Sonntag, 28. November 2010

Norwegen 2006 - Eine Winterreise mit der Hurtigrute - 2. Tag – Bergenbahn

Bergenbahn

Die Nacht war ruhig verlaufen. Irgendwo im Skagerrag wurde die See etwas unruhiger und die Ausgleichsstabilisatoren des Schiffes bekamen etwas zu tun. Das galt auch für das Bordpersonal, welches die eine oder andere Schnapsleiche in die Kabinen begleiten musste. Aber das bekam ich nur am Rande mit.
Nach dem Frühstück, inzwischen befanden wir uns tief im Oslofjord begab ich mich aufs Außendeck. Nur langsam breitete sich das Tageslicht über den Fjord und die in der Ferne leuchtende Stadt Oslo aus. Die Temperaturen waren als mild zu bezeichnen und das Strahlen am Horizont ließ darauf schließen, dass sich die Sonne im Laufe des Tages zeigen würde.



Fantasy im Oslofjord

Es war halb neun und auf dem Fjord war bereits einiges los. Frachter, Fähren, Expressboote und einige Segler tummelten sich auf der engen Wasserstraße. Und überall waren die kleinen Inselchen und Eilande zu sehen die, egal wie groß sie auch waren, mindestens einem kleinen Ferienhaus Platz bieten. Besonders deutlich wird das beim alten Leuchtturm vor Oslo, welcher heute ein Restaurant beherbergt, für alle die sich etwas besonderes leisten wollen, und auch können. Der Fels ist das Fundament und bis zum letzten Quadratmeter bebaut.



Schärenwelt im Oslofjord

Inzwischen ist auch das Wahrzeihen von Oslo zu erkennen. Umrahmt von hohen Baukränen, die auf ungebremstes Wachstum schließen lassen. Schöner wird der rotbraun verklinkerte Betonklotz dadurch auch nicht
Die Holmenkollen- Skischanze versteckt sich derweil noch hinter dem morgendlichen Dunst der Nacht. Schon beginnt das Anlegemanöver. Zeit die Kabine aufzusuchen und das Gepäck zu holen, eigentlich. Gegenüber dem Kai befindet sich die Museumsinsel Bygdøy. Das Frammuseum (Thor Heyerdahl) steht gleich am Ufer. Noch ein letztes Foto und dann los. Inzwischen ist das Schiff sicher vertäut.


Wir sind schneller


Nach zwanzig Minuten stehe ich samt Gepäck am Taxistand. Mit dem Bus zu fahren hatte ich mir bereits aus dem Kopf geschlagen. Das Taxi ist zwar dreimal so teuer, aber dafür mindestens doppelt so bequem.
Die fragenden Blicke des Taxifahrers ignorierte ich geflissentlich, als dieser mit einiger Anstrengung mein Gepäck in den Kofferraum gehievt hatte. Sicher hat er sich die Frage gestellt, ob ich in Norwegen überwintern wollte.


Ein Luxusrestaurant mitten im Fjord

Am Bahnhof brauchte ich mich nicht weiter durchzufragen. Das übernahmen andere Mitreisende, die ich im Laufe der vor uns liegenden Zeit noch näher kennen lernen sollte.
Pünktlich erschien der Zug und so konnte auch dieser Abschnitt beginnen.


Oslo Rathaus

Die Fahrt aus Oslo heraus ist nicht weiter erwähnenswert, es sei denn jemand interessiert sich für die kahlen Felswände der kilometerlangen Tunnel. Nur einmal konnte ich einen kurzen Blick auf den Holmenkollen erhaschen. Und sah, dass die Sonne die Skischanze in einem leuchtenden Weiß erstrahlen ließ. Viel zu kurz für ein Foto. Nur wenige Sekunden später verdeckte eine meterhohe Spundwand einer Großbaustelle die Aussicht.


Stauwerk in Høkksund

Zwischen Oslo und Drammen beherrscht die Industrie verschiedener Zweige das weitläufige Bild. Und auch das, was inzwischen in allen Städten der Welt zu Hause ist, fehlt hier nicht, Graffitischmierereien an Fassaden, an Lagerhallen oder Schallschutzwänden. An kahlen Wintertagen die einzigen Farbkleckse auf dem trostlosen Streckenabschnitt.
Ab Høkksund wird es ländlicher. Die Sonne lugt immer wieder hinter den Wolken hervor und nur die blattlosen Laubbäume zeigen an welche Jahreszeit angesagt ist. Ansonsten fehlt vom Winter jede Spur. Bisher kann ich keinen Unterschied zu meinen Sommerreisen feststellen. Auch nicht zwischen Flå und Gol, wo die ersten ärmlichen Schneereste der vergangenen Tage zu sehen sind.


