Freitag, 10. April 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 22. Langøya - Gestorbene Träume

Langøya - Gestorbene Träume

In der Nacht hatte es wieder anhaltend geregnet, doch am Morgen zeigte sich erneut ein Hoffnungsschimmer
Beinahe die gesamte Westküste ist mit Schären durchzogen und die Berge auf dieser Seite wirkten ungastlich mit ihrem rauen und schroffen Kämmen.
Bei Risøyhamn wechselte ich wieder auf die RV 82. Die Straße führt zur Sortlandbrücke über den gleichnamigen Sund. In Sortland machte ich einige Besorgungen. Die Stadt selbst wollte ich mir am nächsten Tag ansehen. Mein Ziel lag noch einmal in nördlicher Richtung. Über RV 820 und RV 821 fuhr ich zunächst nach Myre. Es war Zeit für eine kleine Pause und etwas zu essen. Ich suchte nach einem geöffneten Kro, fand jedoch keinen. Also fuhr ich zur Kirche um zu beten. Nein, sie war mir nur von weiten bereits aufgefallen. Aus diesem Grund wollte ich sie mir näher ansehen.

Kirche von Myre (Langøya / Vesterålen)

Der Glockenturm und das Kirchenschiff zeigten sich jeweils in dreieckiger Form, wobei sie sich genau an den Spitzen des Dreiecks berührten. Der Turm selbst bestand nur aus zwei Wänden, die vordere Wand fehlte. Zwischen den beiden Schenkelwänden war das Glockenspiel angebracht. Grund genug für zwei Bilder und ein weiteres von der Marmor Statue. Ein Stein aus weißem Marmor, der andere aus schwarzem. Sie waren so geschnitten, dass die Lücke zwischen den Beiden ein Kreuz ergab. Die Statue im Vordergrund, die Landschaft mit Bergen, Wiesen und Häusern dahinter ergaben ein sehr schönes Motiv.


Landschaftsblick von der Kirche aus

Vor der Kirche gab es einige Bänke und warum sollte ich nicht vor der Kirche eine Kleinigkeit essen? – Gedacht, getan!
Gut gestärkt ging es anschließend weiter. doch wenn der Magen voll, dann ist der Kopf wohl leer, denn prompt habe ich mich ein wenig verfahren. Nach einer ungewollten Sightseeingtour durch die Wohnorte von Myre war ich nach zehn Minuten wieder auf den richtigen Weg. Urplötzlich endete die asphaltierte Straße hinter Høydal und ich fragte erst mal meine Straßenkarte ob ich denn noch richtig war. Ich war richtig. Und am Ende dieser Schotterpiste der schlimmsten Art lag das kleine Fischerdorf Nyksund. Mein Wagen sah anschließend aus, als hätte ich an der Tausend Seen Rallye in Finnland teilgenommen. Der Schlamm stand bis zur Dachkante!

Straße zum vergessenen Dorf Nyksund

Nyksund war lange Zeit ein verlassenes Fischerdorf und die Hauptschlagader, die dorthin führt, eine vergessene Straße. Seit wenigen Jahren wird das Fischerdorf nun langsam wieder neu belebt. Einige unverbesserliche Individualisten stecken all ihren Ehrgeiz in dieses Projekt. Im Augenblick wohnen Leben und Tod Tür an Tür. Auf der einen Seite stehen die ersten wunderschön restaurierten Hafenhäuser, die im frischen grün, gelb oder auch rot erstrahlen. Ihnen gegenüber, auf der anderen Seite des Kais, stehen andere Häuser kurz vor ihrer Neugeburt, während gleich daneben die sterblichen Überreste eines großes Hauses nur noch von morschen Balken vor dem endgültigen Einsturz bewahrt werden.

Gaststube im einzigen Hotel

Und manchmal macht der Tod eben auch nicht vor den Menschen Halt, die hier ihren Lebenstraum erfüllen wollten. Einen dieser Menschen wollte ich hier ursprünglich besuchen. Zwei „Rokis“ (Rommerskirchener) treffen sich am Ende der Welt in Nyksund.
Das Schicksal hatte es nicht gewollt, dass er seinen Traum zu Ende lebte. Im Dezember 2001 wurde er bei Arbeiten am Haus verschüttet und starb. Ich hatte diesen Menschen überhaupt nicht gekannt, nur durch Zufall von ihm erfahren und trotzdem hatte mich dieses Schicksal berührt.

