Sonntag, 28. Dezember 2008

Norwegen 2000 - Neue Wege - 6. Dalsnibba und Geiranger

Dalsnibba und Geiranger

Der Juli neigte sich dem Ende entgegen. Hochsommerzeit. Die Bergregion um Stryn machte aber nicht den Eindruck. Soweit das Auge reichte schneebedeckte Berge und etwas später gar ein zu dreiviertel zugefrorener Bergsee. Wohin man sah winterliche Landschaften, aber das galt nicht für die Temperaturen, die schon am Morgen die zwanzig Grad Grenze überschritten. Der, von mir, zurate gezogene Reiseführer hatte also nicht übertrieben. Dort stand zu lesen, dass Stryn dafür bekannt sei den Skifreuden auch im Sommer frönen zu können.
Kühe beim morgendlichen Spaziergang auf der RV 5
Mein erster Weg sollte mich heute zum Dalsnibba hinauf führen. Die Straße zum Berggipfel ist ebenfalls gebührenpflichtig. Als ich den Abzweig erreichte und die Serpentinenstraße in Augenschein nahm, war ich mir gar nicht mehr so sicher, dass ich da wirklich hinauf wollte. Leitplanken gab es nur an drei Stellen, alle anderen Abhänge waren ungeschützt. Ich entschied mich erst einmal dafür in der Hütte am See eine Tasse Kaffee zu trinken. Als ich wenig später wieder ins Sonnenlicht trat, schickte sich gerade ein großer Reisebus an den Dalsnibba zu erklimmen. Ich beobachtete ihn einen Augenblick, wie er sich die Serpentinen hinaufwand und beschloss seinem Beispiel zu folgen.


Stromschnellen bei Stryn
Die fällige Straßengebühr lag im erträglichen Rahmen. Gleich hinter dem Schlagbaumhäuschen endete der asphaltierte Straßenbelag und grober Schotter knirschte unter meinen Rädern. Die engen Kehren und der lose Belag hatten einen Hauch von Abenteuer. Der Ausblick auf den fast zugefrorenen See und den schneebedeckten Bergen war schon fantastisch. Nach gut zehn Minuten erreichte ich den Parkplatz am Gipfel. Von hier oben hatte man eine Rundumsicht, die Kilometer weit ins Land reichte. Doch die schönste Aussicht bot der Blick hinunter auf den Geirangerfjord. Rundherum eingebettet von hohen Bergen liegt er türkisfarben im Tal. Vereinzelt sind kleine weiße Häuser auszumachen und die, wie ein Lindwurm sich windende Straße. Auf der anderen Seite des Fjordes die Serpentinenstraße mit ihren 28 Kehren. Ein herrlicher Ausblick fürwahr. Und doch fehlte etwas, richtig, das obligatorische Kreuzfahrtschiff auf dem Geiranger. Auf jeder Postkarte ist es zu sehen. Hier und heute fehlte dieses kleine Detail. Um so wichtiger war es mir diesen Zustand im Bild festzuhalten. Für all jene, denen das Motiv mit Kreuzfahrtschiff wichtig war gab es sogar einen Fahrplan auf dem man ablesen konnte, wann welches Schiff, um welche Uhrzeit im Geiranger anzutreffen war. Am heutigen Tag sollte erst eines um siebzehn Uhr einlaufen.


Ende Juli und der Gebirgssee Djupvatnet ist noch völlig zugefroren
Ein junges Paar aus Schweden, mit dem Motorrad angereist, suchte nach einem Menschen der sie gemeinsam vor der Kulisse des Geirangers fotografierte. Ich bot mich, nicht ganz uneigennützig, an und die zwei waren erfreut über die Hilfeleistung. Im Gegenzug ließ ich mich vor gleicher Kulisse auf Zelluloid bannen. Wir wechselten noch ein paar freundliche Worte ehe wir wieder unsere eigenen Wege gingen.
Das Verhältnis Autofahrer und Motorradfahrer schien mir hier wesentlich lockerer zu sein, als bei uns in Deutschland. Das konnte ich jedenfalls schon mehrfach feststellen.


Bei der Djupvasshytta
Auf den Rückweg ließ ich mich zu ein paar Risikobilder verleiten. Während ich mit einer Hand die Serpentinen talwärts lenkte machte ich einige Bilder mit der anderen freien Hand. Wenn sie das auch machen wollen überlassen sie das besser ihrem Beifahrer, den ich bekanntlich nicht hatte.


