Das Sein im Licht
Ein großer Teil der Passagiere wird zum Nordkapp fahren und dieses Felsmassiv bei strahlendem Sonnenschein erleben. Ich hatte derweil andere Pläne, sofern sie sich verwirklichen ließen. Eine halbe Stunde später hatte ich Gewissheit und saß im Taxi nach Skarsvåg.
Für rund fünfzig Euro, so der Deal, sollte mich der Fahrer zum nördlichsten Fischerdorf fahren und unterwegs einige Stopps einlegen, wenn wir Rentierherden begegnen sollten. Ich denke der Preis geht bei einer Fahrstrecke von rund 50 Kilometer in Ordnung.
Ein Stück hinter Tufjord ergab sich dann die erste Möglichkeit für einen Halt. Die Tiere hatten uns aber bereits bemerkt und waren geflüchtet. Im Dorf angekommen, erzählt mir der Fahrer von sich aus etwas über den Ort. Ganze 96 Einwohner leben dort noch, aber sie brauchen auf nichts zu verzichten.
Es gibt eine Schule, einen Kindergarten, Lebensmittelgeschäfte, zwei Ärzte und eine Apotheke. Alles was zum Leben notwendig ist. Besonders im Winter, wenn das Dorf schon mal von der Außenwelt abgeschnitten ist. Der Fischfang ist nach wie vor Haupteinnahmequelle, allerdings auch ein Geschäft, dass immer weniger Bewohner satt macht. Vielleicht, so der Taxifahrer, ist Skarsvåg in zehn Jahren schon ein vergessener Ort.
Die jungen Leute zieht es in die Städte weiter nach Süden. So wird eines Tages dann auch die Kirche zu groß sein, obwohl sie nicht mehr Fläche einnimmt als ein Einfamilienhaus. Der Glockenturm ist kaum höher als das Hauptgebäude und thronte er nicht auf einen kleinen Schuppen, könnte man ihn glatt für einen Brunnen halten. Menschen sind kaum zu sehen.
Ein kleines Kind blickte neugierig zu dem Mann mit den großen Kameras und ein alter Seebär nuckelte zahnlos an seiner erloschenen Pfeife. Es hatte den Anschein als wäre die Zeit stehen geblieben.
Hinter der Kirche, neben einem kleinen klaren Tümpel grasten friedlich eine handvoll Rentiere. Sie schienen keine Scheu zu kennen, blickten nur einmal kurz auf und widmeten sich dann wieder dem frischen Grün.
Dann hieß es auch schon wieder zurück nach Honningsvåg. Auf der Rückfahrt waren noch einige Rentiere auszumachen. Insgesamt hatte ich aber das Gefühl, dass sich sehr wenige Tiere auf der Insel aufhielten. Vielleicht auch die Folge eines viel zu langen und strengen Winters.
Im Hafen angekommen bedankte ich mich bei dem Fahrer und legte zum vereinbarten Fahrpreis noch etwas Trinkgeld drauf. Immerhin hatte der freundliche Mensch nicht nur seine Pflicht erfüllt sondern freiwillig als Reiseführer fungiert.
Unser nächstes Ziel hieß Kjøllefjord. Zuvor blieb noch ein letzter Blick auf das Nordkapp. Es hatte seinen Besuchern die Gnade erwiesen sich unverhüllt zu zeigen, doch nun hüllte es sich wieder in ein weißgraues Tuch aus feinsten Wassertröpfchen. Nur das obere Drittel des Felsens war noch zu sehen.
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