Samstag, 28. Februar 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 10. Tag – Teil 2 - Eishotel Jukkasjärvi

Teil 2 – Eishotel Jukkasjärvi

Nächstes Ziel war der kleine Ort Jukkasjärvi. Etwa acht Kilometer außerhalb von Kiruna verließ ich die E 10 linker Hand. Eigentlich war der Ort ohne Bedeutung, wenn es da nicht in jedem Jahr das berühmte Eishotel geben würde. Dies ist nicht irgendein Hotel, das gesamte Hotel wird aus purem Eis gebaut, inklusive Einrichtung. Und die Menschen bezahlen eine ordentliche Stange Geld für einen Dreitagesaufenthalt. Das Eis für dieses Hotel liefert der Torneälven (Fluss), der jedes Jahr bis zu einem Meter dick zufriert. (Die schwedische, wie die norwegische Sprache ähneln einander, lediglich die Schreibweise unterscheidet sich. Norw. Fluss = elve, schw. Fluss = älven)

Besucherzentrum in Jukkajärvi

Eigentlich war ich nur hierher gefahren um den Ort mal kennen zu lernen, da sich das Hotel jetzt, Ende Juni, längst verflüssigt hatte. - Im wahrsten Sinne des Wortes! Doch dann erfuhr ich, dass man diese winterliche Atmosphäre durchaus auch im Sommer erleben konnte und so wurden aus einem kurzen Abstecher erneut ein längerer Aufenthalt und ein schönes Erlebnis.


Gleich gegenüber macht dieses Haltestellenhäuschen deutlich wo man sich befindet, im Norden

Auf dem Gelände gab es ein riesiges Gebäude, genauer gesagt ein großes Kühlhaus. Hier werden zum einen große quaderförmige Eisblöcke aufbewahrt und zum anderen viele der wunderschönen Eisskulpturen. Die Besichtigung kostet natürlich Eintritt aber es lohnt sich. Mitten im Sommer marschierte ich mit einem dicken Thermoanzug von der Info über einen Hof bis zum Kühlhaus. Sobald man den überdimensionalen Kühlschrank betritt, versteht man diese Maßnahme! Das Licht im Kühlhaus verstärkt noch den eisigen Eindruck, es ist dämmrig und schimmert bläulich. Beim Betrachten der Skulpturen kam mir der leise Verdacht, hier handelte es sich um Kristallskulpturen. So klar und durchscheinend konnte das Eis doch gar nicht sein, fuhr es mir durch den Kopf. Eine Fingerprobe, bestimmt nicht gerne gesehen, bewies jedoch, diese Skulpturen waren aus gefrorenem Wasser. Ganze Szenen sind dargestellt, ein Hundeschlittengespann mit Musher (Schlittenführer). Die verschiedensten Tiere, Bären, Seeadler, eine Seekuh, ein Rentier, alles in Lebensgröße. Ich wusste nicht wohin ich meinen Blick zuerst richten sollte.


Hier am Fluss Torneälven steht im Winter das Eishotel

In einer Ecke war ein Zelt der Samen angedeutet, aus dünnen Eisplatten und Stäben. Selbst banale Dinge wie Skier hat man aus dem gefrorenen Wasser kreiert. Und natürlich die Iglus, in denen selbst das Bett aus Eis gefertigt war und in denen man Probeliegen konnte. Natürlich auf Rentierfellen, nicht auf dem nackten Eis. Einfach fantastisch! Sessel, Stühle, Barhocker, die Theke und selbst die Gläser waren aus dem vergänglichen Material gefertigt. Und bei all diesen schönen Eindrücken konnte man einen dieser Künstler auch noch bei der Arbeit zusehen, wie er aus einem groben Eisquader ein neues Kunstwerk schuf.

und in den Sommermonaten lagern die Eisskulpturen im Kühlhaus

Während man die empfindlichen Kunstwerke betrachtete wurde von einer freundlichen Angestellten ein heißes Getränk serviert, das ein wenig nach Johannisbeersaft schmeckte und ich den Verdacht nicht los wurde einen Hauch von Alkohol zu schmecken. Nichts desto Trotz schmeckte es sehr gut!

Ganze Szenen aus Eis gibt es zu bestaunen

Am Ende des Ortes steht eine alte Kirche von 1726. Von außen eher unscheinbar, innen aber mit interessantem Altarbild auf Holzrelief von 1958. Doch dafür schien sich niemand zu interessieren. Auf eine der Büßerbänke rekelte sich eine Katze und ließ sich ausgiebig kraulen. Sie hatte viel Ähnlichkeit mit meiner Penny und war, wie sie, eine norwegische Waldkatze was niemand wusste.
Gleich neben der Kirche gab es noch die Möglichkeit einem Rentierzüchter bei der Arbeit über die Schulter zu sehen, gegen einen entsprechenden Obolus. Die Warteschlange vor dem Gatter war ziemlich lang, so verzichtete ich auf die Darbietung.


aber bitte nicht anfassen

Jukkasjärvi lag hinter mir, ich war auf dem Weg zur finnischen Grenze. (Ab Svappavaara folgt man der RV 45 in nördlicher Richtung. In Schweden wird diese Straße auch als „Inlandsvegen“ bezeichnet.)
Würde ich diesmal auch wieder Rentiere sehen, wie vor zwei Jahren? – Ja, ich brauchte gar nicht lange zu warten! Es war doch immer wieder ein aufregendes, ein neues Erlebnis. Das war dann auch gleichzeitig die letzte Begegnung auf der Strecke.


und in solchen Igluzimmern wird übernachtet

Bis zur finnischen Grenze begleitete mich die Monotonie dieser einseitigen Landschaft. Nichts als Tannen, Birken, Wiesen, Tannen, Birken und mitten hindurch der graue Bandwurm aus Asphalt. Die folgenden hundert Kilometer durch Finnland sahen nicht anders aus. Das Bild wurde nur durch die spiegelglatten Seen, die hier und da auftauchten, ein wenig aufgelockert. Und durch den Regen der an einer Stelle mal kurz einsetzte. Sofort drang durch das geöffnete Fenster der würzige Duft von Birkensaft, Fichtenharz und warmen Sommerregen. Angenehm wohltuend in dieser schon beinahe auffälligen Eintönigkeit. Aber dieser Eindruck ließ sich sogar noch steigern sobald ich über die Grenze und somit wieder in Norwegen war.


Die kleine Kirche von Jukkasjärvi

Kautokeino, an der RV 93, mein Ziel, lag noch vierzig Kilometer voraus, es wurde eine Strecke der Einsamkeit. Ein einziges Auto begegnete mir gleich hinter der Grenze danach war ich mit der Natur alleine.Die Sträucher und Bäume schienen sich unter dem Eindruck der Einsamkeit tief zu ducken und sich doch gleichzeitig der Sonne entgegen zu strecken, die sich gerade hinter ein paar Wolken versteckte.


