Samstag, 4. April 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - Nach Andøya

Nach Andøya

In der Nacht mal wieder in einem Bett zu liegen hatte mir gut getan. War ich am Abend noch skeptisch wegen des günstigen Preises, so konnte ich am Morgen feststellen, dass manch teurere Hütte weitaus weniger komfortabel gewesen war. Das gilt im Besonderen für den Schlafkomfort.
Beim Blick aus dem Fenster, das gleiche Bild wie am Abend. Graue Wolken standen regungslos am Himmel, krallten sich an den nahen Bergen fest, und ließen ebenso graue Bilder in meinen Gedanken entstehen. Doch ich wehrte mich erfolgreich gegen das aufkommende Stimmungstief. Mit Elan verließ ich das Bett und ging duschen. Den Geruch und den Hauch von Zerknirschtheit der letzten Nacht vom Körper gespült und dann den Tag mit neuer Morgenfrische beginnen.
Ich trat vor die Hütte, immerhin regnete es nicht mehr und so kalt, wie es aussah, war es auch nicht. Die Luft roch feucht aber angenehm nach frischen Gras und süßlichem Flieder, der hier überall blühte und allgegenwärtig zu sein schien.

Kleine Kirche am Svanelvmoen

Eine Katze begrüßte mich miauend und ein einzelnes Junges gesellte sich dazu. Ich kraulte sie kurz und beide schnurrten zufrieden. Sie sahen sehr dünn aus, es hatte den Anschein sie bekamen nicht gerade viel zu fressen.
Es folgte der gewohnte Ablauf, frühstücken, Sachen zusammen packen und Hütte reinigen. Als ich die letzten Sachen ins Auto brachte kam die große Katze dann doch zur Hütte. Ich nahm ein trockenes Brötchen, dass eigentlich schon für die Mülltonne gedacht war, brach ein kleines Stück ab und hielt ihr das trockene Zeug hin. Sie musste wirklich ausgehungert sein, sie fraß es als wäre es feines Fleisch und schnurrte auch noch zufrieden. Beinahe die Hälfte des Brötchens verfütterte ich an sie, dann dachte ich mir: Nur trockenes Brötchen ist auch nicht gut, und holte noch etwas Wurst aus meiner Kühlbox.
Das Brötchen hatte ich zwischenzeitlich auf einen Stuhl vor der Hütte gelegt und während ich die Wurst holte, stibitzte sie den Rest ohne jedoch damit wegzulaufen. Ich nahm ihr das Brötchen fort und machte es klein, doch der Geruch von Wurst an meinen Fingern ließ das Brötchen uninteressant werden. Vorsichtig leckte sie meinen Finger, das war natürlich was ganz anderes. Ich hielt ihr die Wurst hin, die sie dankbar nahm. Ihr danach aber wieder das trockene Brötchen anzubieten war unzumutbar. Ich ließ es trotzdem liegen, vielleicht führte sie ja später ihr Junges hierher. Ich kraulte sie noch einmal und sie rieb zufrieden schnurrend ihren Kopf an mein Hosenbein.

Trollpark auf Senja

Gegen zehn Uhr verließ ich den Campingplatz. Auf dem Teilstück gab es nichts was mich interessierte und so hatte ich auch nichts geplant, es war nur ein Weg zum nächsten Ziel.
In der grauen Tristesse, die der Himmel verbreitete, fielen die bunten Farbtupfen am Wegesrand noch mehr auf. Blumen in blau, weiß, gelb und violett säumten die kleine Straße (RV 855 und ab Silsand die RV 86) und verleiteten mich zu einzelnen Bildern. Eine kleine, nichtssagende Kirche, in einem ebenso kleinen Ort mit dem schönen Namen „Svanelvmoen“, was soviel wie Schwanenfluss heißt, ließ mich kurz anhalten. Wieder etwas weiter des Weges noch mal Berge in Wolken gehüllt. Eigentlich kein Bild wert, doch eine völlig abgestorbene Birke, von der nur noch Stamm und einiges Geäst standen, verlieh diesem Bild den letzten Schliff. Treffender kann man die Stimmung, in der Natur, an diesem Tag nicht beschreiben.
Wenig später begann es wieder zu regnen. Ich bewegte mich auf mittlere Höhen um 500 Meter und die Wolken schienen mancherorts mitten auf der Straße zu liegen. Die Landschaft rings umher verschwand unter einem grauen Schleier und ließ sich nur noch erahnen. Das Wasser des Bergsfjords bildete eine düstere Einheit mit der restlichen Umgebung. Straßenschilder warnten vor Steinschlag, doch das undurchdringliche Grau hüllte die Gefahren in seine Schleier. Nur die großen Felsstücke beiderseits der Fahrbahn und eine stark beschädigte Betonwand, die eigens zum Schutz gegen die Steinlawinen errichtet worden war, erzählten von der Ernsthaftigkeit der Warnschilder.
Passend zu dieser unwirklichen Szenerie tauchte dann auch noch ein kleiner Trollpark, bei Finnesæter, auf. Ich hatte noch mehr als reichlich Zeit also beschloss ich, mir das gespenstische Spektakel anzusehen. Hier auf Senja, so heißt die Halbinsel, schienen die hässlichsten aller Trolle gelebt zu haben, wenn man den Nachbildungen Glauben schenken darf. Gleichzeitig ist man stolz darauf, den Größten aller Trolle hier zu beherbergen. Um seine Boshaftigkeit zu unterstreichen trug er gleich ein ganzes Fischerboot unter seinen Armen. Dieses Fischerboot war gut und gerne acht bis zehn Meter lang!


