Sonntag, 19. Dezember 2010

Norwegen 2006 - Eine Winterreise mit der Hurtigrute - 4.Tag - Teil 1 – Trondheim früh am Morgen

Trondheim früh am Morgen

Der Schlaf hatte mit gut getan, wäre da nur nicht Madame Migräne in der Nacht zu mir gekommen. So fiel es mir etwas schwerer das Bett zu verlassen. Nach einer Dusche und einem ausgiebigen Frühstück sah die Welt aber schon anders aus.

Alte Lagerhäuser am Nidaelv, gegenüber dem Bahnhof

Um 09:00 Uhr war ich für den Stadtspaziergang bereit. Die Hälfte unserer Liegezeit war bereits verstrichen, aber bis zwölf Uhr war noch genügend Zeit.
Noch immer lag die Dämmerung über der Stadt. Das Tageslicht ließ sich ausgiebig Zeit.


Weinachtliche Stimmung in den noch menschenleeren Straßen

Als erstes erkundete ich den Weg zum Bahnhof. Keine fünfzehn Minuten dauerte es und wenn es in acht Tagen nicht gerade junge Hunde regnete ließ sich der Weg auch mit Gepäck gemütlich bewältigen. Doch soweit war es ja noch nicht.

Bunt geschmückte Fenster und die Statue eines Eisschnellläufers

Nur langsam bahnte sich das aufkommende Tageslicht durch die Dämmerung. In den Straßen erwachte langsam das morgendliche Treiben. Die Hafenhäuser auf Stelzen, gegenüber dem Bahnhof spiegelten sich mit ihren Leuchtreklamen im Nebenarm des Nidaelv wider.
Auf dem Weg zum Torget scheint es der steinerne Eisläufer eilig zu haben. Die erleuchteten Fenster neben ihm sind weihnachtlich geschmückt und bilden einen schönen Hintergrund.

Kinder unterm Weihnachtsbaum am Torget

Am Torget hat sich eine Kindergartenklasse unter dem großen Weihnachtsbaum versammelt. Sie sangen ein Weihnachtslied und die Betreuer machten Erinnerungsfotos. Danach versteckten die Kinder ihre Wunschzettel unter den ausgelegten Tannenzweigen. Fragend schauen sie in meine Richtung, so als wüsste ich die Antwort darauf ob ihre Wünsche in Erfüllung gehen.


Kanaldeckel am Nidaros Dom

Ich weiß es natürlich nicht und setze meinen Weg zum Dom fort, der im bläulichen Morgenlicht wie eine Trutzburg anmutet. Tatsächlich lässt er sich von einzelnen Touristen nicht erobern, erkunden. Eine Besichtigung ist nur in der Gruppe und mit Führung möglich. Um 12:00 Uhr wäre es dann wieder soweit und mein Schiff weg. So sei es. Ich begnüge mich mit der Außenbesichtigung. Seit meinem letzten Besuch vor sechs Jahren hatte sich so einiges verändert. Das kleine, kioskgroße Kassenhäuschen ist einem großen Glaspalast mit Souvenirshop gewichen. Ein moderner Bau aus Stahl, Beton und Glas, Er wirkt wie ein Geschwür am altehrwürdigen Dom. Gleich dahinter hat sich eine Kunstgalerie angesiedelt. Ein ebenso moderner kobaltblauer Betonkubus, der von einer südamerikanisch wirkenden Statue, vor dem Eingang, bewacht wird.


Der blaue Kubus des Kunstmuseums am Dom

Rechts neben dem Dom liegen die ehemaligen Waffenkammern und eine Kapelle, die den großen Exerzierplatz umgeben.


Die Westfront des Nidaros Doms

Ich setzte meinen Weg fort. Ziel war die Flussbrücke Bybroen. Links und rechts der Brücke liegen die denkmalgeschützten Lagerhäuser, die mit ihren hölzernen Stelzen im Nidaelv stehen. Das ein oder andere Haus hat bereits eine Stehhilfe aus Beton bekommen. Und wer genau hinsieht wird feststellen, dass der Zahn der Zeit und die Fäulnis an den einst unerschütterlichen Baumstämmen nagen. Weitere Betonkorsetts werden dann wohl folgen.


Bybroen, die alte Brücke über dem Nidaelv

Am Ende der Brücke folgte ich der Straße die geradewegs steil voran führt. Die Straße ist so steil, dass die Stadtherren ihr einen Fahrrad- und Kinderwagenlift spendiert haben. Eine einfache Schiene neben der Bordsteinkante mit einem Schiebemechanismus der auf Knopfdruck aktiviert wird.

Blick von der Brücke auf die alten Speicherhäuser

Die Straße führt hinauf zur Festung Kristiansen. Das weiße Gebäude ist weithin sichtbar. Unterhalb der Festungsmauern finden sich in den Nebengassen die typischen bunten Holzhäuser.