Einziger Besucher eine norwegische Waldkatze


Drei einsame verlassene und halb verfallene Häuser verstärkten diesen Eindruck von Einsamkeit noch. Und wenn man anhielt und in diese grüne Öde hinauslauschte dann war da nichts. Kein Vogelgesang, kein Zirpen, nichts, nur die allgegenwärtige Einsamkeit. Wohl schwirrten ein paar Insekten umher doch wirkte das eher hilflos.
Es herrschte Stille, eine bedrückende Stille, die fähig war manch schwache Seele aufschreien zu lassen. Am hellerlichten Tag ist so etwas kaum vorstellbar.


Begegnung im Norden, Rentiere gehören hier zum Straßenbild

Wenig später hatte ich mein Ziel erreicht, wo sich auch gleich wieder das Leben vereinte. Menschen, Hunde, Katzen, Vögel und wie mir schien alle Mücken dieser Welt!
In Schweden war es schon schlimm, Füße, Hals und Gesicht waren bereits von der Wanderung zerstochen. Wieso allerdings auch die Füße weiß ich bis heute nicht. Ich hatte schließlich dicke Socken und Wanderstiefel an! Aber im Vergleich zu Schweden grenzte das hier bereits an eine Katastrophe. Sich nur fünf Minuten draußen aufzuhalten bedeutete zum Blutspender des Jahres zu werden! Und dass war verdammt nicht übertrieben!









Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 10. Bis Kautokeino Teil 1 - Kiruna Festival

Teil 1 - Kiruna Festival

Kiruna E 10 (Schweden) ist eine Industriestadt und kann dies auch nicht leugnen. Besonders dann nicht wenn man aus Richtung Narvik kommt, dann trifft man als erstes auf dieses gigantische Erzbergwerk. Groß und schwarz stehen die mächtigen stufenförmigen Berge in südwestlicher Richtung und dominieren mit ihrer Erscheinung das Stadtbild. Die Erzvorkommen sind bereits seit 1730 bekannt und Untertage gibt es kilometerlange Straßen.


Schon aus der Ferne dominieren die Berge des Erzbergwerks

Trotz dieser bedrohlichen Dominanz, die von dieser Erscheinung ausging, zeigte sie auch eine positive Wirkung. Diese Stadt lebte, lebte durch das Bergwerk. Überall sah man neu entstandene Wohnhäuser im Siedlungsstil. Alle gleich aber durchaus nicht langweilig und vor allem nicht aus Holz sondern massiv aus Stein. Wohl eine Notwendigkeit aufgrund der langen kalten Winter.
Die Stadt lebt mit dem Bergwerg. Beinahe von jedem Ort oder Platz in der Stadt sah man etwas davon. Es überragt die Stadt, obwohl sie selbst teilweise an einem Berghang entstanden war.



Ebenso die Gleisanlagen und Erzverladestellen

Aber die Stadt lebte noch aus einem anderen Grund. Das Kiruna Festival stand kurz bevor und so war bereits am frühen Morgen ein reges Treiben im Stadtzentrum. Ein Rummelplatz wurde aufgebaut, das heißt die letzten Vorbereitungen wurden getroffen. Ein Jahrmarkt etwas weiter und zwischendrin Zelte und Bühnen mit Livemusik. Die Arbeiten am Kongresszentrum waren noch im vollen Gange.
Nun wurde mir auch klar warum bereits weit vor der Stadt so viele gelbe Mäuschen damit beschäftigt waren die Straßenränder zu reinigen. Gelbe Mäuschen deshalb weil sie gelb gekleidet waren, etwa wie bei uns die Müllabfuhr und weil sehr viele junge Mädchen zwischen fünfzehn und zwanzig dabei waren, die auch schon mal freundlich winkten wenn man vorüberfuhr.


Die Stadtverwaltung

Hier wollte nicht nur die Stadt glänzen, auch die Wege die zu ihr führten sollten im hellen Licht erstrahlen. Irgendwie gefiel mir dieser Elan, der auf mich übergriff. Überall regte es sich und trotzdem spürte man keine Hektik. Die Menschen waren freundlich, freuten sich auf das bevorstehende Fest, es war eine gelassene Regsamkeit, die mich in Empfang genommen hatte und länger als beabsichtigt festhielt.
Hier noch einen Kaffee trinken, dort einer Band beim Stimmen ihrer Instrumente lauschen, die für die wenigen Interessierten auch schon mal ein ganz Stück spielten. Nur schwer konnte ich mich von diesem pulsierenden Ort lösen, aber ich wollte noch etwas mehr von der Stadt sehen. Auf dem Weg hinaus aus der strebsamen Masse sorgte ich dafür, dass eine junge Frau, beinahe noch Mädchen, diese Tage auch wirklich genießen konnte.

und das Industriedenkmal

Sie hatte Geld am Bankautomaten abgehoben und schlenderte plaudernd mit ihren Freundinnen weiter. Ohne hinzusehen steckte sie alles, wie sie glaubte in ihre Handtasche. Ihre Bank- oder Kreditkarte jedoch fiel daneben.
„Hello Miss, your Creditcard!“ rief ich, nachdem ich sie aufgehoben hatte. Sie drehte sich nicht einmal um, dachte wohl an eine plumpe Anmache. Ich versuchte es ein zweites Mal: „Miss, is this your Creditcard?“ fragte ich laut und wedelte mit der Karte.
Nun blieb sie doch stehen, schaute mich an und wollte wohl etwas Deftiges erwidern, doch dann erblickte sie die Karte in meiner Hand. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, sie wurde leicht rot und sie stotterte beinahe als sie sagte: „O takk, tusen takk! Thank you!
Ich lächelte sie an und erwiderte: „No problem, your welcome!“ Sie schenkte mir ein zaghaftes aber ehrliches Lächeln, ihre Freundinnen kicherten leise und wir gingen unserer Wege. Es kann so einfach sein, dem anderen freundlich zu begegnen.

Bühnenbau am Kongresszentrum

Wer die moderne und schlichte Bauweise im Stadtzentrum kennen gelernt hat erwartet hier eigentlich keine Besonderheiten mehr. Doch auch in diesem Fall wird man hier schnell eines anderen belehrt. In der Ferne hatte ich einen Kirchturm ausgemacht und folgte der vorgegebenen Richtung. Ich hatte mir schon viele Kirchen, besonders in Norwegen, angesehen. Was ich hier vorfand erwartete man vielleicht in der Hedmark, einem Landstrich Norwegens, nicht aber in einer Industriestadt wie Kiruna.

