Samstag, 5. Juni 2010

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 23. – Eiszeit

Eiszeit

Obwohl ich hundemüde ins Zelt gekrochen bin konnte ich doch nicht gleich einschlafen. Die Eindrücke des vergangenen Tages geisterten durch meine Gedanken. Irgendwann in den frühen Morgenstunden hatte sich der Körper sein Recht genommen, aber nur für zwei oder drei Stunden. Um halb fünf war ich bereits wieder wach. Anstatt mich wieder umzudrehen, wie ich es zu Hause zu tun pflege, verließ ich das Zelt. Ein rotgoldener Sonnenaufgang empfing mich. Grund genug mit der Kamera zum Fjordufer zu gehen, um diese Momente festzuhalten. Schnell war eine halbe Stunde verstrichen, ehe ich die zweite Mütze voll Schlaf nahm.

Sonnenaufgang auf Runde

Gegen neun wurde ich dann von einem eigenartig monotonen Geräusch geweckt, das mir irgendwie bekannt vorkam. Es waren Regentropfen, die auf die Zelthaut trommelten. Die Wolken vom frühen Morgen hatten sich also durchgesetzt. Der Himmel zeigte sich einmal mehr in mannigfaltigem Grau. Doch nur eine Stunde später veränderte sich das Wetter erneut und die Sonne zeigte sich wieder. Zeit für mich, sich zu neuen Ufern zu schwingen und so verzichtete ich auch auf die Bootsfahrt um die Insel herum. Ein Grund mehr noch einmal wieder zu kommen.


Dammstraße und Brücke, der Weg nach Runde

Heute wartete der Brigsdalbreen auf mich. Dafür musste ich erst einmal zurück nach Eiksund zur Fähre und über die Dammstraße, die das Festland mit Runde verbindet. Diese Konstruktion, mit der kühn geschwungenen Brücke hat beinahe mehr Reiz als die Atlantikstraße.
Glück ist, wenn die Fähre schon abfahrbereit dasteht und du trotzdem noch mitgenommen wirst. In Volda klappte das leider nicht und so blieb Zeit für einen kurzen Bummel durch den Ort. Samstag ist ein beliebter Tag zum Heiraten, ich glaub ich erwähnte es schon, so auch hier. In der Geschäftsstraße, an einem Straßencafé, hielt ein älterer Mann eine Rede oder eine Lesung. Jedenfalls fanden seine Worte großen Anklang beim zahlreichen Publikum. Und am Hafen gab es eine Tauchvorführung, sowie einen Angelwettbewerb für Kinder.


Nackte Betonwände müssen nicht sein, in Volda gesehen

Nach der Überfahrt ging es über die RV 15 und RV 60 nach Stryn. Die schneebedeckten Berge bildeten den schimmernden Kontrast zu den grünen Tälern und dem türkisfarbenen Nordfjord. In Olden lag die Costa Allegro vor Anker. Unglaublich wie viele Kreuzfahrtschiffe in den Fjorden anzutreffen sind. Bei meinen zwei vorherigen Touren war ich wohl immer zum falschen Zeitpunkt am Ort. Vor fünf Jahren, als ich auf dem Dalsnibba war, lag nicht mal eines im Geirangerfjord.

Oldvika bei Olden

In Olden verließ ich dann die Hauptstraße und folgte dem schmalen Asphaltband durch das enge Tal zum Gletscher. Zahlreiche Reisebusse kamen mir entgegen, die mich immer wieder in die Ausweichnischen zwangen. So kam ich nur langsam voran. Die Berge wirkten hier noch beeindruckender, besonders am Ende des Tals wo sie immer mehr zusammenrücken. Dort wo die Straße den Oldenvatnet kreuzt hat man einen schönen Blick auf den Molkevollbreen und natürlich gibt es auch hier zahllose Wasserfälle, die von steilen Felswänden ins Tal stürzen.

Kreuzfahrtschiff Costa Allegra in Olden

Die Parkplätze am Ende des Tals sind allesamt kostenpflichtig. Der Weg zum Brigsdalgletscher ist gut beschildert und mit gewöhnlichem Schuhwerk zu bewältigen. Hier werden keine Kletterkünste verlangt, schließlich verkehren hier auch Pferdegespanne mit denen man sich gemütlich chauffieren lassen kann. – Sagte ich Pferdekutsche? – Ja, liebe Naturfreunde, auch diese Zeit gehört wohl der Vergangenheit an und lässt sich nur noch auf etwas überteuerten Postkarten bewundern. Heute dieseln offene Sechssitzer der Marke John Deere an den wenigen Fußgängern vorbei. Besonders die japanischen Touristen machten Gebrauch von der Beförderungsgelegenheit. Ich finde, auch wenn diese Fahrzeuge grün lackiert sind, sie passen in die Landschaft wie ein Elefant in den Porzellanladen.