Lichtspiele bei Høkksund

Die Blicke einiger Mitreisender ob des fehlenden Schnees sprachen für sich. Ich vermutete, dass sie auf dem Weg nach Geilo waren, ihre Skier und Snowboards sprachen dafür.
Langsam näherten wir uns dem Tor der Hardangervidda. Ab Hol zeigte sich dann endlich auch eine geschlossene Schneedecke. Skifahren in Geilo war also möglich und die Gesichter des jungen Paares hellten sich auf. Tatsächlich war in Geilo Endstation für die beiden.


Hofanlage bei Flå

Noch einige Kilometer folgte die Eisenbahnlinie dem Verlauf der RV 7, die ich schon ein paar Mal gefahren bin, durch das Ustedalen und weiter bis Haugastøl. Hier zweigt die Eisenbahnlinie rechts ab, geradewegs durch die Gebirgslandschaft.
Inzwischen hatte sich die Wolkendecke vollständig geschlossen und die kurze Wintersonne hatte keine Chance mehr noch einmal hindurch zu scheinen. So blieb auch der Hardangerjøkulen (Gletscher) im aufsteigenden Dunst ungesehen.


Fluss bei Ål

Einzelne, zerbrechlich wirkende Holzhütten, ehemalige Streckenwärterposten huschen im blauen Winterlicht am Abteilfenster vorbei. An dem ein oder andren Felshang sind kleine Wasserfälle zu Eis erstarrt. Das Licht und der aufwirbelnde Pulverschnee lassen die karge Landschaft gespenstisch erscheinen.


Und der Bahnhof von Ål

Kurz bevor die Dunkelheit das Land völlig überzieht erreichen wir die höchstgelegene Bahnstation Norwegens, Finse. Früher nur eine kleine Streckenpostenstation, heute beliebtes Ausflugsziel für Skifahrer und Wanderer.
Der Aufenthalt ist nur kurz, gerade lang genug für zwei, drei Bilder und der Feststellung, dass es schneit, dann geht es auch schon weiter.

Blick auf Hol

Gleich hinter Finse verschwindet die eingleisige Bahntrasse im Schlund der Berge. Mit ganz wenigen Ausnahmen soll das für die nächsten dreißig Kilometer so bleiben. Eine rasante Fahrt zwischen Fels- und Holzwänden, die nicht verheimlicht, dass es nun wieder talwärts geht.


Skiparadies Geilo

Als der Zug Myrdal erreicht ist es stockfinster. Hier wartete gerade die Flåmbahn, um die zahlreichen Fahrgäste, die hier umstiegen aufzunehmen und heimzubringen.
Die vom schwarzen Tuch der Nacht umhüllte Landschaft gab keinerlei Geheimnisse mehr preis. Tausende von Engeln weinten herzzerreißend, wie die Fluten von Tränen an den Abteilfenstern bewiesen.

Eis und Felsen in der Hardangervidda

Voss war nur eine schwarzgraue Silhouette mit schwach leuchtenden Laternen. Lediglich das Ortsschild am Bahnsteig verriet ihre Identität.
Die Engel weinten auch noch als wir Bergen erreichten. Niemand hatte sich gefunden sie zu trösten, ihre Tränen zu trocknen. So zeigte sich Bergen einmal mehr, wie man es erwartete. Schwere Regentropfen nässten mein Haupt und alle Taxis schienen vom Erdboden verschluckt. Ein Bahnhof ohne Taxis, auch eine Seltenheit.

Bahnhof Finse 1222 m ü. NN

Nach kaum mal zehn Minuten hatte das Warten ein Ende und wir saßen zu siebt in einem Großraumfahrzeug.
Nach einer weiteren Viertelstunde war ich bereits in meiner Kabine. Alles verlief gewohnt unkompliziert. Reisescheck vorlegen, Gepäck aufgeben, Kabinenkarte empfangen, fertig.