Kiruna ist Industriestadt, das signalisieren auch die vielen Betonbauten

Das ganze Gebäude nebst Turm, der in Schweden immer, oder fast immer getrennt vom Kirchenschiff steht, war dunkelrot gestrichen. Links und rechts, entlang des Daches waren jeweils sechs goldene Figuren angebracht (die 12 Apostel?). Jedenfalls bildeten diese goldenen Figuren einen wunderschönen Kontrast zu der dunkelroten Farbe.


Kirunakirche mit Blick auf die imposante Orgel über dem Eingang

Was diese Kirche, sie stammt von 1912, von außen versprach gab sie auch im Inneren wieder. Aufwändige Balkenkonstruktionen unterteilen das eigentliche Kirchenschiff und bilden gleichzeitig die Grundlage für erhöhte Balkone. Gleich über dem Eingang ist eine riesige Orgel angebracht deren Pfeifen selbst im Dämmerlicht vornehm silbern glänzen. Diese ruhige und stille Atmosphäre bildete einen wahren Kontrast zum Treiben in der Stadt.


Der Glockenturm

Einfach faszinierend und beeindruckend. Als ich mich endlich von dieser Stadt losgerissen hatte, war es bereits Mittag und mein Fahrplan drohte einmal mehr ins Wanken zu geraten. Ich überlegte kurz mein nächstes Ziel ausfallen zu lassen, was ich aber schnell wieder verwarf.


und das Kirchengebäude, das auf dem ersten Blick gar nicht wie eine Kirche wirkt








Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 9. Der Abisko-Nationalpark (Schweden)

Der Abisko-Nationalpark (Schweden)

Am Abend hatte ich in meiner Nähe einen Essener ausgemacht. Sein Wagen stand vor einer der Hütten. Ich hatte kurz überlegt ob ich ihn ansprechen sollte, habe es dann aber sein lassen. Was hätte ich auch sagen sollen: „Hallo, ich bin gebürtiger Essener“, kam mir ein wenig albern vor.
Dem älteren Herrn kam es nicht albern vor zu sagen: „Hallo, ich sehe sie kommen aus Neuss, mein Sohn wohnt in Neuss.“ So kamen wir heute Morgen ins Gespräch, wechselten noch einige Worte und ich konnte ihm doch noch sagen, dass ich in Essen geboren wurde. Manchmal gibt es schon merkwürdige Begebenheiten. Auch die Freiburger verabschiedeten mich mit einem Winken und guten Wünschen.

Wanderweg im Abisko- Nationalpark
Den ersten Lapsus leistete ich mir in Narvik. Vor dieser Industriestadt liegt der Ort Ankenes. Auf der Karte lagen die Orte einige Kilometer auseinander, tatsächlich gehen sie ineinander über. Jedenfalls war ich im Glauben noch immer durch Ankenes zu fahren und wartete auf Narvik. Stattdessen kam der Abzweig zur E 10 Richtung Schweden. Einen Blick auf meine Tankuhr, gewendet und auf diese Weise mal eben 36 Kilometer umsonst. Mit dem Tankstopp, der auch nicht fehlerfrei verlief weil ich den Tank überlaufen ließ, hatte ich eine Stunde verloren. Immerhin war der Tankwart so freundlich und kümmerte sich um meinen Schandfleck.



Immer wieder kreuzt der Abiskojøkko den Wanderweg

Wenn ein Tag so anfängt bedeutet das oft nichts Gutes bei mir. Die Straße nach Schweden führte durchs Bjørnfjellet einer sehr interessanten Gebirgsstrecke. Die E 10 hat im Übrigen noch einen eigenen Namen. Der „Kongsveien“, also der Königsweg. Diese Straße führt von der Ostküste Schwedens, genauer von Töre am Bottnischen Meerbusen bis nach Å auf den Lofoten. Der damalige norwegische König hatte sich für den Ausbau eingesetzt und deshalb bekam die Straße diesen Beinamen.
Die Aussicht, sie war schon sehr reizvoll aber ich war heute ziemlich geizig mit dem Fotografieren. Zudem lief mir die Zeit davon und ich wollte doch noch wandern.


Dann geht es über schwankende Hängebrücken

Abisko. Am frühen Mittag war das Ziel erreicht. Ich dachte es ist sinnvoll gleich auf dem Campingplatz einzuchecken, was sich dann aber als weiter Fehler des Tages herausstellte. Da ich nicht irgendein Mitglied war, worauf die Betreiber wert legten, durfte ich erst einmal Papierkram erledigen.
Und dann der Platz selber! Bis ich den sogenannten Zeltplatz gefunden hatte, war eine halbe Stunde vergangen. Den Wagen durfte ich auch nicht mit auf dem Platz nehmen, was auch gar nicht gegangen wäre. Ich glaube das einzig Richtige, was ich machte war, ein langärmliges Hemd anzuziehen, trotz der Wärme.

die einem so einiges abverlangen

Nachdem also so ziemlich alles schiefgegangen war, was schief gehen konnte verwunderte es mich auch nicht mehr, dass ich des wohlriechenden Speisesaals verwiesen wurde. Das Essen war nur für die Vollpensionäre oder Mitglieder, aber ich könnte gerne später noch mal wiederkommen. – Aha, dann werden also die Reste teuer verkauft. Nein danke! Meine Kühlbox war gut gefüllt. Kurzerhand packte ich mir etwas Proviant ein und dann los. Mit vollem Magen wandert es sich eh nicht besonders gut und wegen des Wanderns bin ich schließlich hierher gefahren.

Wirklich wild ist der Abiskojøkko nicht

Meine spezielle Wanderkarte hätte ich im Auto lassen können, selten findet man so gut ausgeschilderte Wanderwege. Ziel meiner Wanderung sollte der Beginn des Canyons sein. Gut zehn Kilometer von der Touristenstation entfernt. Die Wege, meist Trampelpfade oder Holzstege, wenn es durch Sumpfgebiet ging. Der Weg führte mal direkt am „Abiskojøkka“, also dem Fluss entlang, dann wieder durch zierliche Birkenwälder deren Bodengewächse ziemlich interessant sind. So gab es hier unter anderem die Polarblume zu bestaunen. Für uns Unwissende ein wohl eher unscheinbares Pflänzchen. Kaum zehn Zentimeter hoch, zwei oder drei grüne Blättchen an einem zierlichen Stängelchen, und dass was sich dann Blume oder Blüte nannte waren vier kleine weiße Blütenblätter. Die gesamte Blüte hatte vielleicht einen Durchmesser von zwei Zentimetern. Völlig unscheinbar und dennoch machte ich Bilder davon, so wie von einigen anderen Blumen, die mir auf meiner Wanderung begegneten. Wohl sind mir all diese Blumen weitgehend unbekannt, ich bin nun mal kein Botaniker, auch ist mein Interesse nicht so riesig groß an Pflanzen und trotzdem hatten sie mich neugierig gemacht. Wer sich näher mit den Pflanzen befassen möchte, dem steht entsprechende Literatur, meist viersprachig, in den Andenkenshops zur Verfügung. Allerdings nicht ganz billig, wie ich anmerken möchte. Besonders interessant wurden die Wege wenn es galt kleine Bachläufe zu überqueren. Stege, kaum breiter als zwei Schwebebalken sorgten an solchen Stellen dafür, dass man keine nassen Füße bekam. Das Gleichgewichtsorgan sollte also intakt sein, wenn man hier wandern wollte. Das galt auch, wenn ein Seitenarm des Flusses oder eine kleine Schlucht überquert werden musste. An diesen Stellen hat man dann solche Gebilde wie Hängebrücken errichtet. Die erste auf meinem Weg war wohl gut dreißig, vielleicht vierzig Meter lang und schwankte wie ein Weidenzweig im Wind.

