Sonntag, 4. Oktober 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 7. Teil 2 - Landausflug Trollstigen

Landausflug Trollstigen

Noch während wir die Fähre verlassen und zu den Bussen gehen wendet die Richard With und macht sich auf den Weg zurück nach Ålesund. Diesen Abstecher macht die Hurtigrute nur in den Sommermonaten zwischen Mai und September. Darum ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass das Ausflugsprogramm so großen Zuspruch findet. Fünf Reisebusse waren nötig um die Gäste der Richard With aufzunehmen.
Gleich hinter dem Ort führt die Straße in engen Serpentinen den Berg hinauf zur allseits bekannten Adlerstiege. Warum sie so heißt entzieht sich meinen Kenntnissen. Doch wenn man sich den Straßenverlauf aus der Ferne ansieht könnte der Name mit der Gleichmäßigkeit der Serpentinen zu erklären sein. Gerade so als würde ein Adler von einem imaginären Punkt zum anderen gleiten.

Blick auf Geirangerfjord und Kreuzfahrtschiffe

Anders, als wenn du mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs bist, kannst du dich bei einer Busfahrt viel mehr mit der Landschaft befassen. Du musst dich nicht auf das Fahren konzentrieren. Der Ausblick auf den Fjord, bei strahlendem Sonnenschein, mit den Schiffen, die wie Spielzeug wirken, ist sagenhaft. Bedauerlich nur, dass man nicht anhalten kann, wie es einem gerade gefällt. Der Busfahrer legte den ersten Stop beinahe am Ende der Adlerstiege ein. Überhaupt war ich gespannt auf den Verlauf dieses Ausfluges. Meine Abneigung gegen derartige Busreisen kommt nicht von ungefähr. Die Art und Weise wie im allgemeinen auf solchen Touren verfahren wird entspricht ganz und gar nicht meinen Vorstellungen von Urlaub und Genuss. Mit entsprechend gemischten Gefühlen hatte ich denn auch diesen Ausflug gebucht.
Zu jedem Bus gehört ein Reiseleiter oder eine Reiseleiterin. Busfahrer und Begleiterin machten einen sehr freundlichen Eindruck. Das Du ist in Norwegen die übliche Umgangsform und so wollte es Anja, sie stammt aus Chemnitz, auch mit uns halten. Dass sie dennoch immer mal in die förmliche deutsche Umgangsform verfiel lag wohl auch daran, dass sie erst seit zwei Monaten in Norwegen, und diese Tour ihre erste als Reiseleiterin war. So stellte sich dieser Ausflug für Anja mindestens genau so aufregend dar, wie für uns.


Adlerstiegenblick auf den Geirangerfjord

Arne konnte man als typisch norwegisches Pendant bezeichnen. Zurückhaltend, in jeder Situation ruhig und gelassen, und dabei immer freundlich. Die nächsten sieben Stunden sollten wir also gemeinsam verbringen. Natürlich sollte diese Zeit nicht nur im Bus verbracht werden. Einige Stopps waren eingeplant und wir sollten Gelegenheit bekommen die verschiedenen Sehenswürdigkeiten auch zu besichtigen. Die ersten Stopps verliefen so, wie ich es befürchtet hatte. Mit böser Zunge gesagt, hieß das: Anhalten, Türen auf, aussteigen, Fotos machen, einsteigen, Türen schließen und abfahren.
Es ist mir durchaus bewusst, dass bei einer Busreise gewisse Spielregeln eingehalten werden müssen. Besonders dann, wenn es heißt Anschlüsse an Fähren nicht zu verpassen. Und so möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es sich weitaus weniger hektisch abspielte, als es den Anschein zu erwecken mag.


Die Gudbrandsschlucht

Die Landschaften zogen im hellen Sonnelicht vorbei und wir näherten uns unserem nächsten Ziel, die Gudbrandsschlucht. Zuvor wurde der Norddalsfjord bei Eidsdalen mit der Fähre überquert.
Anja erzählte uns eine der Geschichten, die um die Gudbrandsschlucht kursierten. Auf diese Weise lockerte sie die Erklärungen zu den Sehenswürdigkeiten auf. Das ein oder andere Mal, wenn es um Jahreszahlen oder ähnliches ging, musste sie nachschlagen und geriet dadurch schon mal ins Stocken. Selbst lang gedienten Reiseleitern soll so etwas schon passiert sein. Wer kann schon von sich behaupten alle Daten und Fakten zu einem Land oder einer Region auswendig zu können. Und wie sagen wir in unseren, in Autorenkreisen, so schön: „Ein kleiner Versprecher, ein kleiner Fehler bringt uns unserem Publikum näher, hebt uns herunter von den Stufen möglicher Überheblichkeit. Macht uns einfach menschlicher.

