch wählen. Und nicht wenige entscheiden sich für die deutsche Sprache. Sie liebte die Sprache nach ihrer eigenen Aussage und das war wahrlich zu hören. Nicht ohne stolz erzählte sie, dass sie seit fünf Jahren immer die Klassenbeste in Deutsch war, und dass sie eines Tages dieses Land besuchen wollte, von dem sie schon so viel gehört und gelesen hatte.

Ausblick auf den Leirfjord
Die Nacht auf dem Platz war weitaus weniger amüsant, aber das hatte nur etwas mit der Lage des Platzes zu tun. In unmittelbarer Nähe führt die E 6 vorbei und gleich hinter dem Platz liegt der Flughafen von Rossvoll. Die Maschinen der SAS donnern geradewegs über darüber hinweg, aber das zum Glück nur bis zweiundzwanzig Uhr. Auch der Verkehr wäre zu ertragen gewesen, wenn da nicht einige Jugendliche ihre nächtlichen Straßenrennen veranstaltet hätten. Dazu auch noch die überlaute, kaum zu ertragende Musik. Gezwungenermaßen blieb ich bis weit nach Mitternacht hellwach. Erst gegen drei trat Ruhe ein.







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