aber er bahnt sich seinen Weg durchs Felsgestein

Mir fiel dazu spontan der Wackeldackel ein. Jenes Untier welches sich auf vielerlei Hutablagen breit macht und dem nachfolgenden Fahrer unentwegt zunickt. So in etwa kann man sich diese Hängebrücken vorstellen sobald man sie betrat. Deren zwei davon galt es zu überqueren und ich, eigentlich gar nicht schwindelfrei und solcherlei Akrobatik eher skeptisch gegenüberstehend, fand auch noch Gefallen daran, zumal ich diesen Weg auch wieder zurückgehen musste.

In den Birkenhainen lauert eine Gefahr, fliegende Vampire

Der Weg als solcher war mäßig anstrengend, die Sonne setzte sich hier doch ganz anders durch als noch hundert Kilometer weiter westlich. Und was mir noch mehr zusetzte waren diese blutsaugenden Biester, die irgendwie immer einen Weg fanden um ihren Rüssel in meine Haut zu bohren.
Nach etwa neun Kilometer, etwas früher als mein selbst gesetztes Ziel brach ich die Wanderung ab. Von Osten schickten sich schwere Gewitterwolken an, die 1200 Meter hohe Bergkette in Richtung Abisko zu überqueren. Ich war zwar gut ausgerüstet aber Gewitter im Wald ist nicht unbedingt das was ich brauchte. Überhaupt war ich wohl ziemlich alleine so weit draußen. Am Ende waren es dann etwa achtzehn Kilometer. Mit Pausen war ich gut sechs Stunden unterwegs, bei etwa fünfundzwanzig Grad mehr als genug.


Blick auf Lapporten (Das Tor Lapplands)

Natürlich habe ich während meiner Wanderung auch den Canyon mit seinen Stromschnellen und Fällen gesehen und im Bild festgehalten. Ich muss jedoch sagen, dafür dass es sich um den größten Canyon in Europa handelt, war ich etwas enttäuscht. Irgendwie hatte ich ihn mir imposanter und wilder vorgestellt. Aber letztendlich war der Canyon doch eher Nebensache, ich wollte hier wandern, etwas für mich tun.

Unscheinbar und doch allgegenwärtig, zierliche Pflänzchen

Während ich diesen Bericht schrieb, fuhr hier ein Güterzug vorbei. Mitten in dieser Hochebene gibt es eine Eisenbahnverbindung. Eine sehr wichtige Strecke sogar. Auf ihr wird das Eisenerz, welches in Kiruna, mein morgiges Ziel, gewonnen wird nach Narvik gebracht wo es schließlich verschifft wird.
Im zweiten Weltkrieg war diese Verbindung von größter Bedeutung, die Deutschen wollten sie sich zunutze machen und besetzten Narvik. Wir wissen das es nichts geholfen hat, Gott sei Dank!
Heute ist diese Strecke so wichtig weil der Hafen in Narvik, dank des Golfstromes, das ganze Jahr über eisfrei bleibt.
Und wenn ich noch ein Stück weiter hinter die Eisenbahnstrecke schaue gibt es dort noch eine ganz besondere landschaftliche Sehenswürdigkeit. Das sogenannte „Lapporten“. Zwei Berge, deren Namen ich hier nun nicht zum Besten gebe weil sie der samíschen Sprache entnommen und für uns beinahe unaussprechlich sind, bilden dieses Lapporten. Im Übrigen heißt das in etwa: Das Tor Lapplands.








Samstag, 14. Februar 2009

Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 8. Vom Polarkreis nach Ballangen

Vom Polarkreis nach Ballangen

Trotz der vergangenen Anstrengungen begann mein Tag recht früh. Der vor mir liegende Abschnitt war lang und wenn man trotzdem etwas von unterwegs mitnehmen möchte, brauchte man die entsprechende Zeit.
Erstes Ziel war der Polarkreis. Auf den Weg dorthin sollte ich noch einen Eindruck davon bekommen, wie die Hauptverkehrsachse Nord – Süd vor etwa vierzig Jahren ausgesehen haben mochte. Auf etliche Kilometer war der Asphalt abgetragen worden um ihn zu erneuern. Bis dahin aber musste man sich auf nackten Schotter bewegen. Schnell fahren war nicht mehr möglich. Überhaupt unterlag diese Verkehrsader ständigen Veränderungen. Ein Stück hinter dieser Schotterpiste, etwa bei Dunderland entstand ein neuer Tunnel. Bisher führte die Straße um den Berg herum, weil dieser sich besonders nach den Wintern immer wieder, durch starken Steinschlag, in Erinnerung brachte, hatte man sich nun für diesen Weg entschieden.
So glich die Fahrbahndecke eher einer Kraterlandschaft, denn einer Straße. Eindrücke waren das, was mich heute den ganzen Tag über begleiten sollte.

Die E 6, eine Schotterpiste zwischen Mo I Rana und Polarkreis
I
ch hatte einen neuen Film in die Kamera gelegt, war am Morgen aber noch der Ansicht, diese wenig gebrauchen zu müssen. Eine irrige Annahme wie sich zeigen sollte.
An der Polarkreisstation gönnte ich mir erst einmal einen Kaffee und nutzte die Zeit ein paar Postkarten an die Lieben daheim zu verschicken.
Die Polarkreisstation ist so gesehen eine Touristenstation und natürlich der Hinweis darauf, bei 66,33 Grad nördlicher Breite angelangt zu sein. Eben dem Beginn des Polarkreises. An diesem Punkt gibt es die Mittsommernacht genau einen Tag lang am 22.Juni. Je weiter nördlich man kommt umso länger währt die Zeit in der die Sonne nicht untergeht. Das Ganze hängt mit der Polachse unseres Planeten zusammen, die selbst noch mal geneigt ist. Soviel zu den astronomischen Besonderheiten.


Ausblick auf Polarkreisstation und das schneebedeckte Saltfjellet
In der Station gibt es ein kleines Museum, es zeigt etwas über das Leben am Polarkreis und der Tierwelt.


