Samstag, 6. März 2010

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 16. Nach dem großen Regen

Nach dem großen Regen

Bevor ich mit dem heutigen Bericht beginne, ein kleines Gedicht, das mir heute Morgen in den Sinn gekommen ist.

Ich liebe dich doch

Ganz gleich ob Regen meine Jacke durchnässt,
oder Nebel mir die Sicht auf deine Schönheit nimmt.
Ganz gleich ob meine Schuhe in deinem Morast versinken,
oder der Wind an meiner Zeltplane zerrt.
Ganz gleich, ich liebe dich doch.

Ganz gleich ob du deine Schönheit in Wolken verhüllst,
oder deine Armeen von Stechmücken auf mich hetzt.
Ganz gleich ob du mir den Anblick der Mitternachtssonne verwehrst,
oder den Elch im Wald versteckst.
Ganz gleich, ich liebe dich doch.

Ganz gleich ob du dein schönstes Lächeln trägst,
oder mir mit bunten Fahnen entgegen eilst,
ganz gleich ob deine Kinder in Trachten oder Jeans fröhlich lachen,
oder sich feierlich das Jawort geben,
ganz gleich, ich liebe dich doch.

Ganz gleich wie du dich gibst,
oder von welcher Seite du dich zeigst.
Ganz gleich wie du mich siehst,
du bist mein Norwegen, niemals gleich
und ich liebe dich doch.

Meine Gedanken zu einem Land, das immer wieder neue Gesichter zeigt und mir niemals überdrüssig wird.

Segelschoner Anne Rodge in Harstad

Das Wetter hatte sich nicht wirklich geändert. Noch immer hingen die Wolken bleischwer über der Stadt. Ihre feuchte Fracht behielten sie jedoch bei sich. Nach einem ausgiebigen Frühstück packte ich in aller Ruhe meine inzwischen getrockneten Sachen zusammen und machte mich auf, der Stadt meine Aufwartung zu machen. Zuvor noch ein wenig Proviant eingekauft und einen kleinen Plausch mit der Marktfrau gehalten. Sie bot Erdbeeren an und ich wollte wissen ob sie aus norwegischer Ernte stammten. Es handelte sich um Importware. Die einheimischen Beeren, so ihre düstere Prognose würden wohl erst Ende Juli auf dem Markt kommen. Viel später als üblich, das Wetter ...


Haus der Geschichte (Antikkhus)

Gegenüber des Einkaufsparks eine Kirche von interessanter, moderner Architektur, dann wird es Zeit in die Stadt zu fahren.
Hier wurden Vorbereitungen getroffen das Versäumte nachzuholen. Eine Musikgruppe baute ihre Technik im Musikpavillon der Militärmusikschule auf. Auf der Wiese unterhalb erinnert eine stilisierte Weltkugel an die Befreiung durch die alliierten Mächte. Sie ist ein Symbol des Dankes, was auf dem Messingschild, mit der Aufschrift „Takk“, deutlich wird.
Vom Hafen sind Segelschiffe auszumachen, die ihre bunten Spinnaker zur Schau tragen. Und während ich noch diese Farbkleckse auf mich wirken ließ entdeckte ich zu meinen Füßen zwei Nebelkrähen. Eine Mutter mit ihrem Jungtier, die am Pier entlang stolzierten und nach Nahrung suchten. Langsam schlich ich näher und erwartete jeden Augenblick, dass sie davon flogen. Sie taten es nicht, sie schienen mich nicht einmal wahrzunehmen obwohl uns nur fünf große Schritte trennten. Das Krähenkind wirkte pummeliger und dadurch größer als das Muttertier. Und wie es Kindern allgemein zu Eigen ist, besaß auch dieses einen Spieltrieb. Das Gefieder der Jungkrähe wirkte flauschig und ein wenig zottig. Die ausgewachsene Nebelkrähe zeigte sich so, wie ich sie von meinem letzten Urlaub in Erinnerung hatte.


Verspielte junge Nebelkrähe

Beide Tiere waren mir wohlgesonnen und dachten gar nicht daran davon zu fliegen. In aller Ruhe konnte ich meine Bilder machen. Das lange Warten und häufig vergebliche Heranschleichen hatte hier und heute sein Ende gefunden. Geduld ist der Weisheit langer Atem, sagt ein Sprichwort. Da ist was dran.
Am Anleger für die Schnellfähre und der Hurtigrute findet man eine englische Telefonzelle sowie ein Relikt vergangener Kriegstage, eine englische Seemine. Auf der Hafenterrasse sind einige Skulpturen aufgestellt. Eine Büste mit typischem Südwester, dazu ein Anker, ein Kormoran und ein Seelöwe. Bildnisse, die zueinander keine Bedeutung haben.


Jung und alt vereint

Die Anne Rodge lag noch immer dort vor Anker wo ich sie am Abend vorgefunden hatte. Es werden Rundfahrten mit dem Schoner angeboten, aber das Interesse war nicht besonders groß. Immerhin tummelten sich nun auch Menschen vor dem Kulturhaus, und nicht nur die Seemöwen wie am Vortag.
Der Weg hoch zur Stadtkirche ist steil und mir fiel dazu der Satz ein: „Wer seines Gottes würdig erscheinen will muss diese Bürde tragen.“ Harstad kann mit 23.000 Einwohnern als groß bezeichnet werden und so sind auch die Kirchen größer. Ob eine nun schön ist oder nicht bleibt jedem selbst überlassen. Diese hier ist von einer weitläufigen Grünanlage umgeben und thront stolz über der Stadt.


