Sonntag, 28. Dezember 2008

Norwegen 2000 - Neue Wege - 5. Jostedalsbreen

Jostedalsbreen

Ein neuer Tag begann und neue Entdeckungen und Überraschungen sollten vor mir liegen. Aber der Reihe nach. Die Gegend um Hemsedal erinnerte mich an typische Landschaften in Österreich oder der Schweiz. Gleich gegenüber dem Campingplatz gab es so ein typisches Motiv dafür. Ein Berghof umgeben von saftigen grünen Wiesen auf denen wiederkäuend die Kühe friedlich grasten. Gleich hinter dem Hof erhob sich ein bewaldeter Bergrücken aus Kiefern und Fichten.
Landschaft im Hemsedal
Diese Landschaftsbeschaffenheit begleitete mich an diesem Morgen noch ein Stück. Auf halbem Weg nach Borgund änderte sie sich wieder. Borgund, an der RV 52, war ein kleiner Ort mit nur wenigen Häusern. Gäbe es dort die schöne Stabkirche nicht, würde man vermutlich weiterfahren und hätte ihn nach wenigen Minuten aus seinen Erinnerungen verdrängt. Die Kirche liegt direkt an der Hauptstraße und hier hatte man auch für zahlreiche Parkmöglichkeiten gesorgt. Sie zählt wohl mit zu den schönsten Kirchen dieser Bauart. An diesem Morgen war der Besucherandrang noch nicht so groß. Zwei Reisebusse, einige Wohnmobile und PKW, das war es auch schon. Die Kirche und der strahlend blaue Himmel boten Postkartenqualität. Nachdem ich sie mir ausgiebig von außen angesehen hatte wollte ich auch das Innere sehen. Die Norweger sind geschäftstüchtig, wie ich bereits mehr als einmal feststellen durfte. So sollte auch hier für das Besichtigen ein Obolus entrichtet werden. Dagegen spricht auch nichts, da mit diesen Geldern für den Erhalt des Bauwerkes gesorgt wird. Das Fotografieren war verboten, der kleine Andenkenshop neben dem Parkplatz bot dafür um so mehr Bildmaterial. Ich verzichtete auf derlei und setzte meinen Weg nach einer Stunde fort.




Wackelige Stege über reißende Flüsse
Die Straße endete wenig später am Lærdalsfjord. Von hier hieß es die Fähre zu benutzen. Der Andrang am Ableger war schon ganz ordentlich, aber noch waren keinen Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Die Überfahrt über den stillen, im Sonnenlicht liegenden Lærdalsfjord dauerte nicht länger als man für eine gute Tasse Kaffee trinken braucht. In Mannheller hatte ich wieder Asphalt unter den Reifen und bei Kaupanger wartete schon die nächste Stabkirche auf interessierte Touristen. Hier sah es mit dem Besucherandrang schon ganz anders aus. Die Autoschlange, runter zum Fährableger, reichte bis hinauf zur Hauptstraße. Und ganze Busladungen drängten sich in das kleine Kirchengebäude. Ich machte gar nicht erst den Versuch mir die Kirche von innen anzusehen. Neben der Kirche erweckte eine riesige Fichte meine Neugier. Ihr Stamm war so dick, dass fünf Erwachsene nicht langten um ihn zu umfassen. Die Spitze überragte sogar noch die Kirchturmspitze und sie war noch einige Jahre älter als der Kirchbau.


Stabkirche von Borgund
Das kleine Schiffsmuseum in Kaupanger, direkt am Fährhafen war auch nicht zu verachten. Für ein kleines Eintrittsgeld erfuhr man hier so einiges über den Schiffsbau vergangener Tage am Lærdalsfjord.

und Stabkirche in Kaupanger
In Sogndal war es Zeit für eine Stärkung. Die kleinen Cafés und Bistros luden geradezu ein zum Verweilen. Und selbst für große Einkäufe war der Ort gerüstet, dafür sorgte das große Einkaufszentrum. Nach einem guten Mittagessen setzte ich meinen Weg fort über die RV 5. Langsam aber stetig ging es wieder ins Gebirge und das nächste Ziel stand gar nicht auf meinen Fahrplan. Ein genauerer Blick auf die Karte und es wäre keine Überraschung geworden. Aber wer plant seine Reise schon bis ins letzte Detail, die Überraschungen sind es doch, die so eine Reise ausmachen.