Der Fluss Molke am Brigsdalgletscher

Ich benutzte meine Gehwerkzeuge, schließlich sitzt man im Büro mehr als genug herum und bewegt sich zu Hause oft genug zu selten. Der Weg erinnert an den Trollstigen, sozusagen die Serpentinenstraße für Fußgänger. Sollte der erste Teil für erhöhte Flüssigkeitsverluste gesorgt haben, so bietet der gewaltige Wasserfall „Kleivavoss“ für entsprechende Erfrischung. Egal ob man nun will oder nicht, denn trocken kommt niemand über die Brücke! Gleich dahinter hieß es für das schnöde Fußvolk erst einmal beiseite treten. „Machet Platz für die grüne Armada und den Weltmeistern im Fotografieren.“ Seid ihr das wirklich noch, liebe Japaner? – Dann passt auf, dass ich euch nicht eines Tages den Rang ablaufe!

Die Zeit der Pferdekutschen ist auch hier vorbei, die heutigen stinken nach Diesel

Gemütlich ging ich weiter, die warme Luft genießend und die lästigen Fliegen verscheuchend, die einem ständig ums Gesicht schwirrten. Dabei hatte ich heute Morgen noch geduscht!
Dort, wo der Zickzackkurs zu Ende ist bieten sich gleich zwei Ausblicke. Hinunter ins Tal und auf den Verlauf des zurückgelegten Weges und hinauf zum Brigsdalgletscher, der sich blau schimmernd vom grünen und weißen Hintergrund abhebt. Auch wenn du das Ziel schon vor Augen hast liegt noch ein gutes Stück vor dir. Und je näher du ihm kommst, umso deutlicher spürst du ihn. Sein kalter Atem streift deine sonnengewärmte Haut. Schon mehrfach war mir dieses Phänomen begegnet. Und schließlich stehst du am Fuße der eisigen Majestät, die es zulässt auf ihr herumzusteigen. Natürlich nur mit fachkundiger Führung, worauf ich aus bekannten Gründen verzichtete.

Serpentinen zum Gletscher

Das blaue Leuchten in den Gletscherspalten ließ mich näher an ihn herantreten, als ich es zum Beispiel am Svartisen machen würde.
Alles drängelte sich um die blauschimmernden Spalten. Manche kletterten kurzerhand hinein um ein besonders spektakuläres Foto mit nach Hause zu nehmen. Einige junge Spanier taten sich da besonders hervor und Rücksicht schien ihnen ein Fremdwort. Ich stand auf Felsblock und wollte gerade ein Foto machen, als einer von ihnen sich neben mich drängte und mir dabei einen Stoß versetzte, der mich anderthalb Meter tiefer beförderte. Ich weiß bis heute nicht, wie es mir gelang den Sturz abzufangen und gleichzeitig meine Kamera so zu schützen, dass nichts zu Bruch ging. Ich weiß aber, dass ich diesem Rotzlöffel gehörig die Meinung geigte und gegen meine sonstige Art Worte benutzte, die ich hier nicht wiedergeben werde. Ihm war danach die Lust auf das blaue Leuchten gehörig vergangen. Und die bösen Blicke der anderen Spanier interessierten mich nicht im Geringsten. Es kann doch nicht zu viel verlangt sein, dass jeder ein bisschen Rücksicht auf den anderen nimmt, oder?

Der Brigsdalgletscher, schon auf der Ferne imposant

Ich hatte mir wohl nichts gebrochen, auch wenn der linke Fuß schmerzte und dick anschwoll. Zudem war er nass geworden, weil ich mal wieder in einer Pfütze gelandet war. Nach einer Pause und einem kleinen Picknick zur Stärkung trat ich den Rückweg an. Bei den ersten Schritten schmerzte der Fuß, aber das ließ schon bald nach.

Aus der Nähe betrachtet beeindruckend

Auf dem Weg zurück nach Olden noch die Begegnung mit Fjordpferden am Seeufer und auch die alte Kirche vor dem Ort war noch ein lohnendes Motiv.

und faszinierend

Mehr als hundert Kilometer lag mein geplantes Tagesziel noch entfernt, das würde ich wohl heute nicht mehr erreichen. Zwischen Olden und Byrkjelo liegt das Utvikfjell. Eine kilometerlange, steile Passstraße, die schon in früheren Zeiten als Postweg diente. Teile dieses alten Postweges sind für Wanderer wieder hergerichtet worden und sind heute ein beliebtes Ziel. Wer diesen Pass mit einem leistungsschwachen Fahrzeug hinauffährt, kann sich in etwa ein Bild davon machen wie es Mensch und Tier wohl ergangen sein muss.

Fjordpferd am Oldevatnet

Ich fürchtete schon ein wenig um mein kleines Auto. Insbesondere die Kupplung hatte Schwerstarbeit zu leisten und machte sich durch übelriechende Duftnoten bemerkbar.
In Byrkjelo beendete ich den Tag. Ich brauchte eine Dusche, etwas Stärkendes zu essen und vor allem etwas Ruhe. Das alles fand ich auf dem ansprechenden Platz mit eigenem kleinen Freibad und riesigem Spielplatz für die Kinder.


Kirche von Fise bei Olden












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