Sonntag, 18. Oktober 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 10. Teil 2 - Feuchte Nasen

Feuchte Nasen

Mit mir hatten sich noch etwa zwanzig Personen für diese Tour entschieden. Fahrzeit eine knappe halbe Stunde. Unser Busfahrer war von der ganz schweigsamen Sorte und wurde von seinem Enkel begleitet. Die Insel Kvaløya ist über die RV 862 zu erreichen und wenn man dieser Straße folgt ist das Villmarkssenter überhaupt nicht zu verfehlen. Ein großes Schild deutet rechtzeitig den Weg. Natürlich kann ich nicht sagen ob man auch unangemeldet dort einkehren darf, das sollte vor Ort geklärt werden. Andererseits sind die Norweger für ihre Gastfreundschaft bekannt.

Huskygespann im Villmarkssenter auf der Insel Kvaløya

Wir waren angemeldet und die Chefin persönlich nahm uns in Empfang. Eine kurze Vorstellung und einige Worte zum Ablauf des Besuches und dann warteten auch schon die vierbeinigen Stars mit ihren feuchten Nasen auf uns.
Die Kontaktaufnahme erfolgte zunächst zögerlich. Immerhin zählen Huskys nicht zur kleinsten Gattung Hunde. „Ihr könnt die Hunde ruhig streicheln, die tun euch nichts“, ermunterte uns die Besitzerin und damit war der Bann gebrochen. Während wir die Tiere bewunderten, kraulten und fotografierten und das alles zugleich, gab uns die Züchterin eine erste Lektion für kommende Musher. „Say ha and the dogs goes right. Say gi, and she goes left”, erklärte sie uns die international gültigen Kommandos.


Starke Charakter mit blauen Augen

Der etwa neunjährige Sohn zeigte uns anschließend um was für wesensstarke Tiere es sich bei den Huskys handelt. Er tobte mit ihnen, rollte sich über den Boden, lag teilweise unter ihnen und packte ihnen dabei ins Maul. Die Tiere zeigten nicht den Hauch einer Spur die Situation ausnutzen zu wollen. Diese große Toleranz erinnerte mich an meinen Chow Chow, der vor vielen Jahren für lange Zeit mein Begleiter war. Eigenwillig, manchmal stur aber immer absolut zuverlässig und kein bisschen bösartig.
Bei einem sehr verspielten einjährigen Rüden konnte ich dann selber erfahren, dass die Tiere sich selbst im Spiel nicht vergessen. Mehr als einmal umfasste ich mit der Hand sein Maul oder packte hinein. Natürlich spürte ich die Zähne, aber an zubeißen dachte das Tier gar nicht.


Bei so vielen Menschen zeigen auch große Hunde schon mal Furcht (hängende Ohren)

Nun wird der ein oder andere vielleicht sagen, wenn er die Bilder sieht, die Hunde sind ja angekettet. Das stimmt, aber wie wollen sie 150 Tiere sonst halten? – Ich kann euch versichern, die Tiere bekommen ihren Auslauf, wahrscheinlich mehr als so mancher Schoßhund. Und das nicht nur wenn sie vor dem Schlitten gespannt werden.

Der kommende Star, der einjährige "Mr. Blueeye"

Nachdem wir uns schon kaum von den erwachsenen oder halbwüchsigen Tieren trennen konnten, ging es nun auch noch zu den „valps“ wie die Norweger sagen. Wenige Wochen alt mit samtweichen wuscheligem Fell. Kein Wunder, dass die Hundemamas jede unsere Bewegungen mit Argusaugen verfolgten. Dabei waren ihre Blicke keineswegs bösartig oder aggressiv. In diese kleinen Wollknäuel konnte man sich aber auch wirklich verlieben, da erging es mir nicht anders als den übrigen Gästen. Doch wenn du dann in die traurigen Augen der Hundemamas schaust, dann gibst du die Welpen gerne wieder in ihre Obhut. Kaum dass ihre fünf Racker wieder unter ihre Fittiche waren trat ein Ausdruck von Erleichterung und vielleicht auch Dankbarkeit in ihre schönen braunen Augen. Ja, auch Tiere können Gefühle zeigen!