Im Hafen von Kaupanger

Ich spreche vom Auftauchen eines Ablegers des Jostedals Gletschers. Schon von der Straße war er gut auszumachen. Anhalten am Straßenrand für erste Bilder stellte keine Probleme dar, die Straße ist nur wenig befahren und auch breit genug. Etwas weiter gab es eine Zufahrt zu einem unbefestigten Parkplatz. Mit der Kamera bewaffnet machte ich mich auf den Weg zum Gletschersee.


Blick über den Lærdalfjord

Aber soweit sollte ich gar nicht erst kommen. Plötzlich ertönte ein Grollen, dessen Ursprung ich zunächst gar nicht lokalisieren konnte. Ein Ehepaar, dass mir gerade entgegenkam, drehte sich um und starrte zum Gletscher. Ich folgte ihren Blicken und riss gleichzeitig die Kamera hoch. Meine Bewegungen erfolgten mechanisch, Objektivdeckel ab, durchsehen und fotografieren. Das Ehepaar schaute weiter gefesselt zum Gletscher und er sagte ergriffen: „Er kalbt!“ Das Spektakel war so schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Die Frau schaute ihren Mann an und fragte: „Hast du alles gefilmt?“ Er schaute sie an, dann die Kamera, die er die ganze Zeit in der Hand hielt, und schüttelte betreten den Kopf. Ich grüßte und die Frau fragte mich, ob ich alles fotografiert hätte. Ja, ich hatte fotografiert, aber ich konnte nicht sagen, ob ich das Ereignis auch wirklich im Bild festgehalten hatte. Alles war so schnell gegangen, mehr vom Unterbewusstsein gesteuert. Wochen später, als ich längst wieder zu Hause war und die Filme entwickelt, wusste ich dass mir das Ereignis für immer in Erinnerung bleiben sollte. Das Kalben des Gletschers war auf den Bildern deutlich zu sehen.



Der Jostedalbreen ist schon von der Straße (RV 5) zu sehen
Wir wünschten uns noch einen schönen Urlaub und ich ging weiter zum See. Kaum hatte ich diesen erreicht packte mich ein eiskalter Hauch. Die Temperaturen lagen deutlich über zwanzig Grad, ich war nur mit einem T-Shirt bekleidet. Aber hier am See herrschte unvermittelt ein kräftiger und sehr kalter Wind. Ich hatte das Gefühl geradewegs in einem Eisschrank getreten zu sein. Der Wind kam vom Gletscher und trug seine eisigen Grüße zu uns herab. Lange blieb ich nicht, dafür war es zu kalt, aber kaum hatte ich mich fünfzig Meter vom See entfernt, hatte ich das Gefühl durch eine Tür gegangen zu sein und die sommerliche Wärme umarmte mich.


... und noch einmal aus der Nähe
Inzwischen war es später Nachmittag geworden und es wurde langsam Zeit sich nach einem Campingplatz umzusehen. Auf den kommenden Kilometern sollten gleich mehrere Plätze liegen. Ich hatte also die Wahl. Ich entschied mich dafür noch etwas zu fahren um dem ersten Ziel des nächsten Tages noch etwas näher zu kommen. Irgendwann tauchte ein großes blaues Schild auf „Toll Plaza“ stand dort zu lesen. Schon wieder, dachte ich noch bei mir und überlegte gleichzeitig warum beim Gletscher nicht auch so ein Schild gestanden war. Das war doch auch ein schöner Platz gewesen. Ich hielt also Ausschau nach diesem tollen Platz und bekam prompt die Quittung dafür. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich eine Mautstelle auf. Ich wusste darum, war aber bisher noch keiner begegnet. Die Hinweistafel mit den Preisen ließ mich leicht zusammen zucken. 130 NOK oder rund 35 DM waren nun fällig. Ich schluckte und dachte, das kann ja noch heiter werden, wenn die überall so zulangen. Der Streckenabschnitt war sicher wunderschön, aber deswegen gleich so abkassieren? – Nützt ja nichts, bezahlen und weiter. Wenig später steuerte einen kleinen Campingplatz bei Stryn an. Wieder war ein Tag vergangen, ein Tag voller Erlebnisse, Begegnungen und Überraschungen. Konnte es zu den bisher gesehenen und erlebten überhaupt noch eine Steigerung geben? Sie werden es erfahren, wenn sie dranbleiben.






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