Schneefelder auf dem Weg zum Trollstigen

Weiter ging die Fahrt durchs Valldal, dem Zentrum des Erdbeeranbaus, wie Anja uns erklärte. Wobei neunzig Prozent der Ernte gleich in die Konfitüren- und Tiefkühlproduktion wandert. In diesem Jahr müssen die verarbeiteten Betriebe wohl etwas länger als üblich warten, da der Sommer mit Verspätung nach Norwegen kam. Dann war die Gudbrandsschlucht erreicht und wir durften den Bus für fünfzehn Minuten verlassen. Eine ausreichende Zeit, wie ich meine. Nach der gegebenen Zeit waren alle wieder an Bord. Niemand hatte versucht den Sprung über die Schlucht nachzumachen, wie er in der Geschichte von Anja vorkam und einem verliebten Paar die Flucht vor den zürnenden Verwandten ermöglichte.

Der höchste Punkt am Trollstigen

Danach ging es wieder hinauf ins Gebirge und die Spuren des Winters waren noch immer deutlich zu sehen. Meterhohe Schneewände links und rechts der Straße und das unterhalb von tausend Meter. Beinahe unvorstellbar wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat.
Während der Fahrt zum legendären Trollstigen, erzählte Anja uns etwas über Trolle von denen es vier verschiedene Arten gibt. So erfuhren wir auch, dass Trolle zwar allgemein hin als böse dargestellt werden, aber eben auch nicht besonders klug sind. Trolle sind leicht zu überrumpeln, was ihre Bösartigkeit mildert.

Wasserfall Stigfossen und Spitzkehren

Wir hatten den höchsten Punkt erreicht und die atemberaubende Abfahrt ins Tal über den Trollstigen begann. Dabei galt es elf scharfe Spitzkehren bis ins Tal hinab zu bewältigen. Anja sagte vorbeugend, wir sollten uns keine Gedanken machen, wenn wir dem Abgrund einmal bedrohlich nahe kommen sollten. Arne kenne sich aus, er ist den Weg schon einmal gefahren. Wie beruhigend! Natürlich ist Arne diese Strecke schon dutzende Male gefahren. In seiner typischen ruhigen Art lenkte er den zwölf Meter Bus souverän durch die Spitzkehren ohne auch nur einmal anzuecken oder zurücksetzen zu müssen. Die langsame Fahrt ermöglichte das problemlose Fotografieren. An besonders markanten Punkten hielt Arne den Bus einfach an, um uns atemberaubende Ausblicke zu gewähren.

Ein Ausschnitt des Trollstigen

Vor fünf Jahren bin ich den Trollstigen selber gefahren und damals hatte auch ich jede Möglichkeit genutzt stehen zu bleiben. Dennoch finde ich die Fotos dieser Tour gelungener, weil einfach mehr Zeit geblieben ist nach Motiven Ausschau zu halten.
Besonders faszinierend einmal mehr der Wasserfall, der unter der Brücke weiter ins Tal schießt. Bei den Wassermengen blieb es nicht aus, dass der Bus im Vorbeifahren eine kostenlose Fahrzeugwäsche erhielt.
Der Blick ins Tal lässt noch heute erkennen welche Kräfte die Gletscher aufgebracht hatten, um diesen Einschnitt zu schaffen.
Nachdem das Tal sicher erreicht war gab es Applaus für Arne und anschließend Kaffee und „Smeele“ (gebackene Waffel mit hauchdünn geschnittenem Ziegenkäse) für alle.