Bahnhof Myrdal und ein Waggon der Flåmbahn



Norwegen 2006 - Eine Winterreise mit der Hurtigrute - 1. Tag – Fantasy

Einleitung

Es wurde Zeit für Urlaub. Das ganze Jahr über gearbeitet und im Dezember noch 25 Tage Urlaub auf dem Konto, die auf ich keinen Fall zu Hause verbringen wollte. So blieb mir nur die Möglichkeit eines Pauschalurlaubes. Ihr wisst ja wie ich dazu stehe.
Mit der Hurtigrute hatte ich bereits im Sommer 2005 meine Erfahrungen gesammelt, so dass ich mir einigermaßen sicher sein konnte nicht wieder so einen Reinfall wie 2003 in der Türkei zu erleben.
Und Norwegen im Winter hatte ich bisher noch nicht erlebt. Damit stand der Urlaub fest. Das Paket, das ich mir ausgesucht hatte liest sich im Telegrammstil so:


Bleßhühner im Kieler Stadtpark

Von Kiel nach Oslo mit der Color Fantasy
Von Oslo nach Bergen mit der Bergenbahn.
Ab Bergen 11 Tage auf der MS Mitnatsol über Kirkenes nach Trondheim.
Von Trondheim mit der Dovrebahn nach Oslo.

Dort eine Übernachtung und dann mit der Kronprinz Harald zurück nach Kiel.

Soweit die Kurzfassung.

Kieler Stadtpark


Fantasy

Um mir möglichst wenig Stress zu machen bin ich bereits einen Tag vorher nach Kiel gefahren. Ausgeschlafen und gut gefrühstückt blieb noch Zeit für einen Spaziergang durch die Stadt, ehe ich mich mit meinem Gepäck zum Colorline- Kai begab. Das liebe Gepäck sorgte denn auch dafür, dass der kurze Fußweg zu einer schweißtreibenden Angelegenheit wurde. Gut zwanzig Kilo Winterkleidung und nochmals zwölf Kilo Fotoausrüstung wollten erst einmal bewegt werden und weckten sogleich wieder erste Zweifel in mir, was das Pauschalreisen anbelangt. Wie bequem war es doch all seine Utensilien in einem Fahrzeug zu verstauen und nicht die schweren Koffer mit sich herumschleppen zu müssen. Und das hier war ja erst der Anfang. In meinen Gedanken spielte sich bereits das Horrorszenario ab. In Oslo ausschiffen, mit Bus oder Taxi zum Bahnhof, von dort mit dem Zug nach Bergen. Und wiederum mit dem Taxi von Bahnhof zum Hafen.
Habe ich wirklich alles richtig gemacht, brauche ich so viel Gepäck? Noch während mir die Gedanken durch den Kopf gingen hatte ich beinahe unbemerkt das Colorline- Gebäude erreicht. Völlig unkompliziert bekomme ich mein Ticket und die Kabinenkarte und auch gleich noch einen Hinweis für die Rückreise.



Platz am Hafen

„Die Kronprinz Harald hat einen Maschinenschaden. Aus diesem Grund wird das Schiff voraussichtlich eine Stunde früher in Oslo abfahren und ca. 2 – 3 Stunden später in Kiel eintreffen.“, sagte die nette Dame mit einem freundlichen Lächeln.
„Vielen Dank“, antwortete ich leicht verwirrt und die Bilder einer dreimal durchstartenden Düsenmaschine nach beinahe zehnstündigem Flug mit Zwischenlandung in Hannover kamen mir in den Sinn. Sollte die Pauschalreisepest mich schon wieder erreicht haben?

Segelschoner im Winterschlaf

Eine Stunde später war ich bereits in meiner kleinen aber sehr gemütlich eingerichteten Kabine und das schwere Gepäck war erst einmal vergessen.
Das Wetter meinte es gut. Zwar war es bewölkt aber trocken und die Sonne zeigte sich ab und an auch mal. Der Tag machte seinem Namen alle Ehre, schließlich war es Sonntag.
Langsam zog die Küste der Kieler Förde unter den Augen zahlreicher Deckbesucher vorbei.