Landschaft am Saltfjord, südlich von Fauske
Bei meiner weiteren Fahrt, ich befand mich noch immer auf der E 6, wechselte die Aussicht, links und rechts in rascher Folge. Manchmal bekam man den Eindruck ein Amateurfilmer habe hier einen Film recht ungeschickt zusammen geschnitten. Es ging durch Hochebenen, sechs- bis siebenhundert Meter aber der Schnee reichte links und rechts teilweise noch bis an die Straßenränder. Die samíschen Souvenirläden hatten noch gar nicht geöffnet. Eine eingleisige Eisenbahnlinie und ein Fluss schlängelten sich abwechselnd links oder rechts neben der Fahrbahn durch die grotesk wirkende Landschaft. Außer den Felsen und Bergen, die häufig mit verschiedenen Arten von Moosflechten bewachsen, nein, besser überzogen waren, stellte oft die Vegetation. Hier und da gab es einzelne, sich tief duckende Birken oder Fichten. Selten bildeten sie einen ganzen Wald. Spontan war mir beim Anblick eines solchen Wäldchens der Begriff „Zwergenwald“ in den Sinn gekommen. Diese Bäumchen waren oft nicht größer als drei oder vier Meter, dabei aber nicht selten dreißig, vierzig, fünfzig Jahre alt und älter.


Nördlich von Fauske zwischen den vielen Tunneln der Leirfjord
Die Winter beherrschen das Land nördlich des Polarkreises, die Vegetation spricht da eine deutliche Sprache. Bis zu zweihundert Tage schneebedeckte Flächen sind keine Seltenheit in der langen kalten Jahreszeit.
Ein kleiner Wasserfall ist oft schon eine richtige Abwechslung in dieser sonst eher eintönig wirkenden Landschaft. Auch dauert es scheinbar Ewigkeiten von einer Ortschaft oder Ansiedlung bis zur nächsten.
Erst die kleine Stadt Fauske bildet so etwas wie eine Ausnahme und doch ist sie in wenigen Minuten durchfahren.

und noch ein Stück weiter bei Vesterbotn
Gleich hinter der kleinen Stadt begann die, von mir, so genannte Höllenstrecke. Auf den folgenden sechzig Kilometern öffneten sich immer wieder große schwarze Löcher, die einen verschlangen um irgendwann wieder ausspeien. Die Rede ist hier von Tunneln, die man nicht mit den unsrigen vergleichen kann. Es sind Röhren die durch die Berge, welche der E 6 im Wege standen, getrieben wurden. Oft, oder besser meist in keiner Weise ausgekleidet. Das fade, meist rötlich schimmernde Licht warf bizarre Schatten in dieser eh schon dunklen gezackten Welt. Ich hatte das Gefühl einen Weg vor mir zu haben, der direkt in die Hölle führte. Erst recht wenn sich diese Röhren auf sechs oder sieben Kilometer hinzogen. Nun wollte ich aber niemanden mit der Beschreibung ängstigen. Bei aller Schlichtheit dieser Tunnel, steht die Sicherheit doch im Vordergrund. Alle dreihundert Meter gibt es Nothaltebuchten mit Feuerlöschern und Notrufsäulen. Und wenn man sich an die Vorschriften hält, (Geschwindigkeit, Überholverbot, etc.), sind diese Röhren bei der geringen Verkehrsdichte auch absolut sicher! Ich hatte niemals wirklich das Gefühl, hier einer Gefahr ausgesetzt zu sein.
Am Ende des Tages hatte ich sage und schreibe 27 Tunnel durchquert und auf diese Weise etwa 50 – 60 Kilometer in den Bäuchen der verschiedenen Berge zugebracht.

Markante Berge, der Kråkmotinden
Die Finsternis war das eine, die Bilder am Ende der Röhren immer wieder andere. Mal blickte man als erstes auf bizarre Felsformationen, ein anderes Mal direkt in das tiefe blaugrün eines Fjords. Wieder ein anderes Mal empfingen mich bunte Blumenwiesen an den Straßenrändern. Aber nichts, wirklich nichts ähnelte dem zuvor gesehenen. Nach jedem Tunnel erschien eine neue Welt. Es war immer wieder anders, eigentlich viel zu abwechslungsreich, aus diesem Grund ließ ich dann öfter mal die Kamera sprechen.

Samí- Kunstmuseum und Begegnungsstätte bei Drag (RV 827)
Am Nachmittag, vielleicht sollte ich erwähnen, dass die Sonne kräftig schien und das Thermometer mal wieder auf fünfundzwanzig Grad ansteigen ließ, erreichte ich den kleinen Ort Drag an der RV 827. - Man kann auch weiter der E 6 bis Bognes folgen und dort mit der Fähre nach Skardberget übersetzen. - Von hier sollte es mit einer Autofähre über den Tysfjord weitergehen. Dummerweise war die Fähre gerade weg und mir blieben beinahe zwei Stunden Zeit.

Skulpturen vor dem Gebäude

Ein Gebäude, einer Kirche oder einem überdimensionalen Zelt ähnlich, erregte mein Interesse. Kurz vor der Zufahrt zum Fähranleger gab es ein Hinweisschild zu einer Sehenswürdigkeit mit Namen „Arran“.
Ich bewegte mich inmitten samíschen Lebensraums und so war es wenig verwunderlich hier auf Spuren dieser Kultur zu stoßen. „Arran“ ist der Name eines kleinen, gerade erst eröffneten, aber durchaus interessanten „Samíske Museum“.


und Bilder in den Ausstellungsräumen
Neben traditionellen Stücken wie Trachten, Waffen, Handwerkskunst gab es auch eine Abteilung für moderne samísche Kunst. Die Samen sind bekannt für ihre farbenfrohen Trachten, in denen ihre Nationalfarben, rot, blau, gelb und grün immer wieder vorkommen. Das Blau muss man sich als kräftiges, ja ich denke Marineblau vorstellen.
Einige Exponate hingen bereits an den Wänden und wenn diese Stücke auch Käufer finden wird dieser Teil der Ausstellung wohl auch regelmäßig wechseln. Ich hegte keine Zweifel daran weil die Bilder zum Teil sehr ansprechend waren, in Farbkombination und auch Gestaltung.
Im oberen Teil gab es zudem eine umfangreiche Bibliothek. Alle Bücher sind in der samíschen Sprache abgefasst. Am Infoschalter konnte man auch einige Bücher, auch Kinderbücher, käuflich erwerben.
Neben dem Museum stellt dieses Gebäude zugleich eine Begegnungsstätte und einen Kindergarten bereit.


