Als ich heute Morgen erwachte war es nass und kalt. Ich fror und überlegte in welchem Monat ich mich befand. Das konnte keinesfalls Ende Juni sein, das war ganz sicher der April von seiner übelsten Seite.
Ach ja, auch wenn ich es nur ungern erwähne, die letzte Nacht hatte ich unbequem in meinem Auto zugebracht. Bei dem Versuch auf der Wiese zu parken, um das Zelt aufzubauen, hatte sich mein kleiner Kangoo in Windeseile eingegraben. Als ich ausstieg, um mir das Malheur anzusehen versank ich bis zu den Knöcheln im aufgeweichten Wiesengrund. Irgendwie schaffte ich es wieder heraus zu kommen. Allerdings glich die Wiese danach einem umgepflückten Acker.
An dieser Stelle möchte ich mich noch mal bei den Betreibern des Platzes bedanken. Eine Hütte bekam ich nur deswegen nicht, weil alles ausgebucht war. So durfte ich auf dem befestigten Platz für Wohnmobile übernachten.
Wetter hin oder her, ich bin bekannt dafür nicht gleich das Handtuch zu werfen oder die Flucht zu ergreifen. Obwohl ich zugegebenermaßen auch kurz überlegt hatte einen großen Satz Richtung Süden zu machen. Aber nach dem Frühstück warf ich diesen Gedanken in die nächste Regenpfütze.
Heute komme ich wesentlich schneller voran. Die Kjellsundbrücke bei Kjøpstad bietet ebenso wenig wie die grau verschleierten Ausblicke auf den Holmsundfjord. Bei Skauvoll verlasse ich die Küstenstraße (RV 17) und folge der RV 838 nach Gildeskål. Eine alte Steinkirche, deren Erbauung auf das Jahr um 1130 datiert wird, ist das Ziel. Unweit davon entfernt ist auch die neue Kirche zu finden, sie stammt vom 1881 und ist somit auch nicht mehr die Jüngste. Die alte Kirche ist verschlossen. Ein Schild weist auf ein rotes Haus hin. Mein erster Versuch. Die Haustür steht auf, aber niemand antwortet auf mein Rufen. Ein zweiter Versuch, zehn Minuten später ist dann von Erfolg. Der Verwalter des Geländes begrüßt mich gleich mit Handschlag. Auf meine Frage, ob ich die alte Kirche besichtigen könnte, schlüpfte er sogleich in seine ausgetretenen Schuhe und schlürft voran. Es handelte sich hier nicht um einen alten Mann, er war wohl so um die vierzig. Er machte einen schlaksigen und wie ich meinte schüchternen Eindruck. Vielleicht war es auch nur die norwegische Zurückhaltung. Auf dem Weg zur Kirche fragte er mich nach meiner Herkunft und sprach von da an nur noch deutsch mit mir. Ich zahlte den kleinen Obolus von 30 NOK und bekam eine ausführliche Führung dafür.
Am Ende des Rundgangs bedankte ich mich für die Ausführungen und gab noch eine kleine Spende. Zum Schluss wurde ich, wie bei meiner Ankunft mit einem Händedruck verabschiedet.
Zwei zahlende Gäste waren dann doch noch gekommen, es war das Münchener Ehepaar, das ich Tags zuvor kennen gelernt hatte.
Nun hieß es den gleichen Weg zurück nach Skauvoll fahren. Dieser Abstecher hatte sich jedenfalls gelohnt. Und wenn dir in dem kleinen Ort Inndyr die Kinder freundlich zuwinken, dann ist das vielleicht noch mehr wert als etwas Sonnenschein, weil diese Freundlichkeit dich von innen wärmt.
Tatsächlich versuchte die Sonne wenig später durch die Wolken zu dringen. Hätte ich das alles erleben dürfen, wenn ich den großen Sprung Richtung Süden gemacht hätte? – Keineswegs!
Etwas später passierte ich die Stelle an der die Nordland- Skulptur „The forgotten town“ zu finden ist. Der Himmel hatte gerade mal wieder seine Schleusen geöffnet. Die beiden markanten Berge zur Linken spiegelten sich schiefergrau in dem See davor. Kein Vergleich zu dem Bild vor drei Jahren.
Am Svartisen- Center legte ich eine kleine Pause ein. Den Gedanken, mit dem Boot zum Gletscher zu fahren, verwarf ich wieder. Bis tief hinab zum Fjord war das Massiv in Wolken gehüllt.
