Sonntag, 27. Juni 2010

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 26. – Teil 2 – Die Flåmbahn

Die Flåmbahn

Zur Einleitung ein paar knappe Worte zur Geschichte dieser wahrhaft atemberaubenden Bahnlinie.
1909 wurde die Verbindung Oslo – Bergen eingeweiht. Vierzehn Jahre später, 1923, begannen die Arbeiten für die heute weltbekannte Flåmbahn. Sie sollte als Transportmöglichkeit zum Sognefjord genutzt werden.
Nach siebzehn langen und schweren Jahren konnte der Abschnitt 1940 dem dampfbetriebenen Verkehr übergeben werden. Weitere vier Jahre gingen ins Land bis die Strecke elektrifiziert worden war.

Diese Felsenlöcher nennt man auch Tunnel, in Norwegen

Mehr als 20 Jahre Bauzeit für eine Einsenbahnstrecke von zwanzig Kilometer, die durch ebenso viele Tunnel führt und einen Höhenunterschied von 867 Meter überwindet.
Erst wenn du diese Strecke einmal gefahren bist wirst du verstehen was die Wanderarbeiter (Rallare) damals für eine Meisterleistung vollbracht haben. Noch heute zählt dieser Abschnitt zur kühnsten Ingenieurskunst im Eisenbahnbau. Besonders hervorzuheben ist der Wendetunnel, der in Schleifen auf mehreren Ebenen in den Berg hinein und wieder hinausführt. Von den zwanzig Tunneln mussten achtzehn von Hand in den Fels getrieben werden. Jeder einzelne Meter bedeutete einen Monat harte Arbeit unter widrigsten Bedingungen. Heute ist dies kaum noch vorstellbar.


Berekvam, Station der Begegnung


Was damals geschaffen wurde, um das Leben in den Tälern erträglicher zu gestalten, ist heute eine der beliebtesten Attraktionen in Norwegen und dient hauptsächlich dem Vergnügen.
Ich frage mich, ob den Männern damals die Schönheit der Landschaft bewusst war. Wahrscheinlich nicht, sie hatten sicher ganz andere Sorgen.


Der Trollanuten

Nun aber einsteigen, Türen schließen und Vorsicht an der Bahnsteigkante. Das Gespann besteht aus zwei Lokomotiven, eine vorne und eine hinten, fünf Personenwaggons und einem Gepäckwagen. Dieser nimmt die vielen Fahrräder auf, die mit nach oben genommen werden, um von dort wieder ins Tal zu radeln. Sicherheit wird in Norwegen groß geschrieben und so besitzt dieser Zug gleich fünf Bremssysteme.
Wir verlassen Flåm am Aurlandsfjord. Kaum dass er sich in Bewegung gesetzt hat ist die erste Station, Lunde, auch schon erreicht. Weiter geht es nach Håreina und wer sich auf der rechten Seite einen Fensterplatz ergattert hat wird mit einer herrlichen Aussicht auf das Flåmtal belohnt. Der rauschende Fluss, kleine Gehöfte und die Kirche von 1667 bilden den Ausblick.


Myrdalsvingene mit Rallarweg

Doch Vorsicht, wer zu lange schaut verpasst womöglich den Rjoandefossen, der sich 140 Meter senkrecht den Berg hinabstürzt. Danach folgt die Station Dalsbotn. Sechs Kilometer und 200 Höhenmeter vom Ausgangspunkt entfernt. Im Blumenpflücktempo, allerdings sind keine Blumen da, schleicht der Zug die Steigungen und Kurven hinauf. An der Station Berekvam ist die einzige Möglichkeit den entgegen kommenden Zug auf der eingleisigen Strecke passieren zu lassen. Hier sollte man sich nicht zu sehr auf den Zug konzentrieren, sonst entgeht dir der Blick in die Berekvamsschlucht. Bei Blomheller beginnt der gefährlichste Abschnitt der gesamten Strecke, zumindest im Winter. Schuld daran ist der Trolleskedet, der jeden Winter mehrere Lawinen auf die Gleise schmeißt.

Der Kjosfossen mit Regenbogen ...

Wir haben für heute nichts zu befürchten, bei strahlendem Sonnenschein setzen wir den Weg fort und erreichen Kårdal. Der Ort bildet die obere Besiedlung des Flåmtals.
Wenig später hält der Zug auf offener Strecke, aber das gehört heute zum Tourismusservice. Hier gibt es den Kjosfossen zu bewundern und dafür kann man sogar aussteigen. Fotos gelingen aber nur wenn man schnell ist. Kaum hat man das Holzpodest betreten durchnässt der kalte Wasserschleier die Kleidung und macht die Objektive blind.
Haltet euch nur nicht zu lange mit dem Wasserfall auf der linken Seite auf und schaut mal rechts aus dem Fenster. Die Wassermassen stürzen unterhalb der Gleise ins Tal. Mit etwas Glück, oder besser mit Sonne und Wassertröpfchen wird dort zwischen den Felsen ein wunderschöner Regenbogen hingezaubert. So etwas hat selbst Alice im Wunderland noch nicht gesehen.



und Duschgarantie

Genug geträumt, alles einsteigen, weiter geht’s. Dabei sollte man sich mit dem Linsenputzen (ich rede hier nicht von dem Gemüse) beeilen. Schon erreichen Pinnelia und haben Blick auf die Baukunst des Wendetunnels. Gleichzeitig ist auch der Rallarweg zu sehen, der in 21 Haarnadelkurven den Myrdalberg hinaufführt. Heute dient die Strecke als Radwanderweg. Mir tun die Beine schon vom Hinsehen weh.


Endstation Myrdal

Danach folgt Finsternis. Nein, nicht wirklich, das Licht in den Waggons schaltet sich automatisch an, während wir den längsten Tunnel auf der Strecke durchfahren.
Nach der Station Reinunga fährt der Zug in die erste Spirale hinein. Die Tunnelwand zum Tal ist wie ein Panoramafenster gestaltet. Die Aussicht bleibt erhalten und reicht weit über das Flåmtal.

Karda- Flåmtalblick

Von Vatnahalsen ist es noch einen guten Kilometer bis zur Endstation Myrdal. Das heißt, von hier geht es natürlich weiter nach Bergen oder Oslo, wenn man das will. Genau eine Stunde Fahrt, wovon jede einzelne Minute mit faszinierenden Eindrücken gespickt sind, ist vergangen. Es folgen zehn Minuten Aufenthalt.Was? Ihr habt nur die Hälfte von dem gesehen, was ich hier erzählt habe? – Macht nichts, es geht ja wieder zurück. Nicht?


Flåmsdalen

Ach ihr nehmt den Zug nach Bergen oder Oslo. Ja dann bleibt nur eins, noch mal wiederkommen und mit der Flåmbahn fahren. Und bringt genug Zeit mit. Ihr könnt dann an jeder Station aussteigen und mit dem nächsten Zug weiterfahren. Macht über den Daumen gerechnet mal acht Stunden bis Myrdal. Wer morgens den ersten Zug nimmt, kommt mit dem Letzten wieder ins Tal. Und dann ist euch wirklich nichts entgangen.
Ich wünsche euch ein unvergessliches Erlebnis!


Flåm






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