Hoch über Trondheim die historische Festung Kristiansen

Der Eintritt ist frei. Auf dem Gelände stehen zahlreiche historische Kanonen, aber auch, teils abgedeckte, moderne Haubitzen. Diese symbolisieren, dass der Verteidigungszweck der Festungsanlage auch heute noch Bedeutung hat.


Der Blick reicht weit über die Stadt hinaus

Doch was mich viel mehr beeindruckt ist der weitreichende Ausblick auf Trondheim. Allein dafür lohnen sich die Mühen des Aufstiegs allemal.


Die Altstadt von Trondheim

Zurück am Nidaelv. Noch ein kurzer Bummel durch die Altstadtanlage. Das Wasser des Flusses steht still und wirkt wie ein Spiegel in dem sich die Lagerhäuser, die Bybroen und der Dom widerspiegeln. Ich folgte dem Weg am Kai entlang. Die Lagerhäuser beherbergen heute kleine Unternehmen, Arztpraxen und Wohnungen mit einzigartigem Ausblick. Und selbst die Neubauten orientieren sich am Stl der alten Lagerhäuser. Alt und neu gehen hier eine Symbiose ein, ohne dass das ein oder andere dadurch gestört wird.
Nach mehr als zweieinhalb Stunden beendete ich den Rundgang. Wenig später legte unser Schiff ab und ließ die durchaus reizvolle Stadt hinter sich.










Norwegen 2006 - Eine Wintereise mit der Hurtigrute - 3.Tag - Von Ålesund bis Molde-

Von Ålesund bis Molde

Ich hatte nicht einmal mehr mitbekommen, dass wir den Hafen in Bergen verlassen haben. Dennoch habe ich nicht wirklich gut geschlafen. Das Gebläse oder der Lüfter der Klimaanlage war doch ziemlich laut.
Während des reichhaltigen Frühstücks passierten wir Maløy und die "singende" Brücke. Mir hat sie kein Liedchen geflüstert, aber vielleicht war ihr Dirigent, der Wind, gerade nicht zugegen.

Um das Westkap herum

Die Reiseleitung verkündete die bevorstehende Umfahrung des Westkaps. Was sie uns nicht sagte, war die Tatsache, das, wir dem Sturm eine zeitlang unsere Breitseite anbieten mussten. Das Schiff wurde ordentlich durchgeschüttelt und das gerade zu mir genommene Frühstück schrie nach frischer Luft. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich gerade eine Nebenhöhlenentzündung hinter mir hatte, meine Kabine weit vorne im Bug lag und ich eigentlich nichts mit Seekrankheit am Hut habe. Der Gang an die frische Luft beruhigte meinen Magen wieder und ich durfte das Frühstück behalten.


Blick auf die Küstenlandschaft hinter dem Westkap

Auf meinem anschließenden Gang durch das Schiff traf ich auf ein doch merkwürdiges Paar. Nach einem kurzen Gespräch hießen sie fortan nur noch "Der wilde Irrwisch und der arme Gnom." Beide waren sehr erregt und die Frau (Irrwisch) erzählte in dramatischer Weise, dass ihr Gepäck abhanden gekommen sei. Es fehlte wohl nicht nur ein Gepäckstück, nein alles war verschwunden.
Es wurde geschimpft und gezetert. Von Unverschämtheit und von so viel Geld für die beiden Einzelkabinen war die Rede, da dürfe so etwas doch nicht geschehen. Ihr Lebensgefährte (Gnom) nickte ab und an dazu und hatte ansonsten wohl auch nicht viel zu sagen.
Immerhin sollte das Gepäck in Ålesund an Bord kommen. Ja warum dann die ganze Aufregung? - Vielleicht um Aufmerksamkeit zu erlangen.


Kleine Siedlung vor Ålesund

In Ålesund nutzte ich die Zeit für einen kleinen Stadtrundgang. Zwar war ich schon 2005 in der Stadt doch gibt es immer noch etwas zu entdecken. So auch der Aufstieg zum Aksla. Dennoch belasse ich es bei der Entdeckung, schlendere durch die vorweihnachtlich geschmückten Gassen und betätige mich als Reiseführer für andere Mitreisende. Wer weiß wofür das noch mal gut ist.

Ålesund liegt vor uns, aber wo ist der Winter?

Besonders die liebevoll gestalteten und gepflegten Fassaden der Jugendstilbauten sind schön anzusehen und zeigen mit welcher Hingabe die Bewohner an ihren Häusern hängen.
1904 wurde der größte Teil der Stadt bei einem Großfeuer vernichtet. Mehr als zehntausend Menschen wurden über Nacht obdachlos. Der Wiederaufbau der Stadt erfolgte im heute so sehenswerten Jugendstil. Einer Bauart, die in Norwegen nur selten anzutreffen ist und Ålesund so einmalig macht.