Neue Farbe, neues Leben

Vielleicht auch deswegen, weil ich solche Leute insgeheim bewundere und es ihnen tief in meinem Innern gleichtun möchte. Einmal richtig unvernünftig sein, alles hinter mir lassen und ganz woanders neu anfangen. Doch bisher hat bei mir immer noch die Vernunft gesiegt.
In dem kleinen Hotel, das dieser Mensch hier aufgebaut hatte, nahm ich die Gelegenheit für ein gutes Mittagessen wahr. Frischen, gedünsteten Lachs mit den üblichen Beilagen.


Das einst ausgestorbene Fischerdorf erstahlt im neuen Glanz

Das Dorf ist allemal ein Besuch wert, die schön restaurierten Hafenhäuser und das wachsende Angebot an Aktivurlaub mit Seehundsafari, Besuchen von Vogelfelsen oder gar einer Walsafari mit einem Powerschlauchboot, werden in den nächsten Jahren für einen Besucherzuwachs sorgen.
Ich machte mich wieder über die verdreckte, poröse und schon beinahe abgestorbene Ader, die den Namen Straße nicht verdiente, auf den Rückweg. Vielleicht bekommt sie ja irgendwann einmal eine Frischzellenkur und beginnt erneut zu pulsieren um so neues Leben in das Fischerdorf der Individualisten zu pumpen.

An manchen Stellen lauern Verfall und Tod

Weiter ging es zur Ostseite der Insel erneut Richtung Norden, nach Slø. Ursprünglich stand dieser Punkt gar nicht auf meinem Reiseplan. Ein Ehepaar aus Freiburg, gab mir die Empfehlung, weil hier auch Seehunde zu sehen sein sollten.
Der kleine Ort wirkte denn auch etwas lebendiger als Nyksund auf der anderen Seite. Hier gab es noch einige Fischer, eine kleine Fischverarbeitung und die Möglichkeit zur Walsafari. Der Campingplatz selbst war ein kleines ruhiges Fleckchen am Nordzipfel der Insel mit Blick aufs Meer. Das, und das inzwischen wolkenfreie und sonnige Wetter verwandelten dieses stille Örtchen jedoch in einen wahren Pilgerplatz. Die Gläubigen kamen hierher um sich im Glanz der Mitternachtssonne zu weiden. Warme Decken, einen Picknickkorb mit heißen Kaffee oder auch schon mal was Alkoholisches hatten die Menschen mitgebracht und suchten sich ein schönes Plätzchen in der felsigen Landschaft. Immer mit Blick zur Sonne!

Seehund bei Slø (Vesterålen)

Da interessierte das einsame Seehundmännchen, nur wenige Meter auf einen Felsen hockend, überhaupt nicht. Nun, meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte es bekommen und Bilder machte ich von dem kapitalen Burschen auch.
Anschließend mischte ich mich unter die Pilger und bewunderte die Mitternachtssonne. Eigentlich ein kleines Wunder, wie schnell sich das Wetter so grundlegend geändert hatte. Das, was sich jetzt noch an Wolken zeigte, waren winzige weiße Farbtupfer am azurblauen bis hin zum goldfarbenen Himmel.

Blick auf den kleinen Ort

Ein Berg, der sich nur wenige Meter vor mir steil erhebt und auf dessen Rücken sich eine Wetterstation befindet, zog meine Blicke magisch an. Die Sonne strahlte ihn geradewegs an und das Gestein, von Moosflechten überzogen, schillerte in ihrem Licht. An manchen Stellen sah es aus, als wäre dieser Berg von Gold- und Silberadern durchzogen und die kleinen Grasflächen wirkten saftig und frisch. Die Schafe, die darauf weideten, wussten es genau.

und die Küstenlandschaft

Dies war ein wirklich gutes Plätzchen und ich traf auf viele nette Menschen. Neben mir stand ein älteres Paar aus Frankreich und trotz der sprachlichen Barrieren kamen kleine Gespräche zustande. Mit einem weiteren Paar aus dem Hunsrück hatte ich mich länger unterhalten und auch das Paar aus Bad Tölz, mit ihrem riesigen Wohnmobil, konnte man angenehm plaudern.
Inzwischen war es sehr kühl geworden trotz der rötlich Gold leuchtenden Sonne, doch mit einer warmen Jacke war das gut zu ertragen.


Doch erst im Glanz der Mitternachtssonne offenbart der Ort seine ganze Schönheit









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