In vielen Bildern spiegelt sich die Farbenpracht der traditionellen Trachten wider

Der Empfang war sehr freundlich wenn die junge Frau auch ein wenig überrascht schien, schon Touristen empfangen zu dürfen. Wie gesagt überall wurde noch geschraubt und gehämmert, dekoriert, aufgehangen und eingerichtet was einer Besichtigung keinen Abbruch tat. Dass auch ein Café vorhanden war bedarf kaum noch der Erwähnung.
Wer sich für samísche Tradition und deren Kunst interessiert sollte hier einmal reinschauen. Und nicht nur dann wenn er gerade die Fähre verpasst hat. Ich musste mich letztendlich noch sputen um die Fähre nicht auch noch zu verpassen, so kurzweilig war die Wartezeit durch den Museumsbesuch.


oder erzählen die lange Geschichte des Volkes
Die Fahrt über dem Tysfjord forderte wieder einige Bilder und ich wünschte mir insgeheim, es möge nun Oktober oder November sein, denn dann tummeln sich hier im Fjord jede Menge Orcas. Jene Walart, die man fälschlicherweise als Killerwale bezeichnet und obendrein zur Familie der Delfine gehören. Wir hatten aber nun mal Juni, die Sonne brannte aber der Wind hielt erbarmungslos dagegen. Irgendwie hatte es was von einem Saunagang. Die Sonne heizte den Körper auf, ließ Schweißperlen auf der Haut entstehen und dann kam der eisige Wind und man glaubte Eiskristalle bohrten sich in die Haut.

Der Tysfjord
Wenig später war auch dieser Tag, dieser Tourabschnitt beendet. Der Campingplatz in Ballangen, gleich am Ofotfjord, hinterließ einen guten Eindruck. Im Hintergrund rauschte unablässig ein kleiner Wasserfall, die Sonne schaute direkt zwischen zwei Birken von den Bergen herab, der Wind hatte sich beruhigt und trotzdem war es im Schatten der Bäume sehr kühl. Ich genoss diese Mittsommernacht, in der um zweiundzwanzig Uhr die Sonne noch immer eine gute Handbreit über den Horizont stand.

und ein weiterer markanter Berg, der Kobbenestinden an der RV 827

Morgen sollten dann zwei Tage in Schweden folgen.













Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 7. Der Svartisen Gletscher

Der Svartisen Gletscher

Der erste kurze Abschnitt führte mich wieder hoch ins Gebirge, wobei hoch doch eher relativ zu sehen ist. Das „Korkfjellet“, (Fjellet = Gebirge) ragt nicht einmal 700 Meter hoch und doch bekommt man den Eindruck viel höher zu sein. In Serpentinen schlängelt sich die Straße bei 9% Steigung bis zum höchsten Punkt. Durch die Wolken blinzelte die Sonne und gaukelte mir trügerische Wärme vor. Als ich ausstieg, um diesen Anblick zu genießen, empfing mich ein eisiger Atem. Die Sicht war sehr gut und reichte bis an das Eis des Svartisen Gletschers, mein heutiges Ziel.




Panoramablick vom höchsten Punkt des Korkfjellet

Vom höchsten Punkt ging es gleich wieder hinab bis tief ins Tal auf Meeresspiegelhöhe. Neun Kilometer nur Serpentinen, Haarnadelkurven und Spitzkehren bei wiederum neun Prozent Gefälle. Dazu eine mehr als schlechte Fahrbahndecke, die sich in den Kurveninnenseiten noch weiter neigte, so dass man an Steilkurven auf Rennstrecken erinnert wurde, deren Fahrbahnränder allerdings oft gar nicht mehr vorhanden waren. Solche Abschnitte erfordern eine hohe Konzentration. Und so wäre es in einer Kurve beinahe passiert. Ich kam zu dicht an den unbefestigten Rand und das Auto neigte sich gefährlich. Eine leichte Lenkkorrektur brachte mir wieder Asphalt unter die Reifen.





Auf dem Weg zum Svartisvatnet (schwarzer See)

In Rossvoll gibt es einen Campingplatz. Vor zwei Jahren hatte ich hier schon Station gemacht. Leider durfte ich meinen Wagen hier nicht abstellen, wahrscheinlich deswegen weil ich diesmal nicht hier übernachten wollte. Der Parkplatz in Höhe des Flughafens war verwaist. Kein einziges Fahrzeug stand dort und voll bepackt wollte ich meinen Wagen keineswegs dort abstellen. So blieb mir nichts anderes übrig als bis zur Setergrotte zu fahren. Eine der Grotten, es gibt etwas höher auch noch die Grønligrotte, wollte ich ursprünglich besuchen. Die Informationen, die ich dann aber bekam ließen mich von diesem Vorhaben wieder Abstand nehmen.
Du kriechst auf allen Vieren durch die Grotten, wenn auch mit gestelltem Schutzanzug, Helm usw. Eine Dusche und frische Kleidung nach dem Besuch dürfte wohl unbedingt erforderlich sein. Für Interessierte ist der Besuch ganz sicher lohnenswert. Die Entscheidung, auf den Besuch einer der Grotten zu verzichten, fiel mir nicht schwer. Bei der Setergrotte fragte ich, ob ich meinen Wagen dort stehen lassen konnte. Ich wollte mit dem Fahrrad zum Svartisvatnet. Es gab keine Probleme, freundlich wurde mir das Abstellen des Wagens erlaubt. So wusste ich ihn, samt Inhalt bis zum späten Nachmittag, gut aufgehoben.


Der Ablauf vom Gletschersee
Gegen zwölf Uhr machte ich mich endlich auf dem Weg, das heißt ich startete den ersten Versuch. Nach ein paar hundert Metern wieder zurück weil ich mir nicht sicher war meinen Wagen auch verschlossen zu haben. Das gleiche wiederholte sich ein zweites Mal, weil mir dann einfiel, dass ich keinen Fotoapparat mitgenommen hatte.
Zwei ältere niederländische Paare machten sich bereits ihren Spaß daraus, indem sie mich jedes Mal begrüßten und auch wieder winkend verabschiedeten. So hatte ich auf diese Weise für ein wenig Unterhaltung gesorgt. Dann aber ging es endlich los. Die Strecke war durch meinen gewählten Standort nun etwa sechs Kilometer kürzer (einfache Strecke) und so hoffte ich die verbleibenden fünfzehn oder etwas mehr Kilometer in etwa einer Stunde zu schaffen. Ich hatte diese Strecke als ziemlich eben mit wenigen Erhebungen in Erinnerung, was sich dann auch bestätigte. Lediglich der Anstieg zum See auf unbefestigter Straße ließ sich sehr schlecht fahren und ein kurzes Stück davon musste ich sogar schieben. Trotzdem war das Ziel bereits nach 50 Minuten erreicht, ohne dass es sonderliche Anstrengung gekostet hätte.


