Sonntag, 18. Oktober 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 9. Teil 1 – Der Fluch des Neptun

Der Fluch des Neptun

Kurz nach Mitternacht bin ich noch einmal an Deck gegangen. Das Wetter hatte sich zu meinem Leidwesen überhaupt nicht gebessert. Kalter Wind peitschte den Regen beinahe waagerecht über das Deck. Das Torgatten hob sich nur undeutlich vom dunkelgrauen Hintergrund ab. Während der Anfahrt auf den markanten Berg war von seiner Einzigartigkeit nichts zu sehen. Erst als wir längsseits gingen wurde das "Auge" sichtbar. Eigentlich lohnte es sich überhaupt nicht zu fotografieren, dennoch machte ich einige Bilder bis die Wassertropfen einen undurchdringlichen Schleier auf der Optik hinterließen. Mag ja sein, dass das Wetter einen langen Atem hat, in meiner Beharrlichkeit bin ich mindestens ebenso ausdauernd, um nicht zu sagen trotzig.
Dann wurde es Zeit für die Augenpflege. Schon früh am Morgen sollten wir den Polarkreis erreichen. Auch das wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Torgatten auf Höhe Bronnøysund

Die Nacht war kürzer als erlaubt. Und meine müden Augen wurden vom hässlichen Grau des Morgenhimmels empfangen und gefoltert. Die Wolken hingen noch etwas tiefer als in der Nacht, obwohl das schon gar nicht mehr möglich war. An Bord wurde bereits gemunkelt, das sei der Fluch Neptuns, der uns auf eine harte Probe stellte ob wir seiner würdig seien. Andere vermuteten ein gemeiner Wassertroll sei für das Wetter verantwortlich, der seine unbändigen Haare von gequälten Elfen auswringen ließ. Wenn dem so war, dann fielen in diesem Moment die unzähligen Wassertropfen auf die wenigen Unerschrockenen auf dem Oberdeck.
Insgeheim fragte ich mich ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich eine Unterwasserkamera mitgenommen hätte. Natürlich nur rein rhetorisch, was zu keinem Ergebnis führte. Blieb zu hoffen, dass mein Equipment nicht irgendwann den Dienst quittierte.
Dann war der Polarkreis überschritten und der symbolische Globus verschwand im trüben Nebelgrau. Die kühle Luft an Deck hatte mir die Müdigkeit endgültig aus den Gliedern getrieben. Es wurde Zeit für ein stärkendes Frühstück. Und da ich euch nicht mit Kauen und Schlürfen langweilen möchte, werde ich euch von einer Beobachtung meiner wachsamen Augen berichten.

Der Polarkreis ist erreicht

Die Passagiere an Bord sind international. Die Deutschen bilden dabei eine große, wenn nicht die größte Gruppe. Gefolgt von den Italienern und Franzosen, Schweizer, Österreicher u.s.w.. Wenn es nun hieß Essenszeit, dann waren die Deutschen stets die Ersten. Meist warteten sie schon eine Viertelstunde vorher vor dem Restaurant. Trotzdem waren die Italiener immer schneller am Büfett. Die Österreicher fielen durch ihre Lautstärke auf und unterhielten nicht selten das ganze Restaurant, auch wenn die anderen Mitreisenden das gar nicht wünschten. Fehlte eigentlich nur noch das Echo, wie man es aus den Alpen kennt. Die Schweizer stellten das Gegenteil dar. Sie bekamen den Mund kaum auf. Nicht mal um eine Tageszeit zu erwidern. Währenddessen blieben die Franzosen lieber unter sich. Allerdings konnten sie den Österreichern Paroli bieten, im Bezug auf die Lautstärke. Was das Genießen angeht, sind die Franzosen ungekrönte Weltmeister. Der teure Wein floss in Strömen und es wurde alles gekostet was das Büfett hergab, aber in Maßen. Kein unkontrolliertes Hineinschaufeln, wie es bei den wenigen Amerikanern zu beobachten war. Und wir Deutschen waren da keinen Deut besser. Die Teller wurden stets drei Stockwerke hoch aufgefüllt wovon 2/3 später wieder zurückgingen. Ganz nach dem Motto: "Das haben wir schließlich alles bezahlt." Die Italiener waren auch nicht wählerisch, solange es sich mit schwarzen Oliven garnieren ließ, während die Schweizer alles mieden was aus dem Wasser kam.