Der Talblick

Nachdem das Tal sicher erreicht war gab es Applaus für Arne und anschließend Kaffee und „Smeele“ (gebackene Waffel mit hauchdünn geschnittenem Ziegenkäse) für alle.
Eine Stunde Aufenthalt gab mir die Gelegenheit mich etwas mit Anja zu unterhalten. Sie erzählte von ihrem Traum, der sich gerade zu erfüllen begann. Leben und arbeiten in Norwegen. In ihrem Fall in Sunnmøre und Romsdal. Dieser Entschluss kam nicht von ungefähr. Nach ihrem Studium mit Abschluss als Architektin war in Deutschland keine Arbeit zu finden. Norwegen hatte ihr bei einem Urlaub auf Anhieb gefallen, mehr noch, der Gedanke dort zu leben und arbeiten zu wollen, war entstanden. Anja umschrieb die Gründe mit ihren Worten so: "Die Landschaft, die Natur, die Tierwelt, die Faszination hinter jeder Straßenbiegung und jeder Bergkuppe, machten mir den Entschluss so leicht. Meine Worte geben vielleicht nicht das tatsächliche Gefühl und Empfinden wieder. Es ist wohl eine Herzenssache, eine Art Seelenverwandtschaft zu diesem Land, das diese Verbundenheit ausmacht."
Ich habe diesen Worten nichts hinzu zu fügen,
außer vielleicht, dass sie mir voll und ganz aus der Seele gesprochen hatte.

Die Romsdalalpen

Nach der Kaffeepause ging es weiter nach Åndalsnes und die Trolle machten ihre Runde durch den Bus. Nein, für uns bestand keine Gefahr, es handelte sich nur um Zeichnungen und Skizzen, die in einem Buch enthalten waren. Die Romsdalalpen wurden nun zu ständigen Begleitern und auch das, bei Bergsteigern so beliebte, Romsdalhorn zeigte sich von seiner schönsten Seite.
Während unser Bus wie eine Sänfte am Isfjord dahinglitt und Edward Grieg aus den Lautsprechern röchelte, weil der CD- Player einen Defekt hatte, erzählte Anja etwas vom Nationalstolz der Norweger und davon, dass norwegische Eltern sich viel mehr Zeit für ihre Sprösslinge nehmen. Und vom Stolz der Kinder, wenn sie ihre erste Tracht zur Konfirmation bekommen, die oft von den Großeltern in Handarbeit gefertigt wurde. Dass diese dann auch mit Begeisterung zu den verschiedenen Anlässen von den Kindern getragen wird und Traditionen auf diese Weise erhalten bleiben.

Das Rica Seilet Hotel in Molde

Währenddessen erreichten wir Årfarnes am Langfjord, ein Nebenarm des Romsdalfjordes. Von hier musste ein zweites Mal eine Fähre bemüht werden, um den Fjord zu überqueren. Wenig später hatten wir unser Ziel, Molde beinahe erreicht. Eine kleine Stadtrundfahrt, vorbei an einem tropisch anmutenden Privatgarten mit zahlreichen Liliengewächsen, die im hohen Norden äußerst selten gedeihen und anschließend hinunter zum Dom, rundeten diese Busreise ab.
Im Rica Seilet Hotel, dem neuen und modernen Wahrzeichen von Molde erwartete man uns bereits. Hier wurde der überaus gelungene Ausflug mit einem guten Abendessen abgeschlossen.
Am Schluss konnte das Resümee nur heißen: Alles hatte gepasst, das Wetter, die Streckenführung, die großzügige Zeiteinteilung mit Kaffee und Abendessen und nicht zu vergessen unser souveränes und bezauberndes Team. Und das sage ich, der doch gar nicht so gut auf Pauschaltourismus zu sprechen ist. Ich sage aber auch stets, man darf nicht alles über einen Kamm scheren. Jedenfalls haben die Veranstalter der Hurtigruten in diesem Fall gute und kompetente Partner gefunden. Ich hatte hier nicht das Gefühl abgezockt worden zu sein.
Wenig später erreichte unser Schiff den Hafen und es hieß Abschied nehmen.
Vielen Dank Anja und Arne, es war mir eine Freude mit euch einen Teil Norwegens zu bereisen. Und dir, liebe Anja, wünsche ich, dass dein Traum niemals enden wird. Das sich deine Zukunft so gestaltet, wie du es dir erhoffst. Wie ich dir schon zum Abschied sagte: „Ich beneide dich nicht, ich bewundere deinen Mut und deinen Ehrgeiz diesen Traum wahr werden zu lassen und zu leben. Viel Glück!“





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