Wasserfolter bei den bleichen Elfen

Beim Betrachten dieser Hässlichkeiten überlegte ich, dass ich meine kleinen Kinder hier nicht herführen würde, aus Angst, sie könnten die anschließenden Nächte in Alpträumen verweilen. Die Gestalten passten eher in einem dieser unansehnlichen Horrorfilme, was die Brunnenfiguren noch unterstrichen. Sie zeigten bleiche Elfen in zerrissenen Kleidern, die sich unablässig mit Wasser folterten.
Im Inneren des Riesentrolls gab es weitere mumienhafte Gestalten zu bestaunen und als ich ein Foto davon machte, feixte mich so ein kleiner frecher, aber durchaus fleißiger Troll an: „No photos!“
Schade, denn gerade wollte ich diesen kleinen Troll gefragt haben ob ich ihn mal fotografieren dürfte. Sah richtig süß aus, die Kleine, mit ihrem zottig verfilzten und zu Zöpfen geflochtenen rotem Haar, die dicken Sommersprossen, die an Pippi Langstrumpf erinnerten, die Jutesack ähnliche Kleidung und dem buschigen Schweif an ihrem Hinterteil. Mit ihrem Aussehen war sie eine Schönheit unter all den hässlichen Gestalten. Zum Abschluss noch eine Tasse Kaffee, danach verließ ich den ungemütlichen und nassen Ort wieder. – Nicht das man mich falsch versteht, der Park ist schon ein Besuch wert, bei besserem Wetter!
Die Wassermassen, die inzwischen wieder vom Himmel stürzten, erinnerten an die Niagarafälle. Nicht so schön aber so viel, und die restlichen zwanzig Kilometer, die noch vor mir lagen, sollten noch furchterregender werden als der Besuch im Trollpark.
Die Straße war teilweise nur noch einspurig und ließ sich kaum mehr vom Fjord unterscheiden. Das Wasser stand Zentimeter hoch auf der Straße, die sich sehr kurvenreich an der Küste entlang schlängelte. Die herabgestürzten Felsbrocken links und rechts schienen groß genug um die Titanic zu versenken. Na ja, vielleicht nicht ganz, aber für die Fähren hier reichte es allemal.
Trotz all der lauernden Gefahren erreichte ich mein Ziel sicher. Zwei Stunden bis zur Abfahrt der Fähre blieben mir noch, ich verbrachte sie überwiegend im Auto. Der Regen hat keinen Deut nachgelassen. Weitere Zeit vertrieb ich mir mit einem Blick in das „Dagbladet“, zu Deutsch Tagesblatt. Der Wetterbericht für Nordland in den kommenden Tagen ließ mich ein klein wenig hoffen. Besseres Wetter konnte ich schließlich gut gebrauchen, war doch für morgen die Walsafari geplant.

Trollsuppe aus Menschenblut?

Die Überfahrt war nichts Besonderes. Eine Aussicht gab es nicht, also kann ich auch nichts vom Andfjord berichten. Lediglich eine kleine Auseinandersetzung an Bord der Fähre sorgte für eine, allerdings unangenehme Abwechslung.
Eine spanische Busreisegruppe, sie folgte mir nun schon seit einigen Tagen, sorgte für den Stress. Es ging ums Rauchen. Das Rauchen ist auf den Fähren grundsätzlich untersagt, abgesehen auf den Außendecks. Wir saßen in der Cafeteria unter Deck als sich einer der Herrschaften eine Zigarette anzündete. Eine junge Norwegerin, mit einem Baby machte darauf aufmerksam, dass grundsätzlich das Rauchen unter Deck verboten sei. Die Gruppe war jedoch uneinsichtig und drei offene Verbotsschilder waren weniger bedeutend als ein abgedecktes. Die Frau beschwerte sich bei der Besatzung doch die Spanier bekamen teilweise recht, weil die Besatzung einfach vergessen hatte das letzte Schild offen zu legen. Immerhin einigte man sich auf Rücksicht um das Baby nur am Seitenflügel zu rauchen. Im Mittelteil der Cafeteria, in dem übrigens auch die Spielecke für Kleinkinder untergebracht war, sollte rauchfrei bleiben.
Später entschuldigte sich der auf sein Recht pochende Spanier bei der Frau mit dem Hinweis, es sei ja nicht seine Schuld an dem Missverständnis. So kann man es auslegen. Er hätte auch von sich aus Rücksicht auf das Baby nehmen können. Aber so sind die Menschen, egal welcher Nationalität, rücksichtslos und egoistisch.
Ansonsten, auch wettermäßig, nichts Neues. Andøya lag unter der grauen Masse. Trotzdem meldete ich mich voller Optimismus für die morgige Walsafari an. Auch in dieser Nacht verzichtete ich auf mein Zelt und mietete mir ein preisgünstiges Zimmer in Stave an der Westküste der Insel. Während meiner Abendlektüre las ich einige Gedichte. Unter anderen „Morgane“ von Thomas Storm, es passte sehr gut zu der Stimmung. So lag Andøya eingebettet. Später hatte ich dann darüber ein Gedicht geschrieben. (Folgt im nächsten Bericht)


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