Blick auf den Stadtberg Aksla

Zweieinhalb Stunden Aufenthalt reichen völlig um die Stadt ohne Eile zu erkunden. Wer den ein oder anderen Museumsbesuch, das Aquarium oder die Ersteigung des Aksla über seine 418 Stufen ins Auge fast sollte sich ruhig einen Tag Zeit nehmen. Vorausgesetzt man ist nicht zeitabhängig mit der Hurtigrute unterwegs. Dann muss man abwägen was einem am meisten zusagt. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, wer nicht pünktlich an Bord ist muss damit rechnen, das sein Gepäck ohne ihn weiterfährt.


Möwe am Kai

Unsere Gruppe war vollständig und pünktlich wieder beim Schiff. Am frühen Nachmittag geht die Reise weiter Richtung Molde. Schon beginnt sich das kurze Tageslicht zu verabschieden. Einzig der Vollmond zögert diesen Prozess hinaus und taucht die langsam vorbeiziehenden Küstenlandschaften in ein stimmiges bläuliches Leuchten.


Ålesund wird auch das Venedig des Nordens genannt. Warum sieht man hier.

In Molde ist der Himmel samtschwarz und die vielen tausend Lichter funkeln wie gelbe Diamanten. Einzig das markante Rica Seilet Hotel wirkt unterbelichtet. Lediglich der Antennenmast auf dem Dach ist hell erleuchtet. Ansonsten lässt sich die Form des Hotels, die einem Segel gleicht, in der Dunkelheit nicht einmal erahnen. Gleiches gilt für den Dom, doch hier reicht immerhin die Beleuchtung der Einkaufsstraße aus. Die Impressionen fing ich vom Deck unseres Schiffes ein. Zu kurz der Aufenthalt in Molde.


Ålesund im weihnachtlichen Glanz

Wenig später war das Dinner angesagt. Hier wird das Sprichwort; Das Auge isst mit, voll und ganz erfüllt. .Die Speisen werden vor den Augen der Gäste sehr dekorativ auf die Teller gebracht. Und was so gut aussah schmeckte auch so. Einfach vorzüglich.


Vollmond auf dem Weg nach Molde

Gegen Mitternacht erreichten wir Kristiansund. Von mir ungesehen, ich wollte versuchen den fehlenden Schlaf nachzuholen.


Molde im nächtlichen Glanz









Norwegen 2006 - Eine Winterreise mit der Hurtigrute - 2. Tag Teil 2 - Intermezzo

Intermezzo

Eine Reise ohne Überraschungen ist wie Weihnachten ohne Geschenke. Ich weiß nicht ob und wer das gesagt hat, aber wenn es denn jemand gesagt haben sollte, dann hat er es sicherlich ganz anders gemeint.
Die erste Überraschung hatte ich bereits in Kiel empfangen, der Hinweis darauf, dass die „Kronprinz Harald“ mit dem ich meine Reise beenden sollte einen Motorschaden hatte.
Die zweite Überraschung ereilte mich gleich nach dem Einchecken auf der MS Midnatsol. In der Annahme die Kabine noch nicht beziehen zu können fragte ich also wann ich dies tun könnte. Erstaunte Blicke erntend wurde mir im Brustton der Überzeugung mitgeteilt, dass ich selbstverständlich sofort meine Kabine beziehen könnte.
Wie schön und angenehm nach der langen Bahnreise. Und wie schnell mein Gepäck vor der Kabine geparkt wurde. Kaum mehr als zwanzig Minuten waren vergangen seit ich an Bord gegangen bin. Im Sommer musste ich beinahe drei Stunden warten.

Midnitsol Deck 9 - Freiluft- Whirlpool und Duschkabinen mit Lichtspiel

Wenig später dann die Erklärung. Die Midnatsol war gar nicht als Postschiff unterwegs gewesen. Es hatte die letzten sechs Wochen als Hotelschiff gedient. Das große Reinemachen nach dem Einlaufen im Hafen und das damit verbundene Warten auf die Kabine, so wie im Sommer, fanden nicht statt.
Während des Abends wurden uns dann noch verschiedene andere Kleinigkeiten mitgeteilt. Da war zunächst die Tatsache, dass wir unseren Liegeplatz verlassen mussten, wegen Hochwasser. Dann der Hinweis, dass wir erst gegen Mitternacht auslaufen würden, weil am ersten Montag im Dezember das traditionelle Weihnachtsessen an Bord stattfindet, an dem auch Gäste aus der Stadt teilnehmen können. Tatsächlich war der Speisesaal mehr als gut gefüllt. Und wie sich später zeigte waren wir gerade mal fünfzig Touristen an Bord!
Aber damit war das Überraschungspaket noch keinesfalls vollständig. So wurde uns mitgeteilt, dass wir morgen vor Ålesund einen Umweg fahren müssen, weil wir wegen des Hochwassers wohl nicht unter die Brücken passen. Und zu dem erwartete man Sturm am Westkap.
„Na denn mal zu, das geht ja gut an!“


