Sonntag, 23. August 2009

Norwegen 2005 - Zu Land und Wasser - 6. Bergen und die nichtbezahlte Maut

Bergen und die nichtbezahlte Maut

Die Nacht war schrecklich. Es hatte ununterbrochen geregnet und in den Morgenstunden war auch noch Sturm aufgekommen. Eine Regenfront folgte der vorherigen. Gerade, als sich mein Trotz wieder zu Wort meldete, der da sagte: „Raus und den Tag geentert, ganz gleich was er zu bieten hat“, hörte der Regen auf. Kannte das norwegische Wetter bereits meine Hartnäckigkeit? – Wer weiß.
Nächstes Ziel also Bergen. Würde ich mich zurecht finden? Bergen war schließlich kein kleines Dorf. Dennoch fand ich sofort den Weg zum Hurtigrutenkai und dort auch einen Parkplatz. Einzig diese verdammte Mautstation, die wieder nur automatische Erfassung zuließ, bereitete mir Kopfzerbrechen. Überall in Norwegen gibt es die Möglichkeit manuell zu zahlen, ausgerechnet in Bergen spart man sich das. Na dann eben nicht, aber es soll niemand sagen, ich wäre nicht bereit gewesen zu zahlen!

Segelkreuzer vor Bergenhus

Genug der weltlichen Probleme und hinein ins Bergenesener Leben. Wo, wenn nicht am Fischmarkt kann man etwas von deren Lebensstil kennenlernen? Neben Fisch der verschiedensten Sorten, Krabben, Krebse und sonst was für Leckerbissen aus dem Meer, ist immer auch Zeit für Smalltalk. Und natürlich kauft man nicht die Katze im Sack. Hier ein paar Krabben probieren, dort Lachshäppchen mit Weißbrot und am Stand der freundlichen Japanerin darf es gar eine Löffelspitze Kaviar sein. Und der Kunde kauft, was ihm schmeckt. So funktioniert die Marktwirtschaft heute wie zu Zeiten der Hanse. Zahlungsmittel werden international akzeptiert, ganz gleich ob Dollar oder Euro, die Ware ist entsprechend ausgezeichnet und die Umrechnungskurse sind fair. Wer norwegische Kronen bei sich hat, tut dennoch gut daran in Landeswährung zu zahlen. Die Norweger sind nun mal gute Geschäftsleute, das ist in Bergen nicht anders.


Bergen Brygge von der anderen Hafenseite aus gesehen

Nach so einem kleinen und kostlosen zweiten Frühstück kann man sich auf die Sehenswürdigketen der Stadt stürzen. Bergen war schon in grauer Vorzeit Handelsplatz. 1070 gegründet und 1217 dann gar Hauptstadt Norwegens. 1350 wurde die erste Hanse- Niederlassung gegründet. Über 200 Jahre währte die Vorherrschaft der hanseatischen Kaufleute, doch auch danach ließen sich deutsche und niederländische Kaufleute in Bergen nieder. Und natürlich hinterließen sie ihre Spuren, so die Brygge, das Zentrum des Handels. Viele Gebäude sind bei den verschiedenen Stadtbränden vernichtet worden, dennoch kann man sich vom Stadtbild einen Eindruck verschaffen, im Freilichtmuseum „Gamle Bergen“. Meine Zeit sollte nicht reichen, aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.


Der Bergener Fischmarkt

Ich hatte nach dem Fischmarkt gleich die Brygge besichtigt. Wünderschön erhaltene Häuser, die noch heute ihren Dienst versehen, wozu sie einst gebaut wurden, für den Handel. Und auch wenn die Türrahmen schon schief stehen, in den Läden wird gute Ware angeboten. Und scheut euch nicht durch die engen Gassen zu schlendern. Erklimmt die steilen Stiegen, schaut bei der Arbeit zu, wie mit altertümlichem Gerät auch heute noch umgegangen wird. Ein Hauch von alten Tagen weht durch diese engen Gassen. Zugegeben, der Busverkehr, der sich im Sekundentakt über die Hauptstraße schiebt, macht es nicht leicht sich den Handel im Pferdewagen- Zeitalter vorzustellen. Der Wandel der Zeit ist gerade in Bergen nicht spurlos vorbeigegangen.


Weltkulturerbe, die Brygge

Gegenüber von Brygge, an den Kais, sind die großen Schiffe zu sehen. Ganz gleich ob das Kreuzfahrtschiff „Astor“ oder der Dreimast- Großsegler, sie alle verströmen den Hauch der weiten Welt und künden davon, dass Bergen ein Tor dazu ist.
Mein nächstes Ziel, die Festung Bergenhus mit Håkanhalle und Rosenkrantzturm. Große Teile der Festung wurden 1944 zerstört, als ein deutsches Munitionsschiff im Hafen explodierte. Bei der Wiederherstellung wurde darauf geachtet, dass die Spuren der verschiedenen Bauphasen erhalten bleiben. So steht der Rosenkrantzturm so da, wie er von seinem Bauherrn, Erik Rosenkrantz, 1560 erdacht wurde.

Außen windschief, innen die neueste Out Courture

Wer den Turm besichtigt (Eintritt) kommt in den Genuss durch die alten Gänge zu wandeln. Das Kastell hinterlässt den Eindruck eines Irrgartens auf mehreren Ebenen.