Ausschiffen auf See

Ach ja, so ein mieses Wetter hat auch seine guten Seiten, man kann stundenlang die Menschen beobachten und später mit böser Zunge ablästern. Immer noch besser als ein langes Gesicht zu ziehen und sich womöglich mit seinem Partner streiten.
Kurz vor Ørnes hieß es dann für einige Passagiere von Bord gehen. Eine kleine Fähre ging längsseits, um die handvoll Menschen aufzunehmen. Sie hatten sich für den Ausflug zum Svartisen- Gletscher entschieden. Ganz sicher befindet er sich noch immer dort wo er seit vielen tausend Jahren zu Hause ist. Ob die Ausflügler ihn jedoch zu sehen bekommen würden war zu bezweifeln. Jedenfalls war vom Küstenstreifen so gut wie nichts zu sehen. Der Nebel versteckte alles hinter seinem undurchdringlichen grauen Tuch. Ich blieb, wie die allermeisten, an Bord und wünschte den Menschen im Stillen, dass es dennoch ein schöner, erinnerungswürdiger Ausflug würde. Schadenfreude wäre in so einem Fall völlig Fehl am Platze.

Hafenpanorama Bodø

Während wir unsere Fahrt fortsetzten, hatte unser Reiseleiter die unangenehme Aufgabe etwas Unappetitliches zu verkünden. In einigen Fällen waren die Toiletten verstopft, weil es entweder einige Unverbesserliche an Bord gab, oder aber solche die nicht einmal in der Lage waren die Bildersprache zu verstehen. Jedenfalls waren einige Saugpumpen beschädigt worden, die ausgetauscht werden mussten.
Die Fahrt bis Bodø verlief ausnahmslos durch einen grauen Tunnel. Rechts, wo die Küste sein sollte war nichts und links war das offene Meer nur zu erahnen. Die Laune einiger Reisender war inzwischen schlechter als das Wetter. Die Gründe für Streitereien mehr als albern. „Du wolltest ja unbedingt hierher. Nun sieh dir an was du davon hast.“ Als wenn der Partner Schuld am Wetter trägt.

Kodiakboote für das Abenteuer Saltstraumen

Im Hafen angekommen stieg eine weitere Handvoll Menschen in zwei wartende Kodiakboote um. Searafting zum Saltstraumen. Diese Tour verspricht Natur hautnah. Mitten hinein in den stärksten Gezeitenstrom der Welt und die Möglichkeit den Herrscher der Lüfte zu beobachten. Ganz sicher ein Erlebnis, dem auch ich mich gerne hingegeben hätte. Nur meine Vorahnung hatte mich davon abgehalten diese Tour zu buchen. Der Dunst und der Nieselregen ließen die Möwen nur erahnen, geschweige denn einen Seeadler erspähen.

Alte Festung Bodø

Knapp drei Stunden Aufenthalt in Bodø. Genügend Zeit sich die Stadt anzusehen oder mit dem Bus zum Luftfahrtmuseum zu fahren. Ich mache nichts von alledem und blieb an Bord, wie die allermeisten Menschen auf dem Schiff. Schließlich ist mir die Stadt nicht unbekannt, war sie doch vor drei Jahren bereits Ziel meiner Reise. Stattdessen nutzte ich die Zeit zum Lesen und diesen Bericht zu vervollständigen. Langeweile kommt auch bei schlechtem Wetter nicht auf, vorausgesetzt man weiß sich zu beschäftigen. Die drei Stunden vergingen im Flug und weiter ging die Reise hinaus aufs offene Meer und zu den Lofoten.

und ihre Rückseite






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