Harstad Universität

Auf meinen weiteren Gang durch schmale Gassen und Straßen, vorbei an schön gestalteten Vorgärten erblickte ich etwas, dass es so gar nicht geben dürfte. Nicht um diese Jahreszeit. Ein Obstbaum in voller Blüte! Nun bin ich kein Experte um sagen zu können welche Art vor mir stand. So etwas an einem 25. Juni noch anzutreffen ist selbst für Norwegen eine Rarität. Dass im selben Garten auch noch der Flieder blühte verwundert kaum noch.
Zurück am Hafen, ist das Leben und der Trubel im vollem Gang. Zaghaft lockerten die Wolken auf und ein Veranstalter bot Rundflüge mit dem Helikopter an. Die Menschen standen Schlange dafür und ich überlegte mich ebenfalls einzureihen. Doch eine Stunde anstehen für acht Minuten Flug erschien mir zu lang. So machte ich mich auf dem Weg zu meinem Auto. Es wurde Zeit sich von der Stadt zu verabschieden. Noch einmal kam ich am Musikpavillon vorbei. Der Platz hatte sich gut gefüllt und die Band war schon von weitem zu hören. Mein Parkticket war schon seit einigen Minuten abgelaufen, dennoch nahm ich mir die Zeit noch einige Minuten an dem Ort zu verweilen. Ich hoffte einfach darauf, dass die Polizei an solchen Tagen nacht ganz so streng ist.

Die Stadtkirche von Harstad

Die Band war mir unbekannt, ihre Musik durchaus gut und mitreißend. Das Publikum honorierte jeden Song mit lang anhaltendem Applaus. Der ein oder andere ließ sich gar darauf ein mitzuswingen, die Kinder sowieso. Ich blieb noch zwei weitere Stücke, ehe ich mich endgültig von Harstad verabschiedete. Die Zeitüberschreitung von mehr als einer halben Stunde blieb ohne Folgen.
Gut gelaunt, es war bisher trocken geblieben und die Sonne unternahm Versuche sich durch die Wolkendecke zu schieben, machte ich mich auf den Weg nach Trondenes. Hier steht eine alte Steinkirche um 1250 erbaut. Auch die Überreste einer alten Festung sind hier zu finden, sowie ein Kriegsdenkmal für sowjetische Kriegsgefangene.

Kirschblüte am 22.06.2005 in Harstad

Als ich den Parkplatz vor der Kirche erreichte war dieser fast gefüllt und die Glocken im kleinen Holzturm vor der Kirche klangen in vollen Tönen zu mir herüber. Erst als ich die Kirche betreten will erblicke ich die feierlich gekleideten Menschen und verstehe. Ein Vater führte seine Tochter zum Traualtar und die Tür schloss sich hinter ihnen. Wir haben Samstag und das ist in Norwegen wohl traditionell der Tag für die kirchliche Heirat. So blieben mir nur die Außenanlagen zur Besichtigung, dennoch wünschte ich dem mir unbekannten Paar im Stillen Glück.

Livemusik im Stadtpark

Das Fleckchen Erde bis nach Revsnes eignet sich besonders gut für den Anbau von Kartoffeln, Gemüse und Obst. Selbst Erdbeeren gehören noch dazu. Somit befinden sich hier die nördlichsten Erdbeerfelder der Welt.
Immer wieder huschen die kleinen Felder vorbei, auch schon mal eine Weide mit grasenden Kühen und den Menschen hier scheint es dabei recht gut zu gehen. Die Häuser der Höfe wirkten schick und durchweg gepflegt und sind von durchaus stattlicher Größe.

Hubschrauber und Katamaranfähre am Hurtigrutenkai

Eine Fähre brachte mich über den Gullesfjord nach Flesnes und direkt in die Regenwand hinein. Die Befürchtung, den Regen wieder eingeholt zu haben erwies sich als unbegründet. Es war nur ein schmales Band. In Langvassbukt klarte das Wetter wieder auf.

Und auch die Segler nutzen die regenfreien Stunden

Sortland hatte sich seit meinem letzten Besuch vor drei Jahren auch verändert. Direkt am Yachthafen stehen schmucke Einfamilienhäuser in Dreiergruppen, abwechselnd in blau, rot und gelb gestrichen. Der alte Slogan der Stadt, „Den blå byen ved sandet“, scheint mehr und mehr verloren zu gehen. Das Blau überwiegt bei weitem nicht mehr in der Stadt. In den Vororten ist die Welt wieder bunt wie ein Regenbogen.

Trondenes Kriegsdenkmal für ermordete russische Soldaten

Eine Nordlandskulptur gehört nun ebenfalls zum Stadtbild. Sie heißt Havsøye, was soviel wie Meeresauge bedeutet. Geschaffen hat sie der isländische Künstler Sigurdur Gudmundsson. Zu finden ist sie an der Mole des Gästehafens. Blickt man durch das Auge so sollen sich im polierten Rahmen die Veränderungen auf Meer, den Bergen und am Himmel widerspiegeln. Grau erzeugt keine Reflektion und so blieb mir dieses Lichtspiel versagt.
Und wieder hatte die Zeit mir einen Tag meiner Reise gestohlen. Wie es morgen weitergehen würde war Wetter abhängig.


Steinkirche Trondenes










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