Freitag, 10. April 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 24. Henningsvær und Gimsøy

Henningsvær und Gimsøy

Die grauen Wolken in meinem Kopf waren verflogen, meine Sinne wieder frei für dieses wunderschöne Land.
Die Wolken am Himmel konnten sich jedoch nicht entscheiden. Mal schafswollfarben, mal schneeweiß und dann wieder schiefergrau. Sie wechselten ihre Farbe wie ein Chamäleon und zauberten abstrakte Bilder auf blauem Grund.
Immerhin behielten sie ihre unheilvolle Fracht bei sich, so konnte ich mein Frühstück im Freien genießen. Ganz ohne Eile und Hektik.Gegen zehn Uhr war ich eigentlich abfahrbereit, stattdessen plauderte ich noch anderthalb Stunden mit Leuten aus Wesel, Stuttgart und Österreich. Gedankenaustausch. Wertvolle Tipps wechselten den Besitzer. Dann hieß es aber doch los, schließlich hatte ich ein voll gepacktes Programm.

Blick auf Henningvær

Erstes Ziel war Henningsvær (RV 816), ein kleines Fischerdorf am Südzipfel der Insel Austvagøya.
Die schmale Straße schlängelt sich zur Linken am Ufer entlang während sich rechts die Berge erheben. Zwei kühn geschwungene, aber sehr schmale Brücken verbinden die Schäreninseln miteinander auf denen der kleine Ort liegt.
Die viel beschriebene Verträumtheit des Dorfes stand im krassen Widerspruch zur Geschäftigkeit. Ebenso der große Parkplatz für Touristen. Hier auf den engen Inseln und den noch engeren Orten fiel der Tourismus stärker auf, als anderswo in Norwegen. Dennoch nahm ich nicht gleich reiß aus und schlenderte durch das Dorf. Die kleinen Häuser wirkten weitgehend gepflegt, und hier und da wurde auch an ihrem Erhalt gearbeitet.



Hafenidylle

Ein Fischerboot lag auf Trockendock und zwei Arbeiter waren damit beschäftigt einige Planken zu erneuern. Einige Schritte weiter begegnete mir der Glanz des Sommers in Form von schön restaurierten Oldtimern, die durch den Ort glitten.
Der Ort ist reizvoll und empfehlenswert. Und wer bisher noch keine Seevogelsafari gemacht hatte bekommt hier die Möglichkeit und das Ganze auch noch etwas preisgünstiger als in Svolvær. Ich hatte mein Erlebnis bereits auf Magerøy und wollte es auch dabei belassen.
Nach zwei Stunden setzte ich meine Fahrt fort. Die wenigen Kilometer zurück zur E 10 und dann weiter Richtung Gimsøy, meinem eigentlichen Tagesziel. Das Wetter war genau richtig für die geplante Radtour.

Fleißige Handwerker am Trockendock

Gleich hinter der Gimsøybrücke gibt es einen kleinen Parkplatz, wie ich es erhofft hatte. Rucksack und Getränke hatte ich bereits auf dem Campingplatz vorbereitet, so brauchte ich nur noch das Fahrrad auszupacken und losfahren.
Inzwischen war die Bewölkung weiter aufgerissen, weitgehend blauer Himmel zeigte sich und die Sonne erwärmte die Luft durchaus angenehm. Lediglich der Wind, direkt vom Meer kommend, war frisch.
Die kleine schmale Straße führte fast immer direkt am Ufer des Gimsøystraumen entlang. Auf Steigungen verzichtete die Wegführung beinahe ganz, so dass sich ein sehr gemütliches Fahren einstellte, sehr empfehlenswert für Familien mit Kindern.

Offene Oldtimer englischer Bauart, so schmeckt der Sommer auf den Lofoten

Der Wind atmete einen leicht salzigen und nach Fisch riechenden aber nicht unangenehmen Geruch aus. Am Fuß des Berges wurden Wiesen gemäht und der Duft von Wiesenkräutern und frischem Gras vermischte sich mit der Brise des Meeres zu einem eigenen, neuen Duft, der die Geschmacksnerven anregte und Appetit auf Fisch aufkommen ließ. Doch soweit war es noch nicht, stand ich doch gerade am Anfang meiner Tour. Ich radelte gemütlich die schmale Straße entlang, begleitet vom allgegenwärtigen Schreien der Möwen. Sie schimpften und warnten, fürchteten wohl um ihre Brut, flogen auch schon mal drohende Manöver und gaben sich erst zufrieden wenn ich wieder außer Reichweite war.
Schon hatte ich die kleine Kirche von Gimsøy, die etwas abseits der Straße liegt, erreicht. Unterwegs grüßten die Menschen freundlich aus ihren Vorgärten, die allesamt bunte Flecken in der Umgebung darstellten. Bei so einer Radtour ist man nicht nur der Natur näher, sondern auch den Menschen, die dort wohnen.

Kleine Häuser vor gewaltiger Kulisse

Eine Sehenswürdigkeit, ein Bautastein bei Vinje blieb im Verborgenen. Es gab keinen Hinweis, oder aber er liegt etwas Abseits der Straße.
Dafür begleiteten mich kleine Singvögel, die dabei wilde Kapriolen flogen ehe sie im Grün der Wiesen zurück blieben.
Etwas weiter hockte eine Art Schlammtaucher seelenruhig auf einen Zaunpfahl und ließ sich überhaupt nicht stören.
Der Geruch der Landschaft wechselte. Seeluft vermischte sich mit dem von Kühen, die im oft meterhohen Gras kaum auszumachen waren. An anderer Stelle stolperte man dann beinahe schon über sie. So traf ich wenig später auf eine Gruppe von Jungbullen, die gelangweilt am Straßenrand herumlungerten. Ihrer Kraft wohl noch nicht voll bewusst schauten sie mir friedlich hinterher. Erst als ich anhielt um ein Bild von der Gruppe zu machen bewegte sich einer von ihnen langsam auf mich zu. Doch wohl eher aus purer Neugier, als in irgendeiner Absicht.