Bei Forøya machte ich noch einen kurzen Abstecher, um mir eine weitere Nordlandskulptur, "Varde", anzusehen. Nicht alle Skulpturen gefallen oder passen in die Landschaft. Ein Abstecher lohnt nur, wenn die Fähre gerade weg ist. (12 km)
Meine Fähre war noch nicht weg, aber nur weil sie etwas Verspätung hatte. Und so kam ich in den Genuss einer weiteren zauberhaften Begegnung.
Die Regentropfen fielen gerade senkrecht und schwer vom Himmel als ein Wesen im leuchtenden Orange erschien. Es watschelte von einem Auto zum anderen, um die Gebühr für die Überfahrt zu kassieren. Ja, ihr lest richtig, sie watschelte wie ein Gänseküken in ihrer viel zu großen Regenkleidung. Das Regenwasser lief in kleinen Bächen von der Kapuze über ihr zartes Gesicht und dennoch hatte sie ein zauberhaftes Lächeln auf den Lippen. Ich weiß nicht ob sie nur einen Ferienjob machte oder gerade ihre Ausbildung angefangen hatte. Jedenfalls war sie kaum älter als sechzehn Jahre.
Auch dieses Lächeln zeigte mir, wie schön das Land ist. Überzeugt das Wetter nicht, dann sind es die Menschen mit ihrer Freundlichkeit.
Mit dieser Fährfahrt überquerte ich den Polarkreis in südlicher Richtung. Ich erwähne es nur der Ordnung halber, schließlich ist es schon das dritte Mal für mich. Dem Kapitän war es auch gleichgültig, jedenfalls klang seine Ankündigung ziemlich mürrisch.
Auf der weiteren Fahrt bis Nesna gab es noch zwei bemerkenswerte Ereignisse. Das erste war ein Stau! Ja tatsächlich, auch wenn es kaum zu glauben ist. Es geschah vor dem Sjonatunnel und die Erklärung dafür folgte auf dem Fuße in Gestalt eines Bauarbeiters. Im Tunnel fanden Arbeiten statt, die eine kurzfristige Sperrung erforderten. Fünfzehn Minuten später ging es aber schon weiter.
Das zweite Ereignis war dichter Nebel im Nordvikfjellet, etwa zwanzig Kilometer vor Nesna. Kaum mehr als fünfzehn Meter Sicht waren uns vergönnt und wir zockelten mit dreißig Stundenkilometer durchs Gebirge. Als es wenig später wieder ins Tal hinunter ging wurde auch die Sicht besser.
Gegen neun machte ich von dem Angebot Gebrauch. Nina hatte bereits Birkenscheite entzündet und das Feuer verbreitete rasch seine Wärme. Ich war der erste Gast und lange Zeit auch der einzige und so ergab sich eine nette Unterhaltung. Im Hintergrund lief Mark Knopflers neue CD „Shangri- la“. Ich mag seine Musik und besitze selber einige seiner CD’s. Die oft ruhigen und melancholischen Songs passten gut zu der heimeligen Atmosphäre.
Wir unterhielten uns in englischer Sprache. Nina verstand ich dabei sehr gut, sie spricht sehr deutlich. Ich erzählte ihr woher ich kam, wo ich bereits war und wohin ich noch wollte. Sie erzählte mir, dass sie auch gern reiste, was im Augenblick mit zwei kleinen Kindern von fünf und sieben nicht so gut geht. Ihr Mann besitzt eine kleine Autowerkstatt, ist aber nicht in der Lage ihr kleines verbeultes Auto herzurichten. „Schöne Werbung für eine Werkstatt“, sagt sie und lacht dabei. Sie lebt in Nesna, stammt aber aus Storforshei, nördlich von Mo I Rana. Hier gefällt es hier besser, sie ist am Wasser und wenn es nicht gerade regnet kann man mit den Kindern am Strand spielen. Zu Hause, sagte sie, ist sie nur von Bergen umgeben, die aber allesamt tolle Wanderziele darstellen. Zumindest eines davon kenne ich bereits, den Svartisengletscher.
Gegen Mitternacht verabschiedete ich mich, einige Gäste waren doch noch gekommen. Auch hier ein freundlicher Händedruck und die besten Wünsche für die Weiterreise. Und natürlich das, was sich alle wünschen, besseres Wetter.
Zwölf Tage Dauerregen können auch einen Norweger zermürben. So lange regnete es bereits in Nesna und das war überhaupt nicht gut fürs Geschäft. Die Campingplätze waren wohl gut gefüllt, doch die Veranstalter gingen leer aus. Für manchen stand vielleicht sogar die Existenz auf dem Spiel, sagte Nina zum Abschied und in ihrer Stimme lag ein wenig Traurigkeit.
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