Da wollen diese Wollknäuel erst noch hin

Inzwischen lief die Zeit davon und unsere Gastgeberin musste uns beinahe einzeln zur Filmvorführung bringen. Warum war ich diesmal nur der Letzte?
Der Film war nicht irgendein Kitsch oder Werbung für die Zucht. Vielmehr erzählte er in fantastischen Bildern und sehr guter Kameraführung über das Leben als Musher beim härtesten europäischen Hundeschlittenrennen. Es findet alljährlich im hohen Norden von Norwegen statt und führt von Alta nach Kirkenes und zurück. Sage und schreibe tausend Kilometer, die innerhalb von sieben Tagen gefahren werden. Dieser Track fordert absolute Disziplin von Mensch und Tier. Die Schlitten werden von bis zu vierzehn Tieren gezogen. Nicht weiter verwunderlich wenn man die Regeln kennt, die besagen, dass keines der Tiere ausgetauscht werden darf und der Schlitten das Ziel mit mindestens sechs Hunden erreichen muss. Keine leichte Aufgabe bei Witterungsverhältnissen, die sich im Minutentakt schlagartig ändern können. Vierzig Grad Temperaturschwankungen, Schneestürme oder plötzlich einsetzender Regen sind im März keine Seltenheit in dieser Region.

Toben mit Welpen unter Aufsicht der Hundemama

„Die Hunde“, so erklärt uns unsere Gastgeberin, „bekommen in der Zeit mehr Ruhe und Schlaf als der Musher. Wenn der Checkpoint erreicht ist musst du den Tieren das Fressen bereiten und aufwärmen. Du musst ihnen die Socken wechseln, von denen du 600 Paar mit dir führst, für ein einziges Rennen. Ihr Fell muss von Schnee und Eis befreit werden. Du musst ihnen das Essen aufwärmen und sie mit frischem Wasser versorgen. Und erst wenn das alles erledigt ist kannst du dich schlafen legen. Meist bleiben dir kaum mehr als zwei Stunden, die du in voller Montur verbringst. Doch wenn du das Ziel dann erreicht hast, deine Tiere alle wohl auf sind, dann ist das ein wunderbares Gefühl.

So ein Menschenbesuch ist ganz schön anstrengend und macht müde

Seit zehn Jahren fahren sie und ihr Mann schon dieses Rennen. In Konkurrenz, dass heißt jeder von ihnen tritt mit einem eigenen Gespann an. In diesem Jahr sind sie neunter und zehnter geworden. Und für das kommende Jahr haben sie sich für das härteste Hundeschlittenrennen der Welt angemeldet. Yukon, 1800 Kilometer durch Alaskas Schneewüsten.

Wir stärken uns mit heißem Kaffee und Gebäck

Nach der Filmvorführung gab es noch Kaffee und Kuchen in einem samischen Luvvo. Das frisch entzündete Birkenfeuer verbreitete eine wohlige Atmosphäre und der Kaffee kam nach alter samischer Sitte direkt aus dem Kessel.


Auf dem Rückweg, die Kvalsøya- Brücke, ganz aus Holz gefertigt

Irgendwann fällt man immer auf und sei es nur deswegen, dass man so eifrig fotografiert. Die Schweizer Gruppe bittet mich als erstes darum sie auf den digitalen Chip zu bannen. Dabei ist es wichtig, dass das Birkenfeuer im Vordergrund zu sehen ist. Gerne kam ich dieser Bitte nach und am Ende hatte ich so an die fünfzehn Kameras nacheinander in der Hand gehabt.
Schöne Dinge haben die Angewohnheit schnell zu vergehen. Nach zwei Stunden hieß es wieder Abschied nehmen. Ich bedankte mich für die Gastfreundschaft und wünschte ihnen alles Gute und viel Glück für ihr geplantes Unternehmen.
Der Bus wartete schon auf uns und es ging zurück nach Tromsø.

und ein Piratenschiff auf Trockendock









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