Das Ziel ist noch nicht erreicht, doch der Gletscher zeigt sich schon
Zur Landschaft gibt hier eigentlich nicht viel zu sagen. Die kleine Straße führt durch Wäldchen, an Weiden oder Getreidefeldern vorbei und zeigt in der Ferne auch schon mal einen Wasserfall.
Die Sonne hatte unterdessen durchaus an Kraft gewonnen, der Wind jedoch erzählte noch vom vergangenen Winter. Eine gefährliche Mischung besonders wenn man nur auf die Sonne hört. Sie verbrennt dir das Gesicht, während der Wind unentwegt und heimtückisch an deinen Nieren nagt. Meine windfeste Jacke, die ich trotz der brennenden Sonne anhatte machte es dem eisigen Wind schwer.
Als ich den See erreichte, stellte ich einmal mehr fest, dass die Uhren hier und da doch etwas anders ticken. Hier herrschte noch immer Vorsaison und das kleine Motorboot fuhr nur alle zwei Stunden Richtung Gletscher über den See. Zeit genug für einen Kaffee und einem netten Gespräch mit zwei Paaren aus Karlsruhe und Kehl.


und dann liegt er vor dir, der Svartisen Gletscher
Die Bedienung im Café war die gleiche Person wie vor zwei Jahren. Damals als er mich zur frühen Morgenstunde bediente wirkten seine Bewegungen unausgeschlafen. Böse Zungen würden sagen, der bewegt sich wie eine Rolle Schlaftabletten. Heute, zur fortgeschrittenen Mittagsstunde waren seine Bewegungen keinen deut schneller. Es war wohl seine Art sich so tranig zu bewegen, dazu auch noch leise, beinahe flüsternd zu sprechen und aus traurigen Dackelaugen zu schauen, was ihn ein wenig mürrisch erscheinen ließ. Aber deswegen war dieser Mensch in keiner Weise unfreundlich. Man hatte eben einfach nur das Gefühl, der schläft jeden Moment im Stehen ein. Vielleicht hätte er mal seinen eigenen Kaffee trinken sollen, der war wirklich gut gebrüht!
Das Paar aus Karlsruhe wollte auf den Gletscher verzichten, sie wollten noch zur Grønligrotte. Sie waren davon ausgegangen den Gletscher gleich am See vorzufinden. Nun dafür waren sie dann wohl um hundertfünfzig Jahre zu spät gekommen, wie eine Bildertafel im Café veranschaulichte.

Große Eisschollen erzählen vom letzten Gletscherkalben
Um vierzehn Uhr legte das kleine Motorboot für bis zu 50 Passagiere ab. Ein eiskalter Nordwestwind peitschte über den giftgrünen „Svartisvatnet“. Das kleine Motorboot hatte ordentlich zu kämpfen, um sich durch die aufgewühlte See zu pflügen.
Der Wasserfall am anderen Ende des Sees, gleichzeitig der natürliche Ablauf des oberen Gletschersees, dem „Austerdalsvatnet“, beförderte wesentlich mehr Wasser als ich es in Erinnerung hatte. Laut und wild toste er ins Tal und war selbst durch den Motorenlärm zu hören. Er war eine einzige weiße und wütende Gischt. Man sah ihm an, dass die letzte Schneeschmelze noch nicht allzu lange zurücklag.
Auch der anschließende Aufstieg zum Gletscher hatte sich in kleinen Teilen geändert. Da es sich um einen Naturweg handelte musste man sein Verlauf durch äußere Einwirkungen schon mal ändern. So erzählten große herumliegende Felsbrocken von den Auswirkungen und der gnadenlosen Gewalt des Eises und des vergangenen Winters.
Auch der obere Gletschersee hatte sich ohne Rücksicht auf so niedere Wesen wie uns Touristen verdammt breit gemacht. Überbleibsel von großen Pfützen oder kleineren Seen zwischen dem Felsgestein deuteten darauf hin. Dennoch fanden wir unseren Weg zu seiner Majestät.
Obwohl ich ihn nun schon zum zweiten Mal beehrte, hatte er doch nichts von seiner Erhabenheit verloren. Im respektvollen Abstand ließ ich mich vor ihm nieder und betrachtete, nein bewunderte ich seine eisige Eminenz.

Der Svartisvatnet, eingebettet wie ein Smaragd in felsiger Fassung
Viele der mitgekommenen Touristen schienen jedoch keinen Respekt zu kennen. Ungeachtet der Warntafeln, und der überall beschriebenen Gefahren, marschierten sie direkt bis zu seinen Füßen an das Eis heran. Wie groß die Gefahr sein konnte, zeigten frische Bruchstellen und größere Eisschollen die auf dem Gletschersee trieben. Ich dachte nur bei mir: „Gnade ihnen Gott, wenn der Zorn des Gletschers erwacht.“
Nun, solange ich dort oben war zeigte er sich den Respektlosen gegenüber gnädig.
Nach einem kleinen Imbiss schenkte ich ihm noch einen letzten Blick und ich war mir sicher, wenn ich wieder mal in der Gegend war, würde ich ihn wieder besuchen. Dieses kalte eisige Etwas aus grauer Vorzeit hat etwas Mystisches und gleichzeitig Anziehendes an sich. In seiner Nähe spürt man vielleicht wie gering unser Dasein, wie klein wir im weiten Reich der Natur doch eigentlich sind.
Nun hieß es den gleichen Weg wieder zurückmarschieren und mit dem Boot wieder zum Café. Dort angekommen erntete ich den ein oder anderen mitleidsvollen Blick. Eigentlich hätte ich diese Menschen bemitleiden müssen. In ihren großen Wohnmobilen fliegt die Natur doch nur unbeachtet an ihnen vorbei. Und wozu, in aller Namen, hatten sie überhaupt die Fahrräder hinten dranhängen, wenn sie doch nicht genutzt wurden?Sicher, vierzig Kilometer durch eigene Beinkraft zu bewältigen schlauchen und der innere Schweinehund will auch erst einmal überwunden werden. Auch ich spürte die Müdigkeit während ich diesen Bericht hier schrieb. Aber neben dieser Leidigkeit, wenn es denn überhaupt eine war, hatte ich noch ein anderes Gefühl. So etwas wie Stolz und Selbstzufriedenheit, schließlich musste ich es niemanden beweisen, eigentlich nicht einmal mir selbst.








Norwegen 2002 - Mein Norwegen Tagebuch - 6. Zwischen Trondheim und Mosjøen

Zwischen Trondheim und Mosjøen

Dieser Tag sollte mich ein ganzes Stück weit nach Norden bringen. Es gab keine besonderen Programmpunkte oder Ziele, immer nur die E 6 in nördlicher Richtung.
Um Trondheim herum gibt es einige gebührenpflichtige Abschnitte. Bei Hommelvik, von einem Rastplatz gibt es ein wunderschönes Panaroma auf den Trondheimfjord. Überflüssig zu erwähnen, dass die Sonne am strahlendblauen Himmel stand. Der Fjord ist an der Stelle etwa 30 Kilometer breit. Oft ist das andere Ufer kaum auszumachen, selbst bei gutem Wetter nicht, so dass man glaubt aufs Meer hinaus zu sehen. Was ja in gewisser Weise gar nicht verkehrt ist. Fjorde sind die Arme des Meeres, wie man weiß.