Der unbeschreibliche Ausblick vom Dalsnibba (Geiragerfjord und Adlerstiege)
Das nächste Ziel war nun der Ort Geiranger, am eben jenen berühmten und beliebten Fjord. Dieser und der Hardangerfjord buhlen um den Titel des schönsten Fjords im Lande. Ich muss sagen, es ist verdammt schwer überhaupt so eine Entscheidung zu fällen. Beide haben ihre Reize, aber deswegen müssen andere nicht gleich weniger schön sein. Ich meine, jeder sollte sich seinen Lieblingsfjord aussuchen, dieses Land hat doch genug davon. – Aber nicht gleich mit nach Hause nehmen, das könnte sonst Ärger geben!


Ich vor der Bergkulisse am Dalsnibba

Die Straße (RV 63) hinab ins Geirangertal schlängelt sich wie eine aufgebrachte Schlange, mal links, mal rechts, mal in langgezogenen Kurven, dann wieder in engen Spitzkehren. Und als wäre das alles noch nicht genug, tummeln sich auch noch Schafe an den Straßenrändern. Wer die Tiere nicht gefährden und gleichzeitig die tollen Aussichten nicht verpassen will fährt im gemäßigten Tempo talwärts, das schont obendrein auch noch die Bremsen. Eine halbe Stunde vergeht da schon mal, ehe die zwanzig Kilometer zurückgelegt sind. Wie lange die Radfahrer, die mir auf halber Strecke begegnet sind, wohl gebraucht haben, um den Gipfel zu erreichen, darüber will ich besser nicht nachdenken. Allein schon zu sehen, wie sie sich die Berge hoch quälten, haben mir den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben.


Eine Hand am Lenkrad, die andere am Auslöser. Gefährliches Spiel auf der Serpentinenpiste.
In Geiranger suchte ich erst einmal eines der kleinen Straßencafés auf und gönnte mir einen großen Eisbecher. Menschen gingen ohne Eile an mir vorbei. Ich brauchte nur wenige Minuten um Einheimische von Touristen zu unterscheiden. Dazu brauchte ich sie nicht einmal sprechen zu hören. Die, denen die Gelassenheit ins Gesicht geschrieben stand, waren die Einheimischen. Jene, denen beinahe eine Jacketkrone aus dem Mund fiel, weil er so weit offen stand, waren eindeutig die Touristen. Ich hätte sie also auch ohne ihre weißen Hütchen, den Sonnenbrillen und den Kameras um den Hals erkannt. Aber ich will hier keineswegs lästern, schließlich bin ich selbst Tourist und die Landschaft kann einen wirklich in Erstaunen versetzen, das war es was ich damit sagen wollte.


Auf der anderen Seite. Blick auf den Geirangerfjord von der Adlerstiege
Nach dem Eis und einer darauffolgenden Tasse Kaffee schlenderte ich zum Bootsanleger. Rundfahrten auf dem Geirangerfjord wurden dort angepriesen. Ja, warum sollte ich den Tag nicht mit so einer Gelegenheit ausklingen lassen. Sofort wollte ich mein Vorhaben in die Tat umsetzen, leider sprach etwas ganz wesentliches dagegen. Die letzte Fähre ging um achtzehn Uhr und es war jene ohne Wiederkehr, zumindest was den heutigen Tag betraf. Schade, wäre zu schön gewesen, aber man kann ja nicht alles haben. So begnügte ich mich mit einen kleinen Spaziergang durch den Ort und der näheren Umgebung, ehe ich meine Fahrt fortsetzte, um mir ein weiteres Nachtlager zu suchen. Und die Frage, ob ein Tag wie dieser noch zu toppen sei, hatte ich mir fortan nicht mehr gestellt. Jeder einzelne Tag für sich war einzigartig und hatte seine besonderen Höhepunkte. Warum sollte ich also versuchen herauszufinden, welcher Tag nun der schönste gewesen ist? – Ich denke, das ist etwas für Erbsenzähler. Für mich zählte nur das Gesamtbild und das war bis hierher schon unvergleichlich.



...und noch einmal der Ausblick








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