Schmale Gassen

Der Keller diente als Lagerraum, im Erdgeschoss wird eine Wachstube vermutet. Im ersten Geschoss wurde 1273 eine Kapelle eingerichtet. Auftraggeber war König Magnus. Überall sind alte Spuren erkennbar. Im Mauerwerk von einstigen Fenstern, im Fussboden von Konsolen. Das zweite Geschoss beherbergte wahrscheinlich das Schlafgemach des Königs. Rosenkrantz errichtete hier zwei Rundbogenfenster an der Südwand. So entstand der „Saal des Königs“, wie er ab dem 17. Jahrhundert genannt wurde. Im dritten Geschoss errichtete er den Herrensaal und in der Mauerkrone einen Kanonenspeicher zu allen Seiten offen. Heute hat man eine gute Aussicht auf Hafen und Stadt. Auch wer nicht so viel Geschichte mitnehmen will, es ist ein Erlebnis durch den Turm zu wandeln. Die Wegweiser sind aus gutem Grund angebracht.


Bergenhus und Rosenkrantzturm

Von der Festung über Hinterhofwege zurück in die Stadt, vorbei an dem ein oder anderem windschiefen Haus zur Station der „Fløybanen“. Diesen Ausflug zum Stadtberg Fløyen solltet ihr euch auf gar keinen Fall entgehen lassen. Bis zu 26° Steigung sind zu überwinden um auf den 320 Meter hohen Berg zu gelangen. Die Aussicht auf die Stadt ist der Lohn. Umso mehr, wenn dir das Glück zuteil wird und die Sonne durch die graue Wolkendecke bricht. Bergen, die Stadt mit den meisten Niederschlagstagen in Norwegen, mit rund 2000 mm, zeigte ihr schönstes Gesicht. Am Hurtigrutenkai legte gerade das neue Flaggschiff, neben der Color of Fantasy, die Princess of Ragnhild ab. Was willst du mehr. Na vielleicht die nächsten Ziele ins Auge fassen. Von hier oben sehr leicht. Wie wäre es mit der Kunstakademie, das Theater oder die Domkirche?


Fløyenbahn, Begegnung an der Ausweichstelle

Wieder in der Stadt, ein ganz neues Gesicht. Beinahe bekommst du den Verdacht, die Bergenesener haben ihre Sommerkleidung immer griffbereit in einem geheimen Schließfach. Ich schwitze in meiner winddichten Jacke und in der Stadt laufen alle sommerlich luftig gekleidet herum. Das war morgens keineswegs der Fall.

Fløyenblick

Auf dem Weg zur Domkirche begegnen mir zwei Polizisten auf Streife. Sofort muss ich wieder an meine unbezahlte Maut denken. Ein kurzer Gedanke, warum frage ich nicht einfach mal bei den Polizisten? – Gedacht, getan. Und hat mich die Antwort beruhigt, die da lautete: „Die Maut kann nicht auf einer Polizeiwache bezahlt werden. Man wird dir ein Ticket zuschicken, vielleicht auch nicht. Das wirst du dann sehen“, meinte einer der Polizisten freundlich und beide zeigten ein strahlendes Lachen. Nun denn, mal sehen was mich am Ende meines Urlaubs zu Hause erwartet.

Domkirche

Nach sechs Stunden laufen durch Bergen qualmen die Socken auch bei bestem Schuhwerk. Und dennoch stellst, du fest, du hast nur einen Bruchteil der Stadt gesehen. Klar, dass es ein Wiedersehen geben wird.

Kleine Parkanlage vor dem Industriemuseum

Am Schluss noch ein vielleicht besonderer Tipp in Bergen. Geht mal ins McDonald’s in der Nähe vom Fischmarkt. Hier gibt’s keine besonderen Burger auch hier alles nur Fastfood. Das besondere sind die großen Schwarzweiß- Aufnahmen von Bergen um 1900. Sie hängen im Aufgang der ersten Etage und vermitteln einen guten Eindruck vom Leben dieser Zeit.

Streitmöwen am Fischmarkt

Am späten Nachmittag wird es Zeit zum Hurtigrutenkai zu gehen. Dort wartet bereits die Richard With auf mich. Sie wird Bestandteil der zweiten Woche meiner Urlaubsreise sein. Die Formalitäten verlaufen erstaunlich gelassen ab. Die Frage nach der Kabinennummer, ein Aufkleber für das Gepäck und schon durfte ich an Bord gehen. Die Verladung des Autos erfolgte etwas später. An Bord die restlichen Formalitäten. Auch hier alles mit Ruhe und ganz ohne Anstehen. So geht es aber wohl nur zu wenn man privat anreist. Etwas später folgten die Reisenden, die mit Flugzeug, Zug oder Bus eingetroffen sind. Nun füllte sich das Schiff und es hieß anstehen und warten, wobei ich nur Zuschauer war.

Schmale und steile Gassen auf dem Weg zum Hurtigrutenkai

Ganz ohne Anstehen kam aber auch ich nicht davon. Für die Tischreservierung hieß einmal Geduld aufbringen. In der Zwischenzeit hatte das Personal die Kabinen wieder auf Vordermann gebracht und pünktlich um 20:00 Uhr wurden die Leinen gelöst. Müde, aber überaus zufrieden gönnte ich mir zum Abendessen ein nicht gerade billiges Glas Wein, sammelte erste Eindrücke an Deck und legte mich zur ersten Nacht in meinem Leben in die Kabine. Kraft sammeln für die nächsten sechs Tage an Bord.

Hurtigrutenschiff Richard With (nach dem Begründer der Hurtigruten)













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