Schiffsschraube vor dem Colorline Kai

Kurz vor dem Marine- Ehrendenkmal konnte man sogar Surfer mit Paragleitschirmen beobachten. Eigentlich war es ja viel zu mild für Anfang Dezember. Und so suggerierten uns die bunten Gleitschirme im Licht der untergehenden Sonne eher etwas von einem Frühlingstag vor.
Nachdem wir das Marine- Ehrenmal passiert hatten und die Förde sich vor uns weit öffnete, war es an der Zeit das Schiff zu inspizieren.

Blick auf die Fantasy

Die Color Fantasy ist das zurzeit größte Fährschiff der Welt. Im Innern jedoch kann es auch mit den Luxuskreuzfahrtschiffen mithalten. Hier gibt es einfach alles. Bei der Burgerbude angefangen bis zum Gourmettempel und sieben Gänge Menüs. Eine 160 Meter lange Shoppingmall gehört ebenso dazu wie ein Spielcasino oder der Wellnessbereich. Nicht zu vergessen die Bars und die Liveshows.
Der Colorline Slogan: „Fähre mit Kreuzfahrtschiffcharakter“ ist nicht überzogen.


Kiel von oben (vom Deck der Fantasy)


Ein besonderer Clou sind die Innenkabinen über der Shoppingmall. Doch wer hier bucht sollte es mit dem Schlafen nicht so genau nehmen. Der Trubel vor dem Fenster geht bis in die Nacht hinein.
Die Preise für einen Imbiss beim Italiener oder in der Tapasbar liegen auf norwegischem Niveau. Gehoben aber keineswegs zu teuer, wie ich meine. Bei so vielen True Color Eindrücken war denn auch schnell die eingangs geschilderte Plackerei vergessen.
Am Abend habe ich mir dann auch die Show in der Fantasy Lounge angesehen, für die bereits den ganzen Nachmittag in der Einkaufsstraße Werbung gemacht wurde.

Kitesurfen in der Kieler Förde

Viel hatte ich eigentlich nicht erwartet, umso erfreulicher, dass diese Show auf einem hohen Niveau liegt. Eine Zeitreise durch die Rock und Popgeschichte. Das Ganze hatte schon beinahe Musicalcharakter, das gilt insbesondere auch für die Kostüme.


Marine Ehrenmal

Verständlich, dass das Fotografieren in der Show verboten ist.
Zwei Stunden später sitze ich in der Panoramalounge bei einem alkoholfreien Cocktail. Angekündigt ist ein Jazzquartett. Leider lässt sich die Qualität der ersten Show hier nicht wiederfinden. Das Quartett ist zunächst nur ein Trio und besteht aus drei Einzelgängern.

Fantasy Treppenaufgang am Casino

Zwanzig Minuten lang werden die Zuhörer nur von schiefen Tönen aus dem Klavier und vom Bass gequält, dann haben die drei ihre Technik soweit im Griff, dass ein erstes Stück Musik folgen kann. Aber so wie sie an die Arbeit gegangen sind, so vollendeten sie diese auch, als Solisten. Was sich wie gekonnter Jazz anhören sollte, war lediglich der Versuch von Selbstdarstellung. Und es sollte noch schlimmer kommen.


Blick in die Kabine

Nach einer guten halben Stunde wurde dann endlich aus dem Trio ein Quartett. Eine junge farbige Sängerin schlenderte auf die Bühne und verlieh der Musik ihre Stimme, oder sollte ich sagen Stimmchen. Der Gesang war farblos, klang gelangweilt ohne jeden Swing, ohne Rhythmus, den der Jazz verkörpert und gerade den afroamerikanischen Musikern nachsagt wird. Gutes Aussehen allein hilft auch nicht.


Die Shoppingmall

Einen Höhepunkt brachte diese Darbietung dennoch hervor. Eine junge Frau aus dem Publikum traute sich auf die Bühne und zeigte den Vieren was unter dem Begriff Jazz zu verstehen ist. Sicher war ihre Darbietung nicht perfekt, aber was sie bot ging wirklich gut ab und das Publikum spendete anhaltenden und nicht verhaltenen Applaus, wie bei den Stücken zuvor. Immerhin hatte dieses kleine Intermezzo auch Wirkung bei den eigentlichen Interpreten hinterlassen.

Eingang zum Restaurant

Die Musik wurde besser, aber nicht wirklich gut.
Inzwischen war es Mitternacht, Zeit sich schlafen zu legen. Das war ja auch genug Programm für den ersten Tag.

Lichtspiele mit gewaltigen Kronleuchtern