Blick auf den Trondheimfjord bei Hommelvik
Hinter Steinkjer verließ ich die Küstenlandschaft, es ging hinauf in die Berge, die hin und wieder einen fantastischen Blick auf den „Snåsavatnet“, einem weiteren großen See, freigaben. Beinahe fünfzig Kilometer ging es nur an dem See entlang. Bergauf, bergab mal durch Wälder dann wieder direkt am Ufer des Sees entlang. Fast am Ende des Sees angelangt wurde es Zeit für die Mittagspause. Ein schön gelegener Rasthof mit gepflegtem Äußeren und Hotelanbindung lud geradezu ein. Innen ein weiteres Bild von Gepflegtheit und Freundlichkeit, und dazu angemessene Preise. Mein Blick fiel auf ein Schild mit der Aufschrift „Dagensmenue – Reinsteks“. Ich bestellte das Tagesmenü und wurde nicht enttäuscht. Fünf dünn geschnittene Fleischscheiben lagen auf dem Teller. Dazu eine gut gewürzte, dem Fleisch angepasste Soße, ein großer Löffel Preiselbeeren, frische Kartoffeln und buntes Gemüse bestehend aus Broccoli, Blumenkohl und Möhren. Was das Auge bereits erfreute, mundete schließlich auch so. In diesem Augenblick war ich mal wieder rundum zufrieden. Ach ja, vielleicht sollte ich erwähnen, dass es sich natürlich um Rentierbraten handelte. Das Fleisch ist in seinem Geschmack sehr mild, etwa unserem Reh ähnlich und sehr zart. Dass dieses Fleisch hier nichts Außergewöhnliches darstellt belegen auch die Preise, ja oft ist so ein Menü billiger, als eines mit Rindfleisch. Rentiere sind hier Haus-, Hof- und Weidentiere wie Kühe oder Schafe. Sie gehören ganz einfach zum Ernährungsplan der Norweger und somit sehe ich nichts verwerfliches daran dieses Fleisch zu essen.

In der Nähe von Levanger am Ende des Trondheimfjords
Auf meinem weiterem Weg lag der „Formofoss“ (Foss, Fossen = Fall, Fälle, also Wasserfall), etwa fünfzehn Kilometer nördlich von Vegset. Hierfür musste ich die Hauptstraße verlassen. Der kleine Umweg hatte sich gelohnt. Der Wasserfall nicht besonders hoch oder spektakulär, aber dafür erzeugte sein Tropfenschleier im Licht der Sonne einen wunderschön schillernden Regenbogen. Die Birkenbäume und einzelnen Kiefern und Fichten, sorgten mit ihrem Schatten für weitere Akzente.
Nach einem kurzen Fotostopp kehrte ich zur Nebenstraße zurück. Die Verlängerung führte mich über Grong zurück auf die E 6.


Der Formofoss bei Grong
Ab hier schlängelt sich die E 6 recht kurvenreich durch die Landschaft. Es geht immer an einem Fluss entlang, der stellenweise recht aufregend und wild ist, die Straße aber keine Gelegenheit für einen Stopp bietet. So nahm ich diese Eindrücke nur mit halbem Sinn wahr. Bummeln ist auf dieser Straße auch nicht ratsam, schließlich ist die E 6 die Hauptschlagader des Landes und führt von Oslo hoch bis zum Nordkap.
Ein Stück hinter Grong gibt es eine Sehenswürdigkeit, die Lachstreppe. Dort wird der Fluss Namsen für ein Wasserkraftwerk aufgestaut. Da dieser Fluss aber wichtig für die Lachswanderung war, hatte man seinerzeit eine künstliche Lachstreppe angebracht. Diese wurde dann auch tatsächlich von den Fischen genutzt. Auf diese Weise hatte die Region dann auch gleich eine neue Touristenattraktion.
Die Landschaft wirkt hier manchmal wie in der Schweiz, Österreich oder auch dem Schwarzwald, Wenn man zwei Stunden mit etwa Tempo achtzig durch diese optisch wenig abwechslungsreiche Landschaft fährt, dann kann sie schon mal eintönig wirken, ohne wirklich eintönig zu sein.


Das Nordland ist erreicht
Schließlich hatte ich die Grenze zum Nordland erreicht. Gut zu erkennen an der Brückenskulptur die sich quer über die E 6 spannt und gleichzeitig ein großer Parkplatz mit Touristeninformation anschließt. Ein kurzer Stopp, ein kurzer Plausch mit einem Reisebusfahrer einigen Fahrgästen aus Zwickau. So fragte ich die schon etwas älteren Herrschaften was sie hierher verschlug wo sie doch das schöne Erzgebirge direkt vor der Haustür hatten. Einige ratlose Blicke und dann die Antwort einer älteren Dame: „Das Erzgebirge, jetzt wo sie es sagen, junger Mann, das stimmt, da müssen wir auch noch mal hin.“ Zustimmendes Nicken. Der Busfahrer grinste, wir grüßten und weiter ging es.


Idyllische Landschaft nördlich von Namskogen am Store Majavatnet
Nach wenigen Kilometern der nächste Halt. Eine schöne Seenlandschaft erweckte meine Aufmerksamkeit. „Majavatnet“ sagte meine Karte, sie war es wert im Bild festgehalten zu werden. War sie doch so ziemlich die einzige Abwechslung zwischen all den Flüssen, Bergen und Wäldern.
Nördlich von Torfors, wir befinden uns noch immer auf der E 6, gibt es eine weitere Sehenswürdigkeit am Fluss „Vetsna“. Eine große Stromschnelle sorgt dafür, dass man hier das Lachsspringen gut beobachten kann. Nach der langen Fahrt war das für mich eine willkommene Abwechslung. Der Versuch, davon Fotos zu machen, musste ich später als gescheitert betrachten. Nach einem Kaffee in der Wirtsstube ging es auf den letzten Abschnitt des Tages. In Mosjøen am Vefsnfjord war Endstation. Der Platz war gut auch wenn er gleich an der E 6 lag, was hier häufig der Fall ist. Der Straßenlärm ist hier nicht größer, als in den Nebenstraßen einer Großstadt.


Der Laksfors am Fluss Vefsna
Später am Abend, die Sonne stand noch hoch über den Bergkuppen, spürte man doch den Einfluss des Nordens. Es kühlte sehr schnell ab und die angrenzenden Achthunderter trugen noch Fetzen vom Winter, in Form von Schneefeldern. Dazu wehte ein frischer Wind, der in diesem Fall mal keine Regenwolken mitbrachte.