Blick auf den Gimsøysund

All die kleinen, verstreut stehenden Häuser mit ihren bunten und gepflegten Vorgärten, und den Hunden oder Katzen die friedlich in der Sonne dösten, dazu die Ruhe die von Vogelstimmen begleitet wurde, all das würde ich mit dem Ausdruck „verträumt“ beschreiben.
Selbst der Golfplatz bei Saupstad, direkt am Ufer des Meeres, mit penibel geschnittenen Rasenflächen fügte sich nahtlos in dieses Bild ein.
Wenig später hatte ich die Spitze der Insel erreicht, die Hälfte der Strecke lag hinter mir. Gleich hinter der Ansiedlung Hov wechselte dann auch der Fahrbahnbelag. Der Asphalt blieb zurück und eine festgefahrene Lehm- und Schotterpiste knirschte unter meinen Fahrradreifen. Mit der asphaltierten Straße endete auch bald die Zivilisation. Vik war der letzte nennenswerte Ort, danach gab es nur noch Sumpf und Moorlandschaft welche als Naturreservat ausgewiesen ist. Seltene Vögel, Insekten und Pflanzen sollen hier vorkommen, gesehen habe ich leider nichts davon. Auch weil das Betreten dieser Flächen zum Teil lebensgefährlich ist.


Friedliche Wegelagerer auf der Halbinsel Gimsøy

Einzig eine sehr große Libelle, etwas zehn Zentimeter, kreuzte meinen Weg und andere, als gewöhnlich zu hörende Vogelstimmen, erfüllten die Luft.
Einen kurzen Moment lang begleitete mich dann wieder der Hauch von Einsamkeit. Gezeichnet von Sumpf und Moor auf der einen, nur durch den befestigten Weg getrennt, und auf der anderen Seite die bizarr und schroff gezeichneten Berge.
Weggefegt wurde dieses Bild von drei kurz hintereinander rasenden Autos, dessen Fahrer das Wort Rücksicht in diesem Moment wohl unbekannt war. Die riesige Staubwolke hüllte mich ein und nagte an der friedlichen Stimmung, die mich bisher begleitet hatte.
Das es auch anders geht zeigte kurz darauf ein Geländewagenfahrer, in dem er seine Geschwindigkeit verringerte und auch noch freundlich grüßte.


Gepflegte Vorgärten

Nach gut drei Stunden und fünfunddreißig Kilometer war die Tour beendet. Das letzte Stück führte über die E 10 zurück zum Parkplatz.
Was mir jetzt noch fehlte war ein gutes Essen. Ich befürchtete schon in dieser Hinsicht enttäuscht zu werden. Aber immer wenn dieses Gefühl auftauchte passierte das Gegenteil.
Nur wenige Kilometer weiter, in Alstad, bot sich eine entsprechende Gelegenheit. Ich betrat das kleine Restaurant und bestellte ein Essen für das mich alle Tierschützer verfluchen und mit dem Finger auf mich zeigen werden.


Kleine Kirche von Gimsøy

Zum ersten Mal hatte ich Walfleisch gegessen! – Es ist allgemein bekannt, dass die Norweger sich noch immer über alle Vereinbarungen hinweg setzen und Wale auch weiterhin jagen. Aber im Gegensatz zu den Japanern, die alles abschießen was ihnen vor die Harpune kommt und ihr Tun mit der Wissenschaft und Erforschung rechtfertigen, jagen die Norweger ausschließlich Finnwale deren Bestand, selbst nach Auskunft der WWF – Mitarbeiter, nicht gefährdet ist.


Moorlandschaft hinter Vik

Auch werden die Tiere nicht auf Teufel komm raus gejagt. Es gibt festgeschriebene Quoten, die von der Regierung bestimmt werden. Weiter stellen die Norweger keine Forschungsprojekte in den Vordergrund, so dass man Walfleisch beinahe überall zu annehmbaren Preisen kaufen kann. Nun kann man darüber denken wie man will, wenn es schon angeboten wird, dann wollte ich es auch probieren. Ich muss sagen, ich war in vielerlei Hinsicht überrascht. Als erstes muss man sich von den Gedanken „Fisch“ lösen. Der Wal ist unter biologischen Gesichtspunkten eben kein Fisch und so schmeckt er auch nicht danach. Das Fleisch ist von dunkler Farbe und erinnert an Rinderbraten. Der Geschmack ist leicht herb, etwa wie Wild, aber angenehm und sehr zart. Auch fehlte der, vielfach vermutete, tranige Geschmack. Gereicht wurde das Fleisch mit Preiselbeeren, einer passenden Soße, Kartoffeln, sowie frischen Möhren und Erbsenpüree. Alles zusammen hatte sehr gut geschmeckt und wenn sich weitere Gelegenheiten zu Walfleisch bieten würden, ich würde sie erneut nutzen!

Abendstimmung in Alstad

Ich bin denn auch gleich hier geblieben weil sich hier ein sehr ansehnlicher Campingplatz anschließt. Nur eine Gruppe französischer Jugendlicher benahm sich etwas daneben, vermutlich mussten sie ihre überschüssigen Energien abbauen.
Alles in allem hielt es sich in Grenzen, es sind halt Jugendliche. Zwar schon auf der Stufe zum Erwachsenwerden, aber eben auch noch Kindsköpfe.









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