Das Wasser dampft, die Lichter funkeln. Verführung um den Gefrierpunkt

Und als ob das alles für einen Tag noch nicht reichte hatte ich beim Abendbüfett mal wieder das ausgesprochene Glück ganz reizende Tischnachbarn zu haben.
Er, wahrscheinlich Anfang fünfzig, Typ erfolgreicher Geschäftsmann, Midlifecrisis hinter sich und den dritten, vierten oder auch fünften Frühling gerade entdeckend.
Sie, Grund für diese Frühlingsanwandlungen, mindestens zwanzig, wenn nicht mehr Jahre jünger, verdammt gut aussehend aber blond. Ist ja auch nicht weiter tragisch, wenn da bloß nicht dieses Gespräch gewesen wäre.
Er: „Weißt du Liebling, das ist ja gar nicht so einfach einen Schlussstrich zu ziehen. Darin habe ich keine Erfahrung, das muss ich erst lernen.“
Sie: „Was soll das heißen? Du kannst deine Frau nicht noch länger im Unklaren lassen. Du musst ihr reinen Wein einschütten, das ist nicht fair von dir.“
Wie gut für ihn, dass in diesem Augenblick der Kellner erschien und ihm eine Atempause verschaffte. So konnte er schnell mal wieder den feudalen Lebensstil raushängen lassen.
„Wie wäre es mit einem 2000er Beaujaulais, mein Herr?“
„2000er? Haben sie keinen 94er, etwas Anspruchsvolles?“
„Tut mir leid, aber der 2000er ist mindestens ebenso gut.“
„Na schön, dann nehmen wir den“, sagte er bestimmend und etwas zu schnell überzeugt.

Blick in das Foyer mit zehn Meter hohem Weihnachtsbaum

Das lässt mich zu der Vermutung kommen, dass er doch nicht so viel Ahnung hatte, wie er vorgab. Kaum war der Kellner gegangen wurde das Gespräch fortgesetzt. Leider so laut, dass ich überhaupt keine Chance hatte wegzuhören, was ich liebend gern getan hätte.
Sie: „Weißt du, ich finde das echt beschissen von dir. So kannst du nicht mit deiner Frau umgehen, und auch nicht mit mir.“
Bravo Mädchen, bravo. Du bist ja doch nicht so blond wie du aussiehst wollte ich ihr applaudieren und zurufen.
Er: „Aber Liebling, ich brauche doch nur etwas Zeit ...“
Sie: „Zeit? Am liebsten würde ich gleich wieder aussteigen ...“
Ja, tue es, versetz ihm den K.o.- Schlag, denke ich bei mir und hege noch die Hoffnung, dass mir das Essen vielleicht doch noch mundet.
Erneut erscheint der Kellner mit dem flüssigen Gefügigmacher und unterbricht den sich anbahnenden Eklat.
Er hätte sich am liebsten gleich die ganze Flasche an den Hals gesetzt, da jedes ihrer folgenden Worte wie eine schallende Ohrfeige klang.
Sie: „Weißt du was ich glaube, du willst deine Frau gar nicht verlassen. Du benutzt mich bloß, du liebst mich gar nicht.“
Der Schlag hatte gesessen. Fünf Worte aus dem Mund einer Frau, die jede Stimmung eiskalt töten konnten.
Sein Kopf sackte nach vorne und er musste seinen linken Arm zur Hilfe nehmen, um das mit schweren Gedanken gefüllte Haupt zu stützen. Wahrscheinlich sah er in diesem Moment das schöne Geld, welches er für diesen Trip investiert hatte, auf nimmer wiedersehen verloren. Anstatt auf Wolke sieben am Busen des Jungbrunnens, am Boden zerstört und von den Absätzen der High Heels durchbohrt.

Kunst an dem Wänden

Würde er sich noch einmal von diesem Tiefschlag erholen können, fragte ich mich heimlich schadenfreuend.
Tatsächlich unternahm er noch einmal einen Versuch, wobei die Zeit des Schweigens doch schon alles gesagt hatte, oder?
Er: „Aber Liebling, so etwas darfst du nicht einmal eine Sekunde lang auch nur denken. Das ist verschwendete Zeit. Du weißt, dass es nicht so ist wie du sagst. ICH LIEBE DICH! Wären wir sonst hier?“
Wie würde sie reagieren, warum schmeckte mir der Wein auf einmal so fad? Ich ahnte was nun kommen würde.
Seine feuchte und vor Angstschweiß kalte Hand ruhte auf die ihre und ich konnte geradewegs durch ihre Bluse hindurch sehen, wie ihr Herz dahinschmolz. Tropf, Tropf, Tropf.
Ich wollte ihr noch zurufen: „Hör nicht auf das jämmerliche Geschwätz, der wird seine Frau nie verlassen“, doch da war es schon zu spät. Wahrscheinlich kann er sie auch gar nicht verlassen, vielleicht gehört ihr ja das Geschäft und das Vermögen.
Sie: „Tut mir leid, du hast ja recht.“
Da hatte sie ihn gerade noch am Boden liegen, war stark und selbstbewusst. Und nun ging sie selbst zu Boden, auf die Knie oder auf die Matratze und war nur blond und schön.
Er: „Zum Wohl mein Schatz. Wir werden uns eine superschöne Zeit machen“, sagte er mit einem triumphierenden Lächeln und stieß mit ihr an. Kling, schlürf, lechz.
Genau darauf läuft es doch hinaus Mädchen. Geh schon mal in die Kabine und mach dich zurecht. Nee, nee, nicht das Abendkleid, das kleine Rote mit Spitze. Leicht verpackt, damit es nicht in Arbeit ausartet.

Blick vom Panoramdeck der Midnitsol

Nach diesem verbalen Schlagabtausch, mit überraschendem Ende, am Nachbartisch war mein Bedarf an Überraschungen gedeckt. Darüber hinaus haben mich die lange Zugfahrt und das Nichtstun ziemlich ermüdet. Also ab in die Koje.

Am zweiten Abend hat er sich bereits all die kostspieligen Dinge des Vortages gespart. Kein drei Gänge Menü, kein teurer Wein. Seine Worte am Schnellrestaurant des Schiffes:

„Schau mal Liebling, hier gibt es ja auch warme Speisen. Wenn du Hunger hast können wir auch hier was essen.“
Mahlzeit!



Sonntag, 28. November 2010

Norwegen 2006 - Eine Winterreise mit der Hurtigrute - 2. Tag – Bergenbahn

Bergenbahn

Die Nacht war ruhig verlaufen. Irgendwo im Skagerrag wurde die See etwas unruhiger und die Ausgleichsstabilisatoren des Schiffes bekamen etwas zu tun. Das galt auch für das Bordpersonal, welches die eine oder andere Schnapsleiche in die Kabinen begleiten musste. Aber das bekam ich nur am Rande mit.
Nach dem Frühstück, inzwischen befanden wir uns tief im Oslofjord begab ich mich aufs Außendeck. Nur langsam breitete sich das Tageslicht über den Fjord und die in der Ferne leuchtende Stadt Oslo aus. Die Temperaturen waren als mild zu bezeichnen und das Strahlen am Horizont ließ darauf schließen, dass sich die Sonne im Laufe des Tages zeigen würde.



Fantasy im Oslofjord

Es war halb neun und auf dem Fjord war bereits einiges los. Frachter, Fähren, Expressboote und einige Segler tummelten sich auf der engen Wasserstraße. Und überall waren die kleinen Inselchen und Eilande zu sehen die, egal wie groß sie auch waren, mindestens einem kleinen Ferienhaus Platz bieten. Besonders deutlich wird das beim alten Leuchtturm vor Oslo, welcher heute ein Restaurant beherbergt, für alle die sich etwas besonderes leisten wollen, und auch können. Der Fels ist das Fundament und bis zum letzten Quadratmeter bebaut.



Schärenwelt im Oslofjord

Inzwischen ist auch das Wahrzeihen von Oslo zu erkennen. Umrahmt von hohen Baukränen, die auf ungebremstes Wachstum schließen lassen. Schöner wird der rotbraun verklinkerte Betonklotz dadurch auch nicht
Die Holmenkollen- Skischanze versteckt sich derweil noch hinter dem morgendlichen Dunst der Nacht. Schon beginnt das Anlegemanöver. Zeit die Kabine aufzusuchen und das Gepäck zu holen, eigentlich. Gegenüber dem Kai befindet sich die Museumsinsel Bygdøy. Das Frammuseum (Thor Heyerdahl) steht gleich am Ufer. Noch ein letztes Foto und dann los. Inzwischen ist das Schiff sicher vertäut.


Wir sind schneller


Nach zwanzig Minuten stehe ich samt Gepäck am Taxistand. Mit dem Bus zu fahren hatte ich mir bereits aus dem Kopf geschlagen. Das Taxi ist zwar dreimal so teuer, aber dafür mindestens doppelt so bequem.
Die fragenden Blicke des Taxifahrers ignorierte ich geflissentlich, als dieser mit einiger Anstrengung mein Gepäck in den Kofferraum gehievt hatte. Sicher hat er sich die Frage gestellt, ob ich in Norwegen überwintern wollte.


Ein Luxusrestaurant mitten im Fjord

Am Bahnhof brauchte ich mich nicht weiter durchzufragen. Das übernahmen andere Mitreisende, die ich im Laufe der vor uns liegenden Zeit noch näher kennen lernen sollte.
Pünktlich erschien der Zug und so konnte auch dieser Abschnitt beginnen.


Oslo Rathaus

Die Fahrt aus Oslo heraus ist nicht weiter erwähnenswert, es sei denn jemand interessiert sich für die kahlen Felswände der kilometerlangen Tunnel. Nur einmal konnte ich einen kurzen Blick auf den Holmenkollen erhaschen. Und sah, dass die Sonne die Skischanze in einem leuchtenden Weiß erstrahlen ließ. Viel zu kurz für ein Foto. Nur wenige Sekunden später verdeckte eine meterhohe Spundwand einer Großbaustelle die Aussicht.


Stauwerk in Høkksund

Zwischen Oslo und Drammen beherrscht die Industrie verschiedener Zweige das weitläufige Bild. Und auch das, was inzwischen in allen Städten der Welt zu Hause ist, fehlt hier nicht, Graffitischmierereien an Fassaden, an Lagerhallen oder Schallschutzwänden. An kahlen Wintertagen die einzigen Farbkleckse auf dem trostlosen Streckenabschnitt.
Ab Høkksund wird es ländlicher. Die Sonne lugt immer wieder hinter den Wolken hervor und nur die blattlosen Laubbäume zeigen an welche Jahreszeit angesagt ist. Ansonsten fehlt vom Winter jede Spur. Bisher kann ich keinen Unterschied zu meinen Sommerreisen feststellen. Auch nicht zwischen Flå und Gol, wo die ersten ärmlichen Schneereste der vergangenen Tage zu sehen sind.


Lichtspiele bei Høkksund

Die Blicke einiger Mitreisender ob des fehlenden Schnees sprachen für sich. Ich vermutete, dass sie auf dem Weg nach Geilo waren, ihre Skier und Snowboards sprachen dafür.
Langsam näherten wir uns dem Tor der Hardangervidda. Ab Hol zeigte sich dann endlich auch eine geschlossene Schneedecke. Skifahren in Geilo war also möglich und die Gesichter des jungen Paares hellten sich auf. Tatsächlich war in Geilo Endstation für die beiden.


Hofanlage bei Flå

Noch einige Kilometer folgte die Eisenbahnlinie dem Verlauf der RV 7, die ich schon ein paar Mal gefahren bin, durch das Ustedalen und weiter bis Haugastøl. Hier zweigt die Eisenbahnlinie rechts ab, geradewegs durch die Gebirgslandschaft.
Inzwischen hatte sich die Wolkendecke vollständig geschlossen und die kurze Wintersonne hatte keine Chance mehr noch einmal hindurch zu scheinen. So blieb auch der Hardangerjøkulen (Gletscher) im aufsteigenden Dunst ungesehen.


Fluss bei Ål

Einzelne, zerbrechlich wirkende Holzhütten, ehemalige Streckenwärterposten huschen im blauen Winterlicht am Abteilfenster vorbei. An dem ein oder andren Felshang sind kleine Wasserfälle zu Eis erstarrt. Das Licht und der aufwirbelnde Pulverschnee lassen die karge Landschaft gespenstisch erscheinen.


Und der Bahnhof von Ål

Kurz bevor die Dunkelheit das Land völlig überzieht erreichen wir die höchstgelegene Bahnstation Norwegens, Finse. Früher nur eine kleine Streckenpostenstation, heute beliebtes Ausflugsziel für Skifahrer und Wanderer.
Der Aufenthalt ist nur kurz, gerade lang genug für zwei, drei Bilder und der Feststellung, dass es schneit, dann geht es auch schon weiter.

Blick auf Hol

Gleich hinter Finse verschwindet die eingleisige Bahntrasse im Schlund der Berge. Mit ganz wenigen Ausnahmen soll das für die nächsten dreißig Kilometer so bleiben. Eine rasante Fahrt zwischen Fels- und Holzwänden, die nicht verheimlicht, dass es nun wieder talwärts geht.


Skiparadies Geilo

Als der Zug Myrdal erreicht ist es stockfinster. Hier wartete gerade die Flåmbahn, um die zahlreichen Fahrgäste, die hier umstiegen aufzunehmen und heimzubringen.
Die vom schwarzen Tuch der Nacht umhüllte Landschaft gab keinerlei Geheimnisse mehr preis. Tausende von Engeln weinten herzzerreißend, wie die Fluten von Tränen an den Abteilfenstern bewiesen.

Eis und Felsen in der Hardangervidda

Voss war nur eine schwarzgraue Silhouette mit schwach leuchtenden Laternen. Lediglich das Ortsschild am Bahnsteig verriet ihre Identität.
Die Engel weinten auch noch als wir Bergen erreichten. Niemand hatte sich gefunden sie zu trösten, ihre Tränen zu trocknen. So zeigte sich Bergen einmal mehr, wie man es erwartete. Schwere Regentropfen nässten mein Haupt und alle Taxis schienen vom Erdboden verschluckt. Ein Bahnhof ohne Taxis, auch eine Seltenheit.

Bahnhof Finse 1222 m ü. NN

Nach kaum mal zehn Minuten hatte das Warten ein Ende und wir saßen zu siebt in einem Großraumfahrzeug.
Nach einer weiteren Viertelstunde war ich bereits in meiner Kabine. Alles verlief gewohnt unkompliziert. Reisescheck vorlegen, Gepäck aufgeben, Kabinenkarte empfangen, fertig.

Bahnhof Myrdal und ein Waggon der Flåmbahn



Norwegen 2006 - Eine Winterreise mit der Hurtigrute - 1. Tag – Fantasy

Einleitung

Es wurde Zeit für Urlaub. Das ganze Jahr über gearbeitet und im Dezember noch 25 Tage Urlaub auf dem Konto, die auf ich keinen Fall zu Hause verbringen wollte. So blieb mir nur die Möglichkeit eines Pauschalurlaubes. Ihr wisst ja wie ich dazu stehe.
Mit der Hurtigrute hatte ich bereits im Sommer 2005 meine Erfahrungen gesammelt, so dass ich mir einigermaßen sicher sein konnte nicht wieder so einen Reinfall wie 2003 in der Türkei zu erleben.
Und Norwegen im Winter hatte ich bisher noch nicht erlebt. Damit stand der Urlaub fest. Das Paket, das ich mir ausgesucht hatte liest sich im Telegrammstil so:


Bleßhühner im Kieler Stadtpark

Von Kiel nach Oslo mit der Color Fantasy
Von Oslo nach Bergen mit der Bergenbahn.
Ab Bergen 11 Tage auf der MS Mitnatsol über Kirkenes nach Trondheim.
Von Trondheim mit der Dovrebahn nach Oslo.

Dort eine Übernachtung und dann mit der Kronprinz Harald zurück nach Kiel.

Soweit die Kurzfassung.

Kieler Stadtpark


Fantasy

Um mir möglichst wenig Stress zu machen bin ich bereits einen Tag vorher nach Kiel gefahren. Ausgeschlafen und gut gefrühstückt blieb noch Zeit für einen Spaziergang durch die Stadt, ehe ich mich mit meinem Gepäck zum Colorline- Kai begab. Das liebe Gepäck sorgte denn auch dafür, dass der kurze Fußweg zu einer schweißtreibenden Angelegenheit wurde. Gut zwanzig Kilo Winterkleidung und nochmals zwölf Kilo Fotoausrüstung wollten erst einmal bewegt werden und weckten sogleich wieder erste Zweifel in mir, was das Pauschalreisen anbelangt. Wie bequem war es doch all seine Utensilien in einem Fahrzeug zu verstauen und nicht die schweren Koffer mit sich herumschleppen zu müssen. Und das hier war ja erst der Anfang. In meinen Gedanken spielte sich bereits das Horrorszenario ab. In Oslo ausschiffen, mit Bus oder Taxi zum Bahnhof, von dort mit dem Zug nach Bergen. Und wiederum mit dem Taxi von Bahnhof zum Hafen.
Habe ich wirklich alles richtig gemacht, brauche ich so viel Gepäck? Noch während mir die Gedanken durch den Kopf gingen hatte ich beinahe unbemerkt das Colorline- Gebäude erreicht. Völlig unkompliziert bekomme ich mein Ticket und die Kabinenkarte und auch gleich noch einen Hinweis für die Rückreise.



Platz am Hafen

„Die Kronprinz Harald hat einen Maschinenschaden. Aus diesem Grund wird das Schiff voraussichtlich eine Stunde früher in Oslo abfahren und ca. 2 – 3 Stunden später in Kiel eintreffen.“, sagte die nette Dame mit einem freundlichen Lächeln.
„Vielen Dank“, antwortete ich leicht verwirrt und die Bilder einer dreimal durchstartenden Düsenmaschine nach beinahe zehnstündigem Flug mit Zwischenlandung in Hannover kamen mir in den Sinn. Sollte die Pauschalreisepest mich schon wieder erreicht haben?

Segelschoner im Winterschlaf

Eine Stunde später war ich bereits in meiner kleinen aber sehr gemütlich eingerichteten Kabine und das schwere Gepäck war erst einmal vergessen.
Das Wetter meinte es gut. Zwar war es bewölkt aber trocken und die Sonne zeigte sich ab und an auch mal. Der Tag machte seinem Namen alle Ehre, schließlich war es Sonntag.
Langsam zog die Küste der Kieler Förde unter den Augen zahlreicher Deckbesucher vorbei.


Schiffsschraube vor dem Colorline Kai

Kurz vor dem Marine- Ehrendenkmal konnte man sogar Surfer mit Paragleitschirmen beobachten. Eigentlich war es ja viel zu mild für Anfang Dezember. Und so suggerierten uns die bunten Gleitschirme im Licht der untergehenden Sonne eher etwas von einem Frühlingstag vor.
Nachdem wir das Marine- Ehrenmal passiert hatten und die Förde sich vor uns weit öffnete, war es an der Zeit das Schiff zu inspizieren.

Blick auf die Fantasy

Die Color Fantasy ist das zurzeit größte Fährschiff der Welt. Im Innern jedoch kann es auch mit den Luxuskreuzfahrtschiffen mithalten. Hier gibt es einfach alles. Bei der Burgerbude angefangen bis zum Gourmettempel und sieben Gänge Menüs. Eine 160 Meter lange Shoppingmall gehört ebenso dazu wie ein Spielcasino oder der Wellnessbereich. Nicht zu vergessen die Bars und die Liveshows.
Der Colorline Slogan: „Fähre mit Kreuzfahrtschiffcharakter“ ist nicht überzogen.


Kiel von oben (vom Deck der Fantasy)


Ein besonderer Clou sind die Innenkabinen über der Shoppingmall. Doch wer hier bucht sollte es mit dem Schlafen nicht so genau nehmen. Der Trubel vor dem Fenster geht bis in die Nacht hinein.
Die Preise für einen Imbiss beim Italiener oder in der Tapasbar liegen auf norwegischem Niveau. Gehoben aber keineswegs zu teuer, wie ich meine. Bei so vielen True Color Eindrücken war denn auch schnell die eingangs geschilderte Plackerei vergessen.
Am Abend habe ich mir dann auch die Show in der Fantasy Lounge angesehen, für die bereits den ganzen Nachmittag in der Einkaufsstraße Werbung gemacht wurde.

Kitesurfen in der Kieler Förde

Viel hatte ich eigentlich nicht erwartet, umso erfreulicher, dass diese Show auf einem hohen Niveau liegt. Eine Zeitreise durch die Rock und Popgeschichte. Das Ganze hatte schon beinahe Musicalcharakter, das gilt insbesondere auch für die Kostüme.


Marine Ehrenmal

Verständlich, dass das Fotografieren in der Show verboten ist.
Zwei Stunden später sitze ich in der Panoramalounge bei einem alkoholfreien Cocktail. Angekündigt ist ein Jazzquartett. Leider lässt sich die Qualität der ersten Show hier nicht wiederfinden. Das Quartett ist zunächst nur ein Trio und besteht aus drei Einzelgängern.

Fantasy Treppenaufgang am Casino

Zwanzig Minuten lang werden die Zuhörer nur von schiefen Tönen aus dem Klavier und vom Bass gequält, dann haben die drei ihre Technik soweit im Griff, dass ein erstes Stück Musik folgen kann. Aber so wie sie an die Arbeit gegangen sind, so vollendeten sie diese auch, als Solisten. Was sich wie gekonnter Jazz anhören sollte, war lediglich der Versuch von Selbstdarstellung. Und es sollte noch schlimmer kommen.


Blick in die Kabine

Nach einer guten halben Stunde wurde dann endlich aus dem Trio ein Quartett. Eine junge farbige Sängerin schlenderte auf die Bühne und verlieh der Musik ihre Stimme, oder sollte ich sagen Stimmchen. Der Gesang war farblos, klang gelangweilt ohne jeden Swing, ohne Rhythmus, den der Jazz verkörpert und gerade den afroamerikanischen Musikern nachsagt wird. Gutes Aussehen allein hilft auch nicht.


Die Shoppingmall

Einen Höhepunkt brachte diese Darbietung dennoch hervor. Eine junge Frau aus dem Publikum traute sich auf die Bühne und zeigte den Vieren was unter dem Begriff Jazz zu verstehen ist. Sicher war ihre Darbietung nicht perfekt, aber was sie bot ging wirklich gut ab und das Publikum spendete anhaltenden und nicht verhaltenen Applaus, wie bei den Stücken zuvor. Immerhin hatte dieses kleine Intermezzo auch Wirkung bei den eigentlichen Interpreten hinterlassen.

Eingang zum Restaurant

Die Musik wurde besser, aber nicht wirklich gut.
Inzwischen war es Mitternacht, Zeit sich schlafen zu legen. Das war ja auch genug Programm für den ersten Tag.

Lichtspiele mit